Alles auf neu
„The Walking Dead“ ist eine der wenigen Serien, die mir untergekommen ist, die mich doch recht regelmäßig auf die Probe stellt. Und damit meine ich wirklich, mich soweit treibt, dass ich eigentlich nicht mehr gucken will. Das erste Mal hatte ich das in Staffel 3. Damals habe ich sogar aufgehört zu gucken und hab’s lange durchgehalten. Das zweite Mal, dass ich mit dem Gedanken des Aufhörens gespielt habe, war in Staffel 8. Dieser ganze Krieg gegen die Saviors war dumm, der Tod von Carl war überflüssig und die Charaktere haben sich alle nicht mehr richtig angefühlt. Selbst ein Jeffrey Dean Morgan, der mich vor allem in Staffel 7 ja schwer begeistert hatte, war nicht mehr wirklich auf der Höhe. Eigentlich wäre Staffel 8 damit der perfekte Punkt gewesen, mit der Serie aufzuhören… zumal ja dann noch rauskam, dass Andrew Lincoln als Rick Grimes nicht mehr weitermachen wollte. Brauchte ich noch mehr Gründe zum Aufhören??? Nicht wirklich… und dennoch habe ich Staffel 9 geguckt. Immerhin war mit Angela Kang ja auch eine neue Showrunnerin, aber würde die es schaffen, den Karren wieder aus dem Dreck zu ziehen? Um es vorweg zu nehmen: Sie hat den Karren nicht nur aus dem Dreck gezogen, sondern ihn blitzblank gewaschen und ihm einen neuen Anstrich verpasst und eigentlich einen viel besseren Karren draus gemacht.
In der ersten Hälfte von Staffel 9 befinden wir uns knapp 2 Jahre nach den Ereignissen von Staffel 8. Die Gemeinden rund um Rick (Andrew Lincoln) florieren dank der Anweisungen, die die mysteriöse Georgie in Staffel 8 mitbrachte. Doch das Savior-Problem besteht nach wie vor. Wie soll man mit den alten Gegner umgehen, wie integriert man sie? Denn ja, es gibt sie noch. Schließlich ließ Rick ja auch Savior-Anführer Negan (Jeffrey Dean Morgan) am Leben. Großer Knall der ersten Hälfte ist dann der vermeintliche Abschied von Rick, der sich für seine Leute opfert, aber mit einem Hubschrauber gerettet wird (wo er anschließend landet, soll in einer Rick-Grimes-Film-Trilogie erzählt werden). Die zweite Hälfte von Staffel 9 spielt dann sechs Jahre nach Ricks verschwinden. Michonne (Danai Gurira) trauert immer noch, Daryl (Norman Reedus) sucht immer noch. Maggie (Lauren Cohan) ist weg… und die Gemeinden haben nicht mehr viel mit einander zu tun. Ein gemeinsamer Jahrmarkt im Kingdom soll helfen… doch da taucht eine neue Bedrohung auf. Die Whisperers unter ihrer Anführerin Alpha (Samantha Morton).
Ich habe das Gefühl, ich müsste jeder Hälfte einen eigenen Artikel widmen, denn sie sind beide einfach so gut. Aber ich versuche das mal im Schnelldurchlauf. Hälfte 1 ist einfach umwerfend, weil hier der Abschied von Rick Grimes genau richtig durchgeführt wird. Er bekommt seine absolut emotional geladene Folge, der eine schöne Weiterführung der Ereignisse von Staffel 8 vorangeht. Showrunnerin Kang zeigt ein Verständnis für die Charaktere, dass verloren gegangen zu sein schien. Jetzt aber ist es endlich wieder da. Klar, es ist wieder eine Staffel in der Sachen aufgebaut werden, nur damit sie am Ende kaputt gehen. Aber dieses Mal ist der Weg dahin emotionaler, gefühlvoller, intensiver und spannender.
Jeder Charakter kommt endlich mal wieder zur Geltung, was sich dann vor allem in der zweiten Hälfte zeigt. Anders als mit Negan stellt Staffel 9 die Schurken nicht so extrem in den Vordergrund. Die Whisperers, Menschen, die sich als Untote tarnen, sind wie Schatten. Sie tauchen immer mal wieder auf. Ihre Anführerin Alpha wird uns als eiskaltes Biest präsentiert, aber sie braucht nicht die Präsenz eines Negans, um furchteinflößend zu wirken. Samantha Morton schafft das auch in wenigen Szenen und ist dadurch umso effektiver.
Mit den Whisperers kehrt auch endlich mal wieder ein bisschen das Horror-Element in die Serie zurück. Gut, das gab es auch schon in der ersten Hälfte, aber in der zweiten Hälfte wird es fast noch besser. Weil man jetzt schon nicht mehr weiß, welchen Untoten man trauen kann. Untot ist nicht mehr einfach nur untot, sondern könnte ein noch schlimmerer Feind sein. Endlich ist „The Walking Dead“ auch auf dem Level mal wieder spannend.
Das Wichtigste sind aber tatsächlich die Charakter-Entwicklungen, die sich durch Staffel 9 ziehen. Ich habe es ja schon erwähnt, aber endlich sind die Charaktere mal wieder greifbar und auch nachvollziehbar. Jeder bekommt seine eigene Geschichte und niemand gerät zu sehr in den Hintergrund. Jeder trägt zur Story bei und ist nicht einfach nur dumm (ich gucke in deine Richtung, Daryl aus Staffel 8).
„The Walking Dead“ Staffel 9 hat mich in vielen Folgen einfach mal emotional fertig gemacht, aber auch immer gewusst, wann ich eine Pause brauche. Es gab keine Folge, die sich zu sehr nach Füllerfolge anfühlte. Neue Charaktere wurden integriert, alte aufgebaut. Die Geschichte wird endlich mal wieder interessant, die Verlustängste der Gemeinden größer. Immerhin gibt es jetzt wieder so eine Art Gesellschaft, deren Untergang schlimmer wäre als der Verlust eines Gefängnisses oder so.
Alles in allem hat sich „The Walking Dead“ mit Staffel 9 ein bisschen neu gerebooted und fängt meiner Meinung nach auch wunderbar den Verlust von Andrew Lincoln auf. Ich bin trotzdem gespannt, was sie mit ihm in den kommenden Filmen machen. Viel gespannter bin ich aber auf Staffel 10… und ob die das unglaublich hohe Niveau von Staffel 9 halten kann.
Wertung: 10 von 10 Punkten („The Walking Dead“ ist für eine Staffel wieder perfekt geworden)
Perfekt würde ich es nicht nennen, aber man hat es tatsächlich geschafft, dem ganzen mal wieder etwas Pfeffer zu geben. Ich stelle aber mal die These auf, dass der Verlust von den sich ewig im Kreis drehenden Saftnasen wie Rick und Maggie da sehr förderlich waren, denn alles mit denen wirkte nur noch wie Ballast, der alles drumherum komplett ausbremst oder zum erliegen bringt.
Es gab zwar auch wieder Sachen, die mir einfach zu sehr TWD waren (Beta im Fahrstuhlschacht oder wie immer der Tod von Figuren, gerade dann, wenn diese interessant werden, nachdem sie zuvor nur da waren und einfach keine Fallhöhe da ist und vor allem natürlich, dass am Ende überall der Blizard tobt, aber die Whisperer plötzlich in den Tropen Urlaub machen) aber nach 9 Jahren hat man sich an sowas ja gewöhnt. Immerhin macht die Serie wieder Spaß und es sind mir nicht mehr alle zwöftausend Charaktere scheißegal. Von manchen kann ich mir inzwischen sogar die Namen merken. Das alleine ist schon eine Leistung, die der Serie zuvor 8 Jahre lang nicht gelungen ist, also macht man wirklich was richtig.
Glaub ich auch, dass es mal ganz gut war, Rick und Maggie beiseite zu legen. Dadurch sind einfach mal andere Charaktere in den Vordergrund gerückt.
Ja… das mit Beta und dem Fahrstuhlschacht war Michael Myers würdig. Und ja, dass mit dem Blizzard war auch fragwürdig, aber allein die Tatsache, dass es so ein Szenario mal gab, fand ich schon cool.
Die Serie hat sich mit Staffel 9 noch mal ordentlich gemausert und gezeigt, dass es doch gehen kann.
Ich meine, selbst die Untoten waren mal wieder sehenswert. Der in den Baum Gewachsene war cool… und der mit den Spinnen in der Bibliothek in Folge 1 auch. Wann konnte man sowas in den letzten Staffeln mal wirklich sagen?
Die Untoten rutschten ja auch immer mehr in den Hintergrund, durch den ewigen drögen Kampf zwischen den einzelnen menschlichen Parteien. Da sind die Whisperer ohnehin mal eine nette Abwechslung, weil sie eben nicht dieses „ruhige Leben“ wollen und dafür alles und jeden bekämpfen. Eigentlich wollen die ja sogar nur in Ruhe gelassen werden.
Das ist allerdings mal wieder so ein Grundproblem, dass die Serie nicht mehr in den Griff kriegen wird. Denn eigentlich sind die gesamten Figuren, denen wir als Zuschauer folgen, die Antagonisten. Von Rick über Michone bis Daryl sind die alle immer selbst dafür verantwortlich, dass die ganze Sache ständig ausartet.
Ja. Die Whisperers fand ich schon in den Comics unglaublich wichtig und gut. Weil sie wirklich mal es Neues Neues waren.
Und ja… dass die sich da selbst viel kaputt machen, stimmt wohl auch.
Puh, interessant deine Meinung und Analyse zu lesen. Ich muss zugeben, dass sich nach dieser Staffel (eine Folge fehlt mir zugegebenermaßen noch) mein Eindruck kein bisschen geändert hat. Es ist immer noch ein großes Guilty Pleasure, über das ich mich viel zu oft aufrege… Besonders die neue Antagonistin Alpha hat mich von der ersten Minute an absolut entnervt. Für mich ein echter Rückschritt was den Bösewicht betrifft.
Echt… okay. Das ist krass. Für mich war das echt ein gewaltiger Schritt nach vorne. Gerade wenn ich mir so Staffel 8 anschaue. Ich fand’s wirklich unglaublich gut, was sie mit den Charakteren gemacht haben, wie sie auch Rick verabschiedet und die Whisperers eingeführt haben.
Die Einführung der Whisperers hat mich tatsächlich auch weghauen. Wobei ich mich aber nach wie vor frage, wie sie es schaffen, große Horden zu dirigieren, selbst wenn irgendwo geschossen wird. Ich nahm bisher an, dass die da noch irgendeine Technik in der Hinterhand haben.
Leider wurde ich bzgl. des Ausscheidens von Rick gespoilert. Allerdings dachte ich, er würde sterben – was ich viel besser gefunden hätte, als sein ominöses Verschwinden. Dass da Filme erscheinen sollen, ist für mich neu. Aber eigentlich müsste er doch zur Hauptserie zurückkehren, oder?
Die Whisperers waren super.
Tja… die Sache mit Rick ist ein wenig merkwürdig. Es sollen drei Filme kommen und möglicherweise taucht er dann auch zum Ende der Serie wieder auf, aber das ist erstmal noch Wunschdenken.
Mich erinnert das alles zu sehr an das Ausscheiden von Fox Mulder in „Akte X“. Der wurde auch entführt und ewig gesucht… Dann tauchte er hier und da mal wieder auf, aber das Gleiche war es auch nicht.
Es ist eine leichte Lösung, den Fans Hoffnungen zu machen, ohne ihren geliebten Charakter direkt zu töten.
So ganz weiß ich auch nicht, was ich davon halten soll.
Eisernes Serien-Gesetz: Wenn du den Charakter nicht sterben siehst, ist er auch nicht tot. Siehe Glenn 😉
Oh Gott… Glenn und die Mülltonne. 😂