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Toxisches Tennis

29. April 2024

Luca Guadagnino und ich sind anfangs nicht wirklich miteinander warm geworden. Ich mochte „Call me by your name“ für seine Atmosphäre und das Verlangen, danach in Italien Urlaub zu machen, beim Rest war ich dann aber ein bisschen außen vor. Noch schlimmer war es für mich bei „Suspiria“: Das Original liebe ich, mit Guadagninos Remake konnte ich so gar nichts anfangen. Erst mit „Bones and All“ wurde ich dann doch warm mit ihm, den Film mochte ich wegen der Figuren und weil ich mich trotz des gruseligen Themas fallen lassen konnte. Und jetzt kommt Guadagnino und will Tennis mit mir spielen. Was schon mal eine Hürde ist, weil mit Tennis habe ich eigentlich nichts am Hut. Aber ich muss gleich dazu sagen: In „CHALLENGERS“ geht es weniger um Tennis, als um die Menschen, die sich zufällig wegen des Sports treffen… und das haut einen dann vollkommen aus den Socken.

Ein Tennisturnier in einem Vorort von New York: Hier versucht der einstige Tennis-Star Art Donaldson (Mike Faist) seinen Weg fürs Comeback zu starten. Vor allem seine ehrgeizige Ehefrau und Trainerin Tashi (Zendaya) pusht Art zu diesem Turnier. Doch als Art ins Finale kommt, passiert das, womit keiner von Beiden gerechnet hat: Art muss gegen Patrick Zweig (Josh O’Connor) antreten. Der war einst der beste Freund und Tennispartner von Art und auch der Liebhaber von Tashi, bevor sie einen schweren Unfall hatte, der ihre Tenniskarriere beendete… doch als sich diese Drei das erste Mal auf dem Spielfeld sehen, wissen wir noch nichts von all dem.

Es ist mittlerweile ja auch schon ein etwas ausgelutschtes Klischee, in einem Film mit dem Ende anzufangen und sich dann mit Hilfe von Rückblenden zu den Gründen dieses Endes vorzuarbeiten. Aber was Luca Guadagnino hier in „Challengers“ macht, ist unglaublich gut. Wir fangen mit diesem Ende an, springen in der Zeit und kehren dann kurzzeitig wieder zu diesem Ende zurück – nur wissen wir jetzt mehr. Jede Rückblende gewährt uns einen besseren Einblick in das Leben der drei Menschen, die sich hier in New York treffen – und mit jeder Rückblende wird diese Beziehung intensiver und klarer.

Wir lernen die besten Freunde Art und Patrick kennen, wir erfahren von ihrer gemeinsamen Liebe zu Tashi und wie das letztendlich auch der Grund für den Bruch in der Freundschaft ist. Das Spannende an „Challengers“ ist dabei: Sie sind alle irgendwo Egoisten und schreckliche Menschen. Unsympathen: Anfangs ist man auf der Seite von Tashi, die immer wieder sagt, sie will nicht zwischen die beiden Freunde kommen. Später ist man auf der Seite von Patrick, weil Art sich versucht, zwischen ihn und seine Freundin zu quetschen und dann ist man wieder bei Art, weil der in einer toxischen Beziehung gefangen ist, in der es gar nicht mehr wirklich um Liebe, sondern um verlorene Träume geht. Wie der Film dabei zwischen diesen Perspektiven immer wieder hin und her springt, uns neue Seiten von diesen schon vermeintlich vertrauten Charakteren zeigt, um unser ganzes Gefühlsleben dann doch wieder auf den Kopf zu stellen, ist absolut unglaublich.

Ich war schon lange nicht mehr so gefesselt von einem Leinwandtrio wie von diesem. Autor Justin Kuritzkes liefert mit seinem ersten Drehbuch eine so unglaublich tiefgründige Studie über Menschen ab, in der er eine toxische Beziehung auf so unterschiedlichen Ebenen analysiert und dekonstruiert, dass das Tennis-Spielen an sich augenscheinlich zur Nebensache wird. Aber nur augenscheinlich… denn selbst der Sport ist ein wichtiger Faktor, der hier schon durch das Schwitzen und Stöhnen eine gewisse Sexualität mit sich trägt, die dadurch verstärkt wird, dass Tashi zu Beginn des Films sagt: „Tennis ist wie eine Beziehung, in der sich die Spieler verlieren – und im besten Fall die Zuschauer mit ihnen!“ Ich paraphrasiere, aber letztendlich ist das der Leitsatz für den Film (so wie „Entweder du stirbst als Held oder du lebst lange genug, um der Böse zu werden“ das Leitmotiv für Nolans „The Dark Knight“ gewesen ist).

Kuritzkes und Guadagnino halten sich penibel an diesen Vorsatz und bauen hier ein unglaublich intensives und immersives Drama auf, dass natürlich auch dank seiner grandiosen Darsteller diese Sogkraft entwickelt. Ich muss gestehen, ich habe bis zu „Challengers“ nie so ganz verstanden, warum alle Welt Zendaya hypt. Für mich war sie mehr Stilikone, die ich dann in den Spider-Man- und Dune-Filmen gesehen habe (ja, ich habe „Euphoria“ nicht gesehen). In „Challengers“ spielt sie – für mich zum ersten Mal – mit so einer Intensität, mit so einer Körperlichkeit, mit so einer Gewalt, dass ich verstehen kann, warum alle Welt sie so feiert. Aber auch Mike Faist und Josh O’Connor stehen ihr in Nichts nach – und machen aus „Challengers“ einen der besten Filme des Jahres. Der verdammt sexy ist, ohne das Guadagnino das Ganze auf explizite Sex-Szenen reduziert. Der Sex steckt im Sport… und wie dann das Finale schlussendlich alle Fäden zusammenführt und hier für den größten (filmischen) Orgasmus des Jahres sorgt, ist unglaublich. Da erleben wir dann wirklich das, was Tashi unter Tennis versteht… und es ist verdammt großartig.

Wertung: 10 von 10 Punkten (mittlerweile habe ich diesen Film schon zweimal gesehen und feiere ihn mit jedem Mal gucken mehr, weil man noch wieder neue Aspekte erkunden kann)

3 Kommentare leave one →
  1. 29. April 2024 08:35

    „Luca Guadagnino und ich sind anfangs nicht wirklich miteinander warm geworden.“

    Oh, er hat neulich etwas ganz Anderes über dich gesagt. 😉

    • donpozuelo permalink*
      2. Mai 2024 20:29

      🤣🤣🤣 Dann bin ich ja beruhigt 🤣

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