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DFST 42: Schatzsuche im All

11. Mai 2024

Ich habe ja vor kurzem noch von Disney in der Experimentier-Phase gesprochen. Das hat das erfolgsverwöhnte Maus-Haus dann deutlich in den Einnahmen gemerkt. „Dinosaurier“ war noch ein voller Erfolg und spielte das Doppelte seiner Produktionskosten ein. „Fantasia 2000“ war dann aber ein ziemlicher Flopp. „Ein Königreich für ein Lama“ musste leider auch als solcher verbucht werden. Richtig bitter wurde es bei „Atlantis“, der knapp 120 Millionen Dollar kostet und dann „nur“ 186 einspielte. Deswegen kostete „Lilo & Stitch“ dann deutlich weniger, spielte wieder ein bisschen mehr in die „klassische“ Disney-Richtung (und war trotzdem kein typischer Disney-Film) und wurde dann auch ein Erfolg. Der nächste Flop ließ sich dann aber trotzdem nicht abwenden – und das finde ich echt schade, weil ich finde, „DER SCHATZPLANET“ ist ein wirklich unterschätzter Disney-Film.

Jim Hawkins (Joseph Gordon-Levitt) lebt mit seiner Mutter (Laurie Metcalf) auf dem Planeten Montressor und wächst mit den Geschichten über den berüchtigten Weltraum-Piraten Captain Flint und seinen legendären Schatz auf. Als eines Tages ein Pirat in der Nähe der Pension seiner Mutter notlandet, übergibt der Jim eine Karte und die Warnung, sich vor „dem Cyborg“ in Acht zu nehmen. Als sich herausstellt, dass es die Karte zu Flints Schatz ist, begibt Jim sich auf die Reise… auf dem Schiff, das Dr. Doppler, ein Freund der Familie, chartet. Blöd nur, dass die Besatzung aus recht zwielichtigen Figuren besteht, die sich natürlich später als Piraten herausstellen – die angeführt werden vom Cyborg John Silver (Brian Murray).

Es ist echt lange her, dass ich das letzte Mal „Der Schatzplanet“ geguckt habe. Ich weiß nur, dass ich den früher mit meinem kleinen Bruder richtig viel geguckt habe. Gerade wegen dem Science-Fiction-Setting fanden wir beide Gefallen an dem Film… vor allem einfach mal Piraten-Schiffe ins All zu pflanzen, ist irgendwie einfach ne coole Idee. Robert Louis Stevensons „Die Schatzinsel“ ist aber auch ein tolles Abenteuer („One Piece“ zehrt bis heute von der Prämisse), warum also nicht das Ganze mal im All. Allein schon der Weltraumhafen, dann noch diese ganzen unterschiedlichen Gestalten – das ist stark.

Aber gerade hier zeigt sich dann auch schon, dass es so ganz und gar nicht so richtig zu Disney passt. Viel Platz für niedliche Sachen gibt es in „Der Schatzplanet“ nicht. Da darf gerade mal Silvers Haustierchen Morph, ein Gestaltenwandler, ein bisschen für Lacher sorgen (und erinnerte mich dabei immer ein bisschen an den Dschinni aus „Aladdin“) – obwohl nein, stimmt nicht ganz. Das komische Pups-Monster unter Silvers Truppe ist auch noch echt witzig. Ansonsten sind da aber echt ein paar gruselige Gestalten dabei. Piraten halt.

Spannend an „Der Schatzplanet“ ist aber auch die Tatsache, dass Disney die Beziehung zwischen unserem Helden und dem Schurken des Films nicht groß von dem abändert, was Stevenson in seinem Roman vorgeschrieben hat. John Silver ist ein Disney-Schurke, der trotzdem auch ein Sympath ist. Gerade weil er zu Beginn auch echt eine Vaterfigur für Jim wird und sich die Beiden so sehr anfreunden. Diese Freundschaft wird dann auf eine harte Probe gestellt… aber Disney bleibt da der Vorlage weitestgehend treu. Das ist echt mal eine Figurenkonstellation, wie man sie so auch noch nicht hatte.

Erzählerisch hätte ich mir zwar noch ein paar mehr Abenteuer-Etappen an sich gewünscht, um das Ganze ein bisschen aufregender zu machen, aber insgesamt bleibe ich dabei: „Der Schatzplanet“ ist ein cooler Abenteuer-Film von Disney, der leider zu weit unter dem Radar fliegt – und durchaus mehr Liebe verdient hat.

Wertung: 7 von 10 Punkten (Disney war früher auch mal kreativer als heute)

Auf nach Mordor!

10. Mai 2024

Es ist unglaublich, dass es diesen Blog von mir jetzt schon seit 15 Jahren gibt und ich noch nicht einmal in dieser Zeit über „DER HERR DER RINGE“ von Peter Jackson gesprochen habe. Was aber auch zeigt, dass ich in diesen 15 Jahren nicht einmal dazu gekommen bin, mir die Fantasy-Trilogie nach J.R.R. Tolkiens Büchern anzuschauen – und das, obwohl ich es immer wieder mal vorhatte. Denn: Und nun kommt das zweite Unglaubliche: In all dieser Zeit habe ich noch NIE den EXTENDED CUT gesehen. Ich war damals im Kino, als die Filme rauskamen, hatte direkt danach auch alles auf DVD, aber hatte nie Bock, mir dann noch einmal alles zu kaufen, nur weil es jetzt vielleicht 30 Minuten länger ist. Und dazu: Ich habe die Filme damals schon geliebt, war nur einfach geizig. Jetzt hatte ich dann aber mal unglaubliches Glück: Das Cineplex bei mir hier in Berlin Steglitz zeigte ALLE drei Filme im Extended Cut und in OV im Kino.

Erstaunlicherweise war an dem Tag das Kino nicht einmal komplett voll, ich hatte echt damit gerechnet, dass der Saal bis auf den letzten Platz gefüllt sein würde, aber gut – 12 Stunden im Kino hocken ist auch nicht unbedingt für jeden was. Aber ich muss sagen, ich habe jede Sekunde genossen, einfach weil Peter Jackson mit seiner Herr-der-Ringe-Trilogie das perfekte Fantasy-Erlebnis abgeliefert hat.

Tolkiens epische Story vom Einen Ring hat mich schon mit 12 oder 13 einfach begeistert. Über Tolkiens Detailverliebtheit müssen wir, glaube ich, ja nicht mehr sprechen. Von der eigens entwickelten Sprache bis hin zu dieser unglaublich großen Welt von Mittelerde – es wird schon ziemlich klar, warum „Der Herr der Ringe“ so ein Standard-Werk der Fantasy-Literatur ist. Die Geschichte hat ja auch einfach alles – und vor allem so epische Ausmaße, dass sich danach jede neue Fantasy-Story damit messen musste.

Daher ist es dann auch klar, wie schwer es ist, das Ganze zu verfilmen. Ralph Bakshi hatte es 1978 versucht – mit einem Mix aus Zeichentrick und Rotoskopie, was nicht schlecht aussah und auch ein guter Film ist, der leider nie fortgeführt wurde. Es war dann wirklich Peter Jackson, der damals Anfang 2000 auch eines der größten Hollywood-Risiken schlechthin einging. Immerhin drehte er alle drei Filme am Stück – und das mit einem Vorschuss-Budget von ca. 300 Millionen Dollar. Ohne das vorher klar war, wie erfolgreich die Filme werden würden, ist das schon beachtlich, dass Jackson diese Form von Finanzierung bekommen hat. Das hat ja nicht einmal Denis Villeneuve für „Dune“ geschafft. Da muss erst Teil 1 erfolgreich genug sein, damit ein zweiter Teil bestätigt wurde. Eigentlich hätte man es bei „Der Herr der Ringe“ auch so machen müssen, aber irgendwie schaffte Jackson es, seine Idee so durchzusetzen und alles am Stück drehen zu können. Und das auch noch, obwohl Jackson davor nicht gerade für Großprojekte bekannt gewesen ist – das war ein Typ, der vorher Filme wie „Braindead“ oder „The Frighteners“ gedreht hatte. Der bekommt auf einmal 300 Mio. Dollar… nahezu ein Ding der Unmöglichkeit.

Was daraus entstanden ist, kennen wir vermutlich alle: „Der Herr der Ringe“ ist ein Fest für alle Sinne (na gut, vielleicht nicht für alle, schmecken kann man den nicht so gut und wie das Ganze riecht, wissen wir auch nicht – aber ihr versteht schon, was ich meine): Das fängt schon mit der Intro-Sequenz an, in der Galadriel (Cate Blanchett) uns erstmal von den Ringen der Macht und dem Kampf der Menschen und Elben gegen Sauron erklärt. In diesen ersten 15 Minuten allein baut sich so viel Epik auf, dass der Rest nur gut werden kann. In Verbindung mit der Musik von Howard Shore ist dieser Anfang schon fantastisch… und dann geht’s ja erst richtig los.

Gedreht in Neuseeland sehen dann die Aufnahmen vom Shire, von den Hobbit-Häusern, von Rivendell und was nicht noch alles einfach so verdammt episch aus. Es ist der Mix aus Real-Bauten und CGI, den Jackson hier so perfekt in Einklang bringt, dass man selbst jetzt nie das Gefühl hat, dass hier etwas nicht mehr ganz so gut aussieht – und die Filme sind jetzt auch schon über 20 Jahre alt. Aber sie sind, wie es sich für „Der Herr der Ringe“ gehört, zeitlos geblieben. Weil sie mit einer Perfektion gedreht wurden, durch die Peter Jackson den Fantasy-Standard für Filme auch auf ein unerreichbares Level gehoben hat – so unerreichbar, dass er selbst nicht aufholen konnte (und ich bleibe dabei: Die „Hobbit“-Trilogie hätte nie eine Trilogie sein dürfen).

Das Casting ist absolut perfekt. Ian McKellen als Gandalf, Christopher Lee als Saruman, Cate Blanchett als Galadriel, Viggo Mortensen als Aragorn und und und… es gibt niemanden auf der Liste für diesen Film, der nicht wie Arsch auf Eimer in diese Rolle passt und sie auch perfekt ausfüllt. Jeder in diesem Film lebt diese Rollen voll aus – und sicher spielt da auch das Natürliche dieser Drehs eine wichtige Rolle. Das spielt halt nicht einfach nur alles in einem Studio, nein, die wandern wirklich durch Neuseeland und sind fast schon wie LARPer, die in Kostümen das Abenteuer von Frodo und Co. nachspielen. Da sind zum Glück auch keine Egos dabei, die es Peter Jackson vielleicht schwer gemacht hätten – waren doch die meisten Darsteller vor den Dreharbeiten noch nicht soooo bekannt (weswegen die auch ohne Probleme für ein Jahr Dreharbeiten zur Verfügung stehen konnten).

Diese Gruppe von Menschen dann noch verpackt in die perfekten Kostüme, mit all den Schwertern und Kleinigkeiten, die diese Welt mit Leben füllen – und wir haben hier nun wirklich drei Filme, die eine Einheit bilden. Es ist unglaublich, dass Peter Jackson es wirklich geschafft hat, aber was wir nun hier haben, sind drei Filme von einer Bildgewalt, die grandios ist. Nehmen wir mal allein nur die Schlacht um Helms Klamm… eine bessere, moderne Filmschlacht habe ich seitdem eigentlich nicht mehr gesehen. Wie Jackson hier alles unter Kontrolle hält und uns immer wieder mitten ins Getümmel schmeißt, sich wieder rausnimmt, um an anderer Stelle wieder zu zuschlagen, ist unglaublich intensiv.

„Der Herr der Ringe“ ist Fantasy pur… und Peter Jackson hat damit wirklich den Gold-Standard dafür geschaffen, wie Fantasy im Kino auszusehen hat.

Wertung: 10 von 10 Punkten (die gesamte Trilogie ist einfach nur perfekt!)

Kein Colt für alle Fälle

8. Mai 2024

Kennt jemand noch „Ein Colt für alle Fälle“? Ich hab’s früher als kleiner Junge hier und da mal geguckt, aber das Einzige, woran ich mich erinnern kann, ist die Tatsache, dass Lee Majors immer mit einem coolen, fetten Pick-Up-Truck durch die Gegend gefahren ist und den damals vielleicht coolsten Namen der Welt hatte: Colt Seavers! Ansonsten weiß ich nichts mehr von der Serie. Deswegen hat es bei mir echt lange gedauert, bis ich gecheckt habe, dass der neue Film von „Bullet Train“-Regisseur David Leitch „THE FALL GUY“ lose auf der alten Serie basiert. Sehr lose: Es gibt den Namen, es gibt den Pick-Up-Truck, der Rest ist… naja, reden wir jetzt mal drüber.

Colt Seavers (Ryan Gosling) ist Stuntman für den größten Action-Star Hollywoods Tom Ryder (Aaron Taylor Johnson). Bei Dreharbeiten verletzt sich Seavers so schwer, dass er ein ganzes Jahr ausfällt. In dieser Zeit zieht er sich komplett zurück, auch vor seiner Freundin, der Kamera-Frau Jodie (Emily Blunt). Als die endlich ihre Chance bekommt, ihren eigenen Film zu drehen, wird Seavers wieder engagiert – von Jodies Produzentin Gail (Hannah Waddingham). Nur leider weiß Jodie nichts davon. Während es zwischen ihr und Colt immer wieder zu Streitigkeiten kommt, verschwindet auf einmal der Star des Films… und Gail bittet Colt, ihn zu finden. Leider ist die Suche nach Ryder alles andere als einfach – und beschert Colt nur noch mehr Probleme mit noch übleren Leuten.

Ich wollte „The Fall Guy“ wirklich mögen. Das Problem ist nur, der Film weiß nicht so wirklich, was er sein möchte. Auf der einen Seite will David Leitch gerne ein bisschen Meta sein, verweist sehr viel auf die Filme, die er selbst vorher gemacht hat (da wird dann auch mal auf „Atomic Blonde“ oder „Hobbs and Shaw“ angespielt – oder auch, was ziemlich absurd wirkt, auf „Dune“). Auf der anderen Seite möchte das Ganze auch eine RomCom sein – aber mit Krimi-Ableger und dann gibt’s noch die dritte Seite, auf der „The Fall Guy“ ein Liebesbrief an Stuntleute sein soll – die unbesungenen Helden des Films, die es schon gibt, seit Filme existieren und immer wieder ihren Hals riskieren, um uns Zuschauern die verrücktesten Sachen zu liefern. Gehen wir das mal alles Stück für Stück durch:

Der Meta-Film ist am ehesten zu vernachlässigen. Das macht Leitch eher beiläufig, aber manchmal sehr penetrant, weswegen es dann doch auffällt. Aber gut, ich hätte dieses Selbstbeweihräuchern verschmerzen können, wenn es a) witziger eingesetzt worden wäre und b) wenn der Rest des Films besser gewesen wäre.

Womit wir mal zur RomCom-Krimi-Geschichte kommen: Den Krimi-Teil hätte man sich komplett sparen können. Diese Suche nach Ryder und was da dann alles so ans Tageslicht kommt, ist so unspektakulär, so uninteressant, so langweilig und uninspiriert, dass es schon echt lachhaft ist. Da wollte man halt dieses Kopfgeldjäger-Aspekt aus der alten Serie aufgreifen, aber hat sich keine Mühe gegeben, was wirklich Spannendes aufzubauen. Da rennt Gosling dann halt ein bisschen durch die Gegend, sucht ein bisschen Zeugs, trifft und verprügelt (und wird verprügelt) – das war’s. Da hätte ich es echt bevorzugt, wenn sich Leitch auf den RomCom-Aspekt konzentriert hätte (was man auch gut mit Action hätte verbinden können): Weil eins muss man „The Fall Guy“ lassen, das Casting ist schon gut – Emily Blunt sehe ich immer gerne und zusammen mit Gosling hätte man hier auch was Gutes machen können. Blöd ist nur, dass sich Leitch mehr auf Gosling konzentriert – Blunt hat ein paar nette Momente, aber auch nichts, was ihren Charakter jetzt wirklich erstrahlen lässt.

Dabei bietet die Story gute Möglichkeiten: Wenn man einfach nur am Set geblieben wäre, dann hätte man Aaron Taylor Johnson als den arschigen Superstar nehmen können (der übrigens kaum wichtig für diesen Film ist) und einfach ne gute Screwball-Komödie mit Gosling und Blunt gedreht – in der es dann auch ums Filmdrehen an sich geht. Das hätte ich lieber gesehen, weil es Blunt auch mehr Raum gegeben hätte.

Was mich zum Action-Teil bringt: David Leitch war selbst Stuntman, feiert Stunts ja in jedem seiner Filme und kann das auch gut. Das hätte man alles schön mit dem eigentlichen Film im Film verbinden können. Aber das zieht hier auch nur bedingt. Ja, sie brechen sogar den Rekord für die meisten „cannon rolls“, die ein sich überschlagendes Auto macht – Wahnsinn! Ansonsten ist „The Fall Guy“ nicht besonders aufregend. Einige Action-Sequenzen sehen sogar richtig „fake“ aus – obwohl man dann später im Abspann das Behind-the-Scenes-Material sieht und weiß, dass die alles echt gemacht haben. An einer Stelle wird „Face/Off“-mäßig was mit Booten gemacht, was aber auch sehr billig aussieht. Da hat Leitch besseres in „Atomic Blonde“ oder eben „Bullet Train“ abgeliefert. Es sind auch ein paar coole Sachen dabei, so ist es nicht… aber es ist alles so lieblos aneinandergereiht. Als reine „Wir drehen einen Action-Film und darin geht es um ein sich streitendes Paar“-Komödie hätte ich „The Fall Guy“ wesentlich besser gefunden.

Und wer auf die Idee kam, in so ziemlich jeder Szene Kiss mit „I was made for loving you“ zu spielen… es hat irgendwann nur noch genervt.

Wertung: 4 von 10 Punkten (gute Darsteller, die nicht so richtig zur Geltung kommen; nette Idee, die nicht ausgebaut wird; gute Stunts, die aber auch mehr zum Selbstzweck werden)

Vom Streben und Sterben

6. Mai 2024

2024 ist schon ein wildes Kinojahr… und wir sind gerade mal erst im Mai. Aber ich habe jetzt schon so viele fantastische Filme gesehen, dass ich ohne Probleme eine Top 10 aufstellen könnte. Viel krasser finde ich dabei aber die Tatsache, dass sich unter diesen Filmen schon sehr viele befinden, die ich mit voller Punktzahl bewertet habe. Das fing mit „The Holdovers“ an, wurde dann durch „The Zone of Interest“ erweitert, bevor mit „Dune: Part 2“ ein von vornherein schon klarer Favorit kam. Mit „Die Unschuld“ und „Challengers“ hatte ich dann zwei echte Überraschungen, von denen ich nicht geglaubt hatte, dass sie mich so mitreißen würden. Damit hätten wir in den ersten fünf Monaten des Jahres schon fünf Filme, die die 10 von 10 Punkte bekommen haben. Tja… und wie man sich vielleicht nach dieser Einleitung denken kann, kommt jetzt der sechste Film dazu – der etwas ganz Besonderes ist, denn es handelt sich um den deutschen Film „STERBEN“ von Matthias Glasner.

Die Lunies Familie ist kompliziert, um es mal vorsichtig auszudrücken. Mutter Lissy (Corinna Harfouch) leidet an Krebs, kann nur schwer gehen und ihre Beziehung zu Sohn Tom (Lars Eidinger) ist nicht gerade die Beste. Deswegen bleibt der auch meist weg von zuhause. Doch da wird er eigentlich gebraucht: Sein Vater Gerd (Hans-Uwe Bauer) leidet an Parkinson und Demenz. Aber Tom hat in Berlin auch ganz eigenen Sorgen: Sein Ex Liv (Anna Bederke) hat gerade ein Kind von einem anderen Mann bekommen, aber irgendwie sind sie und Tom immer noch ein Ding („es ist kompliziert“ beschreibt es noch nicht einmal). Dann versucht er mit seinem besten Freund, dem Komponisten Bernard (Robert Gwisdek) das Stück „Sterben“ zu proben, wobei Bernard immer wieder von Selbstzweifeln geplagt ist… und schließlich gibt es da noch Ellen (Lilith Stangenberg), die Schwester von Tom, die eine Affäre mit ihrem Chef, dem Zahnarzt Sebastian (Ronald Zehrfeld) eingeht, und dabei mehr und mehr dem Alkohol verfällt.

Eine Sache gleich vorweg, die für einige vielleicht wichtig sein könnte: „Sterben“ hat ein paar sehr unangenehme Zahnarzt-Sequenzen, die beim Zugucken wirklich sehr wehtun.

Davon aber mal abgesehen, ist „Sterben“ ein unglaublich intensives Drama voller toxischer Menschen, die sich selbst und den Menschen um ihnen herum nicht guttun. Matthias Glasner, Regisseur und Autor des Films, schafft es aber irgendwie, nie eine komplett verurteilende Rolle einzunehmen: Es gibt zum Beispiel eine Szene zwischen Mutter Lissy und Sohn Tom, in der aufgeschlüsselt wird, warum deren Beziehung so schwierig ist… und diese Szene ist so brutal ehrlich, dass sie wehtut. Aber es tun einem beide Seiten weh. Ähnlich ist es dann später auch zwischen Ellen und Sebastian – Glasner hat ein Gespür dafür, die dunklen Seiten in all diesen Figuren hervorzubringen, ohne sie plakativ zur Schau zu stellen.

Aufgeteilt in unterschiedliche Kapitel führt er uns durch diese Figuren und baut dabei auch eine interessante Dynamik auf: Denn es gibt schon etwa zur Hälfte der drei Stunden Laufzeit einen Höhepunkt, wo man denken könnte: „Oh, jetzt ist der Film vorbei – und es war perfekt!“ Zu diesem Zeitpunkt kennen wir aber nur Toms und Lissys Geschichte. Dann kommt erstmal Ellen dazu – und kurzzeitig fühlt sich „Sterben“ wie ein komplett neuer Film an, der scheinbar auch erstmal seine Anfänge vergisst (zumindest, was die Figuren angeht). Das mag irritieren, aber erzählerisch bleibt Glasner auch hier auf der Höhe und verknüpft das Ganze dann sehr gekonnt und auch wieder sehr erschütternd mit den vorangegangenen Ereignissen.

Erzählerisch ist „Sterben“ unglaublich stark, perfekt wird das Familien-Drama dann durch die Riege grandios aufspielender Schauspieler. Ob nun Lars Eidinger oder Corinna Harfouch oder Lilith Stangenberg oder selbst die kleinste Nebenrolle – es sind diese Menschen, die den Figuren eine zusätzliche Wucht verleihen. Allein das Gespräch zwischen Harfouch und Eidinger – einer der intensivsten Momente im Film – zeigt, wie gut die sind. Und der ganze Film besteht nur aus solchen Momenten.

Ich war wirklich komplett gebannt und auch erstaunt, dass der Film bei der Länge nicht zu lang wirkt. Noch erstaunter war und bin ich, dass gerade ich, der Nörgler, der sich immer wieder beschwert, wie doof deutscher Film doch häufig ist, mal wieder einen Film gefunden hat, der ihn vom Gegenteil überzeugen konnte. „Sterben“ ist klug geschrieben, grandios geschauspielert, mit einer musikalischen Untermalung, die unter die Haut geht und einfach ein Film, der sehr nahegeht, der wehtut, aber dabei einfach unglaublich gut ist.

Wertung: 10 von 10 Punkten (ehrlich und brutal)

Random Sunday #137: My Favorite Thing is Monsters Vol. 1

5. Mai 2024

2017 erschien Emil Ferris‘ Graphic Novel „MY FAVORITE THING IS MONSTERS“… und seitdem schlich ich immer wieder um diesen großen Schinken herum. Das Werk wurde gefeiert und begeistert von der Kritik aufgenommen, als Meisterwerk bezeichnet… und jedes Mal schlich ich trotzdem im Buch- oder Comicladen meines Vertrauens drumherum. Ich schlug es hier und da mal auf und war direkt überfordert, mit der Bildgewalt, der Menge und der Text-Dichte, so dass ich mich nie so richtig dazu bringen konnte, mir das Buch auch zu kaufen. Ich kann nicht einmal so richtig sagen, was mich so lange davon abhielt, Ferris‘ Comic zu kaufen. Vielleicht war es gerade die Tatsache, dass es beim oberflächlichen Durchblättern im Laden so unübersichtlich, so „nicht-comichaft“ wirkt. Man hat ja schließlich schon bestimmte Vorstellungen. Jetzt habe ich das Buch zu Weihnachten geschenkt bekommen und endlich mal gelesen… und kann euch nur sagen: Wartet nicht so lange wie ich! Hier haben wir wirklich ein visuelles Meisterwerk, dem ich mit meinen Worten mit nichts gerecht werden kann.

„My Favorite Thing is Monsters“ erzählt die Geschichte von Karen Reyes, 10 Jahre alt und ein Werwolf-Mädchen (zumindest sieht sich Karen so, weil sie eine ziemliche Außenseiterin und Monsterliebhaberin ist). Karen lebt in den 60er Jahren in Chicago, mit ihrer Mama und ihrem älteren Bruder Deeze, der ihre Leidenschaft fürs Zeichnen geprägt hat. Ihr Leben dokumentiert Karen in einem Ring-Notizbuch und erzählt uns von ihrer Freundin Missy, die sie im Stich gelassen hat, um zu den coolen Kids zu gehören. Sie berichtet von ihrer Mutter, ihrem Bruder und seinen etwas merkwürdigen Machenschaften im Viertel… und Karen geht auf Jüdin Anka Silverberg ein, eine Nachbarin, die eines Tages tot aufgefunden wird. Was die Polizei als Selbstmord abtut, kann Karen nicht einfach so hinnehmen und beginnt, ihre eigenen Nachforschungen anzustellen.

Allein schon erzählerisch steckt so unglaublich viel in diesem Buch: Wir haben eine klassische Coming-of-Age-Story, in der Karen ihren Alltag als Außenseiterin beschreibt, die sich viel lieber mit Monstern und Kunst befasst, als mit tatsächlichen Menschen. Dadurch verschwimmt in ihren Notizen gerne auch mal Realität und Fiktion, sie driftet ab in ihren Erzählungen, fügt dann kleine Randnotizen mit dazu und berichtet so in Rückblenden und kunsthistorischen Mini-Vorträgen von ihrem Leben und ihren Einflüssen. Gleichzeitig ist „My Favorite Thing is Monsters“ auch ein Zeitdokument, in dem Emil Ferris (zumindest lauf Wikipedia) viel Autobiografisches verarbeitet. Karens Leben ist geprägt von dem Attentat auf Martin Luther King, vom Fremdenhass und der Tatsache, dass sie aus einem „Problembezirk“ kommt, wo hauptsächlich Immigranten leben. Das alles verwebt Emil Ferris gekonnt miteinander und erzählt es uns aus der Perspektive der jungen Karen.

Reicht aber immer noch, also gibt es noch die Geschichte von Anka Silverberg, mit dem das Leben einer Jüdin in Berlin in den 20er und 30er Jahren erzählt wird… mit all den Schrecken, die in dieser Zeit mehr und mehr zunahmen. Das ist dann der Teil, der ein bisschen Detektiv-Roman und Historien-Drama wird – mit einer Geschichte, die unter die Haut geht und einen so schnell nicht mehr loslässt.

Also allein schon erzählerisch ist „My Favorite Thing is Monsters“ wirklich ein Mammutprojekt. Doch was diese „graphic novel“ so einzigartig macht, ist der Zeichenstil, der sich jeglicher Regeln des Comics entzieht. Es sieht aus, als hätte Karen mit Kugelschreiber einfach alles in ihr Notizbuch gekritzelt. Und das sieht dann wirklich manchmal aus, als wären es nur schnelle Skizzen, dann sind es zwischendurch nahezu perfekte Kopien von Monster-Magazin-Covern oder Gemälden. Monstervariationen folgen wunderschönen Porträts ihrer Familie, werden abgelöst von surrealen Kompositionen und und und. Ich kann diese unterschiedlichen Stile, die hier auftauchen, gar nicht alle mit Worten beschreiben, aber jede Seite ist eine neue Entdeckung. Auf jeder Seite sind so viele kleine, feine Details, die erklären, warum (laut Wikipedia) Emil Ferris pro Seite etwa zwei Tage brauchte. Das klingt viel, aber werft einen Blick in dieses Buch, auf diese Bilder und ihr werdet verstehen, warum so viel Zeit nötig war.

„My Favorite Thing is Monsters“ ist ein perfektes Sammelsurium an Zeichenstilen, an unvorhersehbaren Sprüngen und Arten, diese komplexe Geschichte zu erzählen. Man muss anfangs schon etwas Geduld mitbringen, um sich daran zu gewöhnen, wenn man aber einmal drin ist, ist die Welt von Karen Reyes unglaublich faszinierend und lässt einen nicht mehr los.

Band 2 ist für dieses Jahr geplant… und da werde ich dann nicht so lange warten. Im Gegenteil, es ist schon vorbestellt.

Hanumans Rache

3. Mai 2024

Als es hieß, Schauspieler Dev Patel würde gemeinsam mit Jordan Peele als Produzenten sein Regie-Debüt in die Kinos bringen, war ich sehr angetan von der Idee. Peele ist einfach ein fantastischer Regisseur und Autor, der sicherlich ein gutes Verständnis dafür hat, wenn ihm jemand etwas Gutes auf den Tisch legt. Dev Patel ist seit seinem Durchbruch mit „Slumdog Millionaire“ auch immer wieder auf meiner Liste von Schauspielern, bei denen ich schonmal hellhörig werde, wenn ein neues Projekt rauskommt. Jetzt versucht sich Patel also als Regisseur und mich muss sagen: „MONKEY MAN“ ist echt gut geworden.

Er (Dev Patel) stellt sich bei seiner Arbeitgeberin Queenie Kapoor (Ashwini Kalsekar) als Bobby vor. Während er bei ihr Teller wäscht oder die Reichen und Kriminellen der Stadt mit allem versorgt, was sie so brauchen, kennt ihn Tiger (Sharlto Copley), der Untergrundkämpfe veranstaltet, nur als Monkey Man – inspiriert von der Geschichte des Hindugotts Hanuman, der immer wieder in Affengestalt gezeigt wird. Das wiederum hat er von seiner Mutter, die ihm als Kind die Geschichte des Gottes immer und immer wieder erzählte – die dann aber verstarb, als ihr Haus von den Schergen des Polizeichefs Rana Singh (Sikandar Kher) niedergebrannt wurde, der das Gelände für Guru Baba Shakti (Makarand Deshpande) einnehmen wollte.

Was wir mit „Monkey Man“ also haben, ist eine klassische Rache-Story. Es ist fast schon niedlich, wie sehr Dev Patel das zu Beginn des Films „vertuschen“ möchte uns dann aber doch immer wieder Schnipsel von Rückblenden zeigt, die eigentlich schon alles sagen. Trotzdem gibt es irgendwann im Verlauf des Films dann doch noch die ausführliche Version davon, weswegen ich schon sagen muss: Hier kann man über den Film auch meckern. Da wird mehr erzählt, als erzählt werden muss – die Story des Monkey Man ist aber vorher schon eindeutig und klar – und auch gut so. Erst mit dem kompletten Auserzählen zieht der Film einen so ein bisschen aus der Handlung. Was vorher schon klar ist, muss nicht noch vertieft werden.

Das ist Meckern auf hohem Niveau und damit höre ich dann auch schon auf, denn der Rest von „Monkey Man“ hat mich wirklich sehr in seinen Bann gezogen. Zum einen ist es einfach das Setting, irgendeine gigantische indische Stadt, in der Patel uns in die Slums führt, uns das Elend der Armen zeigt und dann die ausufernden Parties der Reichen präsentiert. Interessant wird das Ganze aber, wenn Monkey Man zwischendurch von den Hirja aufgenommen wird, Transmenschen, die extrem verfolgt werden. Man merkt dem Film an, dass es nicht nur Rache-Film sein, sondern auch ein bisschen das Leben in Indien widerspiegeln soll. Natürlich ist das alles recht oberflächlich und folgt den bekannten Klischees, aber es verfehlt dennoch seine Wirkung nicht. Der Fokus liegt zwar trotzdem auf unserem Hanuman-Möchtegern, aber die anderen Lebensstile in dieser Stadt beleben das Szenario trotzdem sehr. Klar ist es auch dieser exotische Touch, aber man hat nie das Gefühl, dass das einfach nur Mittel zum Zweck ist. Vielleicht ist es das, ich habe es aber nie so gesehen.

Dazu kommt dann irgendwann natürlich auch der Rache-Aspekt… und hier wird „Monkey Man“ dann zu einem Mix aus „Fight Club“ und „John Wick“. Die Action-Arbeit, die in diesem Film steckt, ist dann das, was mich wirklich erwischt hat. „Monkey Man“ ist brutal und erbarmungslos… Dev Patel hat ordentlich trainiert, seine Stars und sein Stunt-Team liefern dazu richtig ab – und so bekommen wir Action-Sequenzen, die weh tun und die sehr real wirken. Wenn sich Monkey Man hier nach und nach durch seine Kontrahenten prügelt, macht das schon echt Spaß zu schauen. Man darf das Ganze trotzdem nicht unbedingt als „indischen John Wick“ bezeichnen, dafür möchte Dev Patel halt trotzdem immer noch diese politischen Untertöne haben – was ihm gelingt, auch wenn man natürlich sagen muss, „Monkey Man“ legt trotzdem den Fokus auf die Rachestory. Aber es steckt halt einfach ein bisschen mehr dahinter.

Wertung: 8 von 10 Punkten (fieser, kleiner Film, der einen echt mitreißt)

Die Rick Grimes und Michonne Show

1. Mai 2024

Ach, The Walking Dead! Ich verfolge dich schon seit der ersten Staffel. Klar, zwischendurch hatten wir uns mal getrennt, aber da bin ich dir dann auch mit der Comic-Vorlage fremdgegangen und du konntest mir gerade in Staffel 3 nicht das geben, was ich durch die Comics von Robert Kirkman so lieben und schätzen gelernt hatte. Trotzdem fanden wir irgendwann doch wieder zusammen und ab Staffel 4 bin ich dann mit dir durch dick und dünn gegangen. Ich habe selbst die achte Staffel mit dir durchlitten, weil wir ja schon so lange gemeinsam diesen Weg durch die Zombie-Apokalypse gegangen sind. Wie könnte ich dich da im Stich lassen? Und du hast meine Loyalität am Ende auch belohnt. Mit Angela Kang als neuem Showrunner wurde es in Staffel 9 auf einmal alles anders. Es fühlte sich so frisch an, so neu und doch so vertraut. Das war toll. Nur gleichzeitig gab es dann auch erste Abnutzungserscheinungen. Der Tod von Carl war unnötig, der hat wehgetan. Als Rick Grimes die Serie verließ, war das ein schwerer Schlag – es fühlte sich aber zum Glück nicht wie bei „Akte X“ an, als Mulder ging. Du, The Walking Dead, hattest ja noch genug andere Figuren, mit denen das alles weitergehen konnte. Staffel 10 und seine Whisperers war stark, aber dann kam die Enttäuschung: Staffel 11. Erst 8 Folgen komische Reaper, die mich nicht interessierten, dann das Commonwealth und irgendwie zum Finale hin die Hoffnung, dass du mir Rick und Michonne zurückgeben würdest… leider kamen die am Ende nur ganz kurz vor, weil du ja noch was im Petto hattest. Dieses Petto habe ich jetzt gesehen: „THE ONES WHO LIVE“… und muss sagen: Sorry, The Walking Dead, das war nichts!

In Staffel 9 wird Rick Grimes (Andrew Lincoln) nach der Explosion an der Brücke von Jadis (Polyanna McIntosh) per Hubschrauber an einen unbekannten Ort gebracht. Alle, inklusive seiner geliebten Michonne (Danai Gurira), glaubten, er wäre tot. In Staffel 10 findet Michonne dann einen Hinweis darauf, dass Rick noch lebt und geht ihn suchen. In „The Ones Who Live“ erfahren wir nun, was Rick beim mysteriösen CRM in den letzten Jahren widerfahren ist und wie er gemeinsam mit Michonne versucht, dieser Gruppe zu entkommen.

Nach dem Ausstieg von Andrew Lincoln hieß es erst, wir würden eine Kino-Trilogie bekommen. Die ließ aber lange auf sich warten. Irgendwann entschied man sich, dass Finale von „The Walking Dead“ durch zahlreiche Spinoff-Serien zu strecken – daher kommt „Dead City“ mit Negan und Maggie; dadurch bekamen wir auch „Daryl Dixon“ und dann auch die Ankündigung, die Geschichte von Rick und Michonne würde ebenfalls in Form einer Serie erzählt werden. Auftritt „The Ones Who Live“ mit sechs Episoden.

Die erste Folge der Serie ist grandios. Die wird komplett aus der Sicht von Rick erzählt und wir sehen seine Jahre beim CRM. Da ist Action, da ist Spannung… und natürlich auch ein Stück Nostalgie. Immerhin ist es endlich wieder Andrew Lincoln als Rick Grimes. Für jeden TWD-Fan ein Ereignis. Folge 2 zeigt uns Michonnes Weg zu Rick, was auch noch cool war… aber danach versinkt die Serie. Zwei Folgen sind dann eigentlich nur Füller-Episoden. Gut gespielte Füller-Episoden, aber trotzdem solche, die die Handlung nicht weiter vorantreiben. Es sind gute Charakter-Episoden, in denen Lincoln und Gurira auch noch einmal ihre unglaublich gute Chemie miteinander unter Beweis stellen können.

Das ist alles gut und schön, aber es wird uns ja schon seit einiger Zeit das große Geheimnis des CRMs vorgehalten. Deren Hubschrauber tauchten in der Mutterserie auf, deren Soldaten waren in „Fear the Walking Dead“ von Bedeutung, die bekamen mit „World Beyond“ sogar ein eigenes Spinoff. Aber wirklich viel wussten wir nicht über die. Jetzt haben wir mit „The Ones Who Live“ eine Serie, die direkt im CRM spielt – und selbst da erfahren wir nicht viel mehr drüber. Es werden Schlagworte wie „Echelon Briefing“ in den Raum geworfen und wir sehen, wie sehr diese Gemeinde ihr Geheimnis wahren will. Aber am Ende ist dieses CRM wie die White Walker in „Game of Thrones“: groß und mysteriös aufgebaut, nur um am Ende wie ein benutztes Taschentuch schnell weggeworfen zu werden. Und das ist im Fall vom CRM noch so viel schlimmer. Was die uns hier in diesen sechs Episoden antun, ist schon eine Frechheit. Dann lieber einfach gar kein CRM, als das. Fand ich absolut unter aller Sau 😀

Bei all dem, was uns diese sechs Episoden zu bieten haben, hätte man das auch einfach als Nebenstory in Staffel 11 einbauen können. Hätte man auf diesen unnötigen Reaper-Arc verzichtet, hätten Rick und Michonne sogar mehr Platz gehabt und vielleicht hätte man auch dem CRM etwas mehr Platz geben können. So geht dann leider auch ein Terry O’Quinn als General komplett unter und darf nur ein paar schlechte Floskeln in den Raum werfen.

Nachdem ich mich so sehr auf die Rückkehr von Rick und Michonne gefreut hatte, muss ich wirklich sagen, war „The Ones Who Live“ eine herbe Enttäuschung. Die Beiden sind cool, aber sie hätten etwas Besseres verdient – und ganze ehrlich, wir als geduldige Fans hätten auch etwas sehr viel Besseres verdient.

Wertung: 4 von 10 Punkten (leider nicht, was ich mir erhofft hatte)

Toxisches Tennis

29. April 2024

Luca Guadagnino und ich sind anfangs nicht wirklich miteinander warm geworden. Ich mochte „Call me by your name“ für seine Atmosphäre und das Verlangen, danach in Italien Urlaub zu machen, beim Rest war ich dann aber ein bisschen außen vor. Noch schlimmer war es für mich bei „Suspiria“: Das Original liebe ich, mit Guadagninos Remake konnte ich so gar nichts anfangen. Erst mit „Bones and All“ wurde ich dann doch warm mit ihm, den Film mochte ich wegen der Figuren und weil ich mich trotz des gruseligen Themas fallen lassen konnte. Und jetzt kommt Guadagnino und will Tennis mit mir spielen. Was schon mal eine Hürde ist, weil mit Tennis habe ich eigentlich nichts am Hut. Aber ich muss gleich dazu sagen: In „CHALLENGERS“ geht es weniger um Tennis, als um die Menschen, die sich zufällig wegen des Sports treffen… und das haut einen dann vollkommen aus den Socken.

Ein Tennisturnier in einem Vorort von New York: Hier versucht der einstige Tennis-Star Art Donaldson (Mike Faist) seinen Weg fürs Comeback zu starten. Vor allem seine ehrgeizige Ehefrau und Trainerin Tashi (Zendaya) pusht Art zu diesem Turnier. Doch als Art ins Finale kommt, passiert das, womit keiner von Beiden gerechnet hat: Art muss gegen Patrick Zweig (Josh O’Connor) antreten. Der war einst der beste Freund und Tennispartner von Art und auch der Liebhaber von Tashi, bevor sie einen schweren Unfall hatte, der ihre Tenniskarriere beendete… doch als sich diese Drei das erste Mal auf dem Spielfeld sehen, wissen wir noch nichts von all dem.

Es ist mittlerweile ja auch schon ein etwas ausgelutschtes Klischee, in einem Film mit dem Ende anzufangen und sich dann mit Hilfe von Rückblenden zu den Gründen dieses Endes vorzuarbeiten. Aber was Luca Guadagnino hier in „Challengers“ macht, ist unglaublich gut. Wir fangen mit diesem Ende an, springen in der Zeit und kehren dann kurzzeitig wieder zu diesem Ende zurück – nur wissen wir jetzt mehr. Jede Rückblende gewährt uns einen besseren Einblick in das Leben der drei Menschen, die sich hier in New York treffen – und mit jeder Rückblende wird diese Beziehung intensiver und klarer.

Wir lernen die besten Freunde Art und Patrick kennen, wir erfahren von ihrer gemeinsamen Liebe zu Tashi und wie das letztendlich auch der Grund für den Bruch in der Freundschaft ist. Das Spannende an „Challengers“ ist dabei: Sie sind alle irgendwo Egoisten und schreckliche Menschen. Unsympathen: Anfangs ist man auf der Seite von Tashi, die immer wieder sagt, sie will nicht zwischen die beiden Freunde kommen. Später ist man auf der Seite von Patrick, weil Art sich versucht, zwischen ihn und seine Freundin zu quetschen und dann ist man wieder bei Art, weil der in einer toxischen Beziehung gefangen ist, in der es gar nicht mehr wirklich um Liebe, sondern um verlorene Träume geht. Wie der Film dabei zwischen diesen Perspektiven immer wieder hin und her springt, uns neue Seiten von diesen schon vermeintlich vertrauten Charakteren zeigt, um unser ganzes Gefühlsleben dann doch wieder auf den Kopf zu stellen, ist absolut unglaublich.

Ich war schon lange nicht mehr so gefesselt von einem Leinwandtrio wie von diesem. Autor Justin Kuritzkes liefert mit seinem ersten Drehbuch eine so unglaublich tiefgründige Studie über Menschen ab, in der er eine toxische Beziehung auf so unterschiedlichen Ebenen analysiert und dekonstruiert, dass das Tennis-Spielen an sich augenscheinlich zur Nebensache wird. Aber nur augenscheinlich… denn selbst der Sport ist ein wichtiger Faktor, der hier schon durch das Schwitzen und Stöhnen eine gewisse Sexualität mit sich trägt, die dadurch verstärkt wird, dass Tashi zu Beginn des Films sagt: „Tennis ist wie eine Beziehung, in der sich die Spieler verlieren – und im besten Fall die Zuschauer mit ihnen!“ Ich paraphrasiere, aber letztendlich ist das der Leitsatz für den Film (so wie „Entweder du stirbst als Held oder du lebst lange genug, um der Böse zu werden“ das Leitmotiv für Nolans „The Dark Knight“ gewesen ist).

Kuritzkes und Guadagnino halten sich penibel an diesen Vorsatz und bauen hier ein unglaublich intensives und immersives Drama auf, dass natürlich auch dank seiner grandiosen Darsteller diese Sogkraft entwickelt. Ich muss gestehen, ich habe bis zu „Challengers“ nie so ganz verstanden, warum alle Welt Zendaya hypt. Für mich war sie mehr Stilikone, die ich dann in den Spider-Man- und Dune-Filmen gesehen habe (ja, ich habe „Euphoria“ nicht gesehen). In „Challengers“ spielt sie – für mich zum ersten Mal – mit so einer Intensität, mit so einer Körperlichkeit, mit so einer Gewalt, dass ich verstehen kann, warum alle Welt sie so feiert. Aber auch Mike Faist und Josh O’Connor stehen ihr in Nichts nach – und machen aus „Challengers“ einen der besten Filme des Jahres. Der verdammt sexy ist, ohne das Guadagnino das Ganze auf explizite Sex-Szenen reduziert. Der Sex steckt im Sport… und wie dann das Finale schlussendlich alle Fäden zusammenführt und hier für den größten (filmischen) Orgasmus des Jahres sorgt, ist unglaublich. Da erleben wir dann wirklich das, was Tashi unter Tennis versteht… und es ist verdammt großartig.

Wertung: 10 von 10 Punkten (mittlerweile habe ich diesen Film schon zweimal gesehen und feiere ihn mit jedem Mal gucken mehr, weil man noch wieder neue Aspekte erkunden kann)

DFST 41: Experiment 626

27. April 2024

Wir bleiben bei Disney weiterhin in einer spannenden Experimentierphase. Nach Dinosaurieren, einem aztekischen Herrscher, der zum Lama wird und einer Reise nach Atlantis dachte man sich im Maushaus 2002: „Okay, lasst uns mal was mit Aliens machen!“ Dabei entstand dann „LILO & STITCH“… ein Film, den ich damals mit meiner Mama und meinem jüngeren Bruder im Kino gesehen habe: Mein Mutter hat die ganzen Elvis-Presley-Sachen abgefeiert und mein kleiner Bruder den chaotischen Stitch. Ich habe irgendwie alles abgefeiert – und jetzt noch mehr, weil dieser Film auf die üblichen Disney-Klischees gekonnt verzichtet und mehr in der Tradition seiner Vorgänger eine schöne und witzige Geschichte erzählt.

Die Vereinigte Galaktische Föderation ist gerade dabei Dr. Jumba Jookiba (David Ogden Stiers) für seine Experimente zu verurteilen, als sein gefährlichstes Experiment, Nr. 626, einfach mal abhaut und auf der Erde notlandet. Hier trifft die gefährliche Kampfmaschine auf die junge Lilo (Daveigh Chase), die das Wesen als Hund adoptiert und Stitch nennt. Leider ist ihr Haustier so gar nicht stubenrein… und macht ihrer Schwester Nani (Tia Carrere) das Leben unnötig zur Hölle. Die muss nämlich vor dem Jugendamt, hier vertreten durch Cobra Bubbles (Ving Rhames), beweisen, dass sie auf ihre kleine Schwester aufpassen kann. Aber ohne Job und mit einem Alien, das wiederum von anderen Aliens gejagt wird, ist das alles gar nicht so einfach.

Was wir nun bekommen, ist ein ähnlich wilder Ritt wie „Ein Königreich für ein Lama“: „Lilo & Stitch“ setzt sehr viel auf old school Slapstick. Es geht viel kaputt, es fliegen viele Sachen durch die Gegend. Gerade Dr. Jookiba und sein Aufpasser Agent Leakley sind ein bisschen wie Laurel und Hardy… während Lilo und Stitch einfach das Paradebeispiel dafür sind, wie schwer es sein kann, ein Haustier zu trainieren. Mit den Beiden stoßen zwei sehr eigenwillige Trotzköpfe aufeinander, die im jeweils anderen dann aber Halt finden, sind sie doch Beide Außenseiter. Ich mag nach wie vor, wie gut „Lilo & Stitch“ dieses Thema in beiden Figuren aufgreift und so auch zeigt, wie die Zwei mit ihren Verantwortungen wachsen und sich gegenseitig Halt geben.

Da ist zwar sehr viel Comedy und Spaß. Gerade wenn Lilo Stitch mit Hilfe des Kings zu einem besseren Erdling zu machen, ist das schon eine verdammt lustige Ansammlung von Szenen, die wie eine „Rocky“-Trainingsmontage daherkommt. Aber ich muss sagen, dass hier das Herz trotzdem nicht zu kurz kommt. Gerade die emotionale Bindung zwischen Lilo und Stitch ist echt herzerweichend, aber auch wie die beiden Schwestern wieder mehr zueinander finden, ist echt schön. Für alle Figuren findet der Film Platz und vor allem einen Wandel in ihrem Denken. Selbst die gruseligen Außerirdischen werden zu Sympathie-Trägern, auch wenn es schon komisch ist, dass dieser Dr. Jookiba so plötzlich zum Guten wird, obwohl er doch Stitch als Zerstörungsmaschine erschuf. Aus seiner Figur hätte man tatsächlich mehr machen können… dann hätte man auch nicht zwingend Kapitän Gantu gebraucht, der dann eigentlich die Rolle des Schurken im Film übernimmt. Das war mir ein bisschen zu viel, das war zu sehr ein Verfallen in alte Muster. Gerade weil das Jugendamt und Dr. Jookiba als „Bedrohung“ des Friedens eigentlich ausgereicht hätten. Das hätte dem Film nochmal mehr emotionalen Wumms gegeben… zumal es ja schon reicht, wenn Lilo und Stitch irgendwann getrennt werden.

Aber gut, das ist Meckern auf hohem Niveau. Der Film ist trotzdem einfach schön… und halt auch einfach mal anders. Keine Disney-Prinzessin im klassischen Sinne, sondern einfach zwei Schwestern, die hart arbeiten und für sich einstehen müssen.

„Lilo & Stitch“ ist ein herrlich wilder Ritt, der wahnsinnig viel Spaß macht und dabei auch echt schön aussieht. Lange vor den surfenden Pinguinen wird hier Hawaii und Wellenreiten im Animationsbereich schmackhaft gemacht.

Wertung: 8 von 10 Punkten (wunderbar verrückt und wild)

Mit Abigail allein im Haus

26. April 2024

Erinnert ihr euch noch an „M3gan“? Dieses Kinderhorrorfilm mit dem Robotor-Mädchen, das so langsam durchdreht? Ich nenne es Kinderhorrorfilm, weil es zum einen um Kinder in den Hauptrollen ging und zum anderen, weil der Film für „Kinder“ gemacht wurde: Der bekam ja in den USA ein PG-13-Rating, damit auch alle coolen Kids sich den angucken konnten. Dementsprechend war da nicht so sonderlich viel los mit Horror oder Gewalt (obwohl uns ja immer ein R-Rated-Cut versprochen wurde). Viral ging der Film trotzdem – natürlich dank Tiktok, wo Megans skurriler Tanz zum Trend wurde und dem Film viel zu viel Publicity schenkte (ihr merkt schon, ich bin verbittert, was den Film angeht 😀 ). Jetzt taucht im Kino ein neuer Horror-Film auf – mit einem kleinen Mädchen, das auch wieder tanzt – den ich aber sehr viel mehr mochte: „ABIGAIL“.

Joey (Melissa Barrera), Frank (Dan Stevens), Rickles (Will Catlett), Sammy (Kathryn Newton), Peter (Kevin Durand) und Dean (Angus Cloud) bekommen von ihrem Auftraggeber Lambert (Giancarlo Esposito) folgende Aufgabe: Sie sollen die zwölfjährige Tochter eines fiesen Mafia-Bosses entführen und für 24 Stunden in einem alten Herrenhaus gefangen halten. Lambert möchte eben jenen Boss um ein paar Millionen erpressen. Also wird die junge Abigail (Alisha Weir) entführt… alles läuft am Schnürrchen, bis es dann doch nicht mehr so ganz nach Plan verläuft – und auf einmal deutlich wird, dass irgendwas mit unseren Entführern im Haus ist, das sie nach und nach umbringt.

Ich versuche jetzt mal an dieser Stelle aufzuhören und nichts zu spoilern, obwohl im Trailer und auf dem Poster schon sehr deutlich wird, was hier eigentlich Sache ist. Aber für den Fall, dass jemand noch nicht so wirklich viel über den Film weiß, will ich versuchen, den Twist (der relativ früh auch schon aufgelöst wird) zu verheimlichen.

Als erstes sei wirklich gesagt: Auch wenn ich „Abigail“ creepy Tänze durchgeführt werden, die sicherlich auch viral gehen könnten, ist dieser Film schon einfach tausendmal besser als „M3gan“. Denn im Gegensatz zu dem Film darf „Abigail“ blutig und äußerst brutal werden. Das Problem ist nur, bis es soweit ist, zieht sich der Film etwas:

Erstmal müssen sich alle Figuren kennenlernen… und dann gibt es zu Beginn eine Szene, in der Joey all ihre Partner anhand weniger Hinweise psychologisch kommentiert. Das sollte zeigen, wie krass sie ist und sollte uns zeigen, mit was für Menschen wir es zu tun haben. Aber das war alles überhaupt nicht nötig, denn die Figuren sind durch die Schauspieler schon so gut von einander zu trennen, dass ich das nicht nochmal auserzählt gebraucht hätte: Dan Stevens spielt den Boss der Truppe, der nur ans Geld denkt. Will Catlett ist der düstere, geheimnisvolle Typ, der lieber im Hintergrund bleiben will. Angus Cloud ist einfach der Naive, der scheinbar die ganze Zeit auf irgendwas drauf ist. Kevin Durand ist der knuddelige Riese mit wenig Sinn für Tiefgründiges und Sammy ist der Kaugummi kauende, rebellische Teenager. Da brauche ich keine Melissa Barrera, die das alles noch mal vertieft, weil die Charakter-Zeichnung durch die Darsteller wirklich schon mehr als ausreicht.

Das haben Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett, die unter anderem die letzten „Scream“-Filme gemacht haben, in „Ready or not“ viel besser hinbekommen. Da fackeln die auch nicht lange und lassen Samara Weaving schnell durchs alte Herrenhaus jagen. „Abigail“ verschwendet zu viel Zeit mit Gelaber – und so toll die Schauspieler auch sind, fragt man sich dann schon: „Geht’s bald mal los?“

Zum Glück geht es dann auch bald so richtig los… und dann wird „Abigail“ zu einem richtig schön fiesen Horror-Film, der es dabei aber auch immer wieder schafft, lustig zu bleiben. Ja, ich habe viel gelacht – vor allem auch an den Stellen, wo man merkt, da soll man auch lachen. Es war kein verzweifeltes Lachen, „Abigail“ ist eine wirklich gute Horror-Komödie (wenn sie denn mal in Fahrt kommt).

Im Gegensatz zur tanzenden Roboter-Dame darf der Film über die kleine, entführte Ballerina dann aber so richtig freidrehen. Da fängt noch verhältnismäßig harmlos an (so nur mit Kopf ab und so), aber steigert sich dann mehr und mehr. Am Ende splattern sich unsere zwei Regisseure aber einfach nur wild durch ihren Cast, lassen die Körperteile fliegen und das Kunstblut durch die Gegend spritzen, dass am Ende alles in dunkelstem Rot tapeziert ist. Untermalt mit diesem herrlich amüsanten Unterton, den schon „Ready or not“ so gut gemacht hat, muss ich wirklich sagen: „Abigail“ macht Spaß… da verzeihe ich dem Film dann auch, dass er gut 20 Minuten braucht, um so richtig in Fahrt zu kommen.

Wertung: 7 von 10 Punkten (herrliches Blutbad)