Die (heimliche) Nummer 1
Ich wünschte mir manchmal, ich wäre im wahren Leben so risikofreudig wie mit meiner Filmauswahl. Ich weiß, ich weiß, das ist ein blöder Vergleich, aber es ist ja nun mal so. Allgemein gehe ich lieber drei Mal auf Nummer Sicher, aber im Kino traue ich mich dann auch schon mal was… was habe ich schon groß zu verlieren – außer meinem Geld und meiner kostbaren Zeit??? #FirstWorldProblems Und jetzt muss ich auch zugeben, dass ich selbst im Kino mehr auf Nummer Sicher gehe, aber dann und wann wage ich doch mal was (was mich bis jetzt trotzdem noch nicht dazu gebracht hat, mich mal in eine Sneak-Preview zu trauen). Obwohl ich jetzt mit „Vice“ ja auch ein zu großes Risiko eingegangen bin, ist ja schließlich ein Adam-McKay-Film, da kann man auch nichts falsch machen. Also gut, damit habe ich mich selbst als großen Risiko-Kino-Freund widerlegt und höre jetzt einfach auf damit.
Mit „Vice“ erzählt uns McKay die Geschichte des einstigen Vize-Präsidenten Dick Cheney (Christian Bale), der sich – angetrieben durch seine Frau Lynne (Amy Adams) – durch die Ränke der Republikaner arbeitet, erst als Assistent von Donald Rumpsfeld (Steve Carell), dann als Verteidigungsminister unter Präsident George W. Bush sr., bevor er dann später für dessen Sohn (Sam Rockwell) zum Vizepräsidenten wurde.
Adam McKay erzählt uns auf ziemlich ironische Art und Weise, wie ein einzelner Mann über die Jahre hinweg die Politik beeinflusste, wie ein einziger Mann sich über einen unwissenden Präsidenten hinwegsetzte und die traurige Gunst der Stunde des 11. Septembers 2001 ausnutzte, um einen Krieg vom Zaun zu brechen. McKay macht das ähnlich wie schon bei „The Big Short“ auf sehr unterhaltsame, wenn auch einseitige Weise. Natürlich bauscht er Dick Cheney hier auch gewissermaßen zu einem Helden auf, der sich ja eigentlich nur die Dummheit der anderen zunutze machte, um seine eigenen Wege zu gehen. Wenn man sich mit der Politik der Zeit auskennt, könnte man sicherlich am Ende ein paar mehr Fragen haben, aber das ist ja auch gut so. Am Ende schafft McKay mit „Vice“ eine Sache, die er schon mit „The Big Short“ geschafft hat: Er macht auf unterhaltsame Weise neugierig.
Man sieht diese unglaublichen Menschen, die Unglaubliches machen und möchte es eigentlich in die Welt der Fantasie versetzen. Doch es ist die Wahrheit – für einen lustigen Film natürlich spannend verkürzt und kompakt erzählt. Aber das macht McKay aus: Er beweist auch hier wieder sein Gespür für Komik, sein Gespür für Timing, sein Gespür dafür, den Zuschauer nicht zu sehr zu über-, aber auch nicht zu unterfordern.
Dazu hat McKay einfach mal wieder eine perfekte Besetzung gefunden. Christian Bale ist als Christian Bale gerade mal noch in den ersten paar Minuten des Films zu erkennen. Danach wird er dank Oscar prämierter Masken und seiner verrückten Method-Actor-Methode, sich den Cheney-Bauch anzufressen, wirklich zu einem anderen Menschen. Amy Adams, Steve Carell (ein McKay-Veteran, der für mich immer Brick Tamland sein wird) und Sam Rockwell sind ebenfalls einfach nur echt verdammt sehenswert – vor allem Rockwell verleiht Bush jr. eine echt komödienhafte Debilität, die einen ganz schön bitteren Nachgeschmack hinterlässt.
Alles in allem ist „Vice“ jetzt sicherlich kein gemütlicher Sonntagabendfilm, aber es ist mal wieder ein schön überspitztes Beispiel dafür, wie viel Macht doch manchmal einige Personen haben, von denen man es gar nicht vermutet hätte.
Wertung: 8 von 10 Punkten (Politik-Stunde der unterhaltsamen Stunde, die aber auch ein wenig wachrüttelt)
„Er macht auf unterhaltsame Weise neugierig.“ – Das ist p e r f e k t zusammengefasst!
Für mich eine ganz große Kunst, intelligent zu unterhalten, ohne zu überfordern oder überheblich zu wirken. Ich erwarte noch sehr sehr viel von McKay 🙂
Oh ja. Also mittlerweile zweifle ich kaum noch an McKay. Der kann gerne mehr solcher Filme machen (Und vielleicht noch Anchorman 3 😅)