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Das Schreien der Lämmer

5. Juni 2015

Ich rede ja immer wieder gerne davon, dass Mads Mikkelsen für mich mittlerweile mehr Hannibal Lecter ist als Anthony Hopkins, der einst den charismatisch-gefährlichen Kannibalen verkörpert. (Dabei vergessen wir wohl alle immer sehr gerne, dass es vor Hopkins noch Brian Cox gab, der im weniger bekannten „Blutmond“ von Michael Mann bereits Hannibal Lecktor spielte… oha… na gut, da es sich hier ja um einen anderen Hannibal zu handeln scheint, können wir Cox dann wohl auch ruhig beiseite lassen). Und jetzt da ich endlich, endlich, endlich wieder das Vergnügen haben, Mads Mikkelsen in der dritten Staffel von „Hannibal“ zu bewundern und zu bestaunen, war es einfach mal an der Zeit, zurückzuschauen…

… auf die junge FBI-Anwärterin Clarice Starling (Jodie Foster), die zu dem gemein-gefährlichen Kannibalen Hannibal Lecter (Anthony Hopkins) geschickt wird, um von dem vielleicht die nötige Hilfe zu bekommen, um einen weiteren gefährlichen Serien-Killer zu fangen: Buffalo Bill (Ted Levine). Die Hoffnung des FBI liegt darin, dass Lecter in seiner Funktion als Psychiater UND Serienkiller wichtige Hinweise darauf geben, wie man Bill schnappen könnte. Nur ist Lecter nicht so leicht zu beeindrucken und spielt sein eigenes Spielchen mit dem FBI.

Hey Girl, I’m looking at you…

Ich weiß nicht, was ich faszinierender an „Das Schweigen der Lämmer“ finden soll: Die Tatsache, dass ein Film, der schon als halber Horror-Film gewertet könnte, 1992 in allen wichtigen Oscar-Kategorien (Bester Film, Beste Regie, Beste Darstellerin, Bester Schauspieler und Bestes Drehbuch) gewonnen hat oder dass es in diesem Film eigentlich kaum so wirklich um Buffalo Bill geht. Die erste Tatsache (also Oscar-Nummer) ist schon wirklich krass, wenn man einfach mal bedenkt, wie einzigartig das wirklich ist. Es wird wahrscheinlich noch viel, viel Zeit vergehen, bevor ein richtig gut gemachter und geschauspielerter Thriller mal wieder so eine Würdigung bekommen wird (man hätte es ja zuletzt vielleicht bei „Gone Girl“ vermuten können, aber daraus wurde ja nichts).

Viel spannender oder vielmehr interessanter ist dann doch die Tatsache, dass „Das Schweigen der Lämmer“ uns in die Zwickmühle bringt und uns den eigentlichen Bösewicht des Films vergessen lässt. Das liegt aber auch einfach daran, dass wir Buffalo Bill erst nach gut dreißig Minuten zu Gesicht bekommen, und selbst dann können wir uns eigentlich kein wirkliches Bild von ihm machen. Wir hören nur von seinen Taten, ihn selbst bekommen wir aber kaum zu Gesicht. Manchmal hat man da halt echt das Gefühl, ihn vergessen zu haben. Ging mir zumindest so… denn eigentlich ist Buffalo Bill für den Film auch nicht so wichtig. Schließlich gibt es einen zweiten Schurken / Antagonisten / was auch immer, der zwar auch nicht so oft zu sehen ist, aber dafür umso beeindruckend und faszinierender ist. Und das ist natürlich Hannibal Lecter.

Anthony Hopkins verkörpert diesen als charmaten Psychopathen, eine Intelligenz-Bestie, die tatsächlich eine Bestie ist. Es ist irgendwie ein bisschen die Schöne und das Biest… gerade auch, wenn man bedenkt, wie viel persönliches Interesse Lecter an Clarice Starling hat. Aber selbst da muss man sich dann doch immer wieder fragen: Ist dieses Interesse echt oder auch nur eines der perfiden Spielchen von Hannibal Lecter. Und das dieser Lecter so einschüchternd und faszinierend zugleich ist, ist einem wirklich umwerfend spielenden Anthony Hopkins geschuldet. In allem, was er tut, liegt so eine tiefliegende Ruhe… und das ist mit Sicherheit etwas, das sich Mads Mikkelsen gut abgeguckt hat. Hopkins schafft es in den wenigen Minuten Filmzeit, die seinem Lecter gegeben werden, vom Nebendarsteller zum absoluten Hauptdarsteller aufzusteigen, der uns alles andere vergessen lässt. Wer ist Buffalo Bill? Interessiert mich nicht, ich will mehr von diesem Kannibalen wissen, der klassische Musik liebt, Florenz und Chianti.

Bei so einer darstellerischen Glanzleistung muss die „Schöne“ ganz schön hart arbeiten, um gegen das „Biest“ anzukommen… aber ich glaube gerade wegen ihren Pausbäckchen, ihrer Föhn-Frisur und dem ständig unsicher wirkenden Blick funktioniert Jodie Foster perfekt als junge FBI-Anwärterin, die in eine Situation gebracht wird, in der sie eigentlich nicht sein sollte. Und trotzdem schafft sie es… was aber ebenfalls daran liegt, dass sie genau so fasziniert ist von Hannibal Lecter wie wir. Und da zeigt sich dann wie gut das Gespann Foster-Hopkins funktioniert… es ist ein bisschen wie David gegen Goliath, aber irgendwie auch Romeo und Julia. Zumindest hat man immer mal wieder so das Gefühl, dass Lecter mit Clarice nicht nur aus Eigennützigkeit „spielt“. Diese schwer festzulegende Verhältnis zwischen den beiden macht den Film umso aufregender.

„Das Schweigen der Lämmer“ sticht wegen seiner beiden Hauptdarsteller aus dem Brei der Serien-Mörder-Thriller hervor, denn wenn man es genau nimmt, ist die Geschichte sonst nicht wirklich was innovatives und neues. Aber gerade weil „Das Schweigen der Lämmer“ uns zwei Psychopathen vorstellt, wird es dann doch wieder spannend, denn die Jagd nach Buffalo Bill (Ted Levine ist übrigens ebenfalls großartig) wird zur einer fast schon kleinen Nichtigkeit im Vergleich zu dem wahren Monster, das hier zwar eingesperrt, aber nicht weniger gefährlich ist. Trotzdem soll es jetzt nicht heißen, „Das Schweigen der Lämmer“ wäre nicht auch ein spannender Thriller, eine aufregende Jagd nach dem Mörder. Denn genau das ist der Film auch… er besticht halt nur sehr viel mehr durch seine Charaktere.

Ich bin auf jeden Fall schon sehr gespannt, wann wir Clarice Starling in „Hannibal“ sehen werden… und muss abschließen trotzdem sagen, dass mir Mads Mikkelsen nach wie vor am besten gefällt. Man darf die Ausstrahlung, die Anthony Hopkins hat, nicht unterschätzen (zumal er in viel kürzerer Zeit eine Wirkung erzeugt, die beängstigend und aufregend zugleich ist), aber Mikkelsen hat dank der Serie auch einfach mal sehr viel mehr Möglichkeiten mit der Figur des Lecter zu spielen. Und das macht seinen Lecter für mich dann doch noch sehr viel interessanter.

Wertung: 9 von 10 Punkten (die Lämmer schreien und schreien und schreien…)

26 Kommentare leave one →
  1. 5. Juni 2015 12:27

    Ich hatte den Film damals mit ca. 14-15 Jahren (also deutlich zu früh) gesehen und war danach komplett verstört, hatte Alpträume usw. Davor hatte ich aber auch noch keine Berührungspunkte mit diesem Gerne und finde nach wie vor, dass dies ein brillanter Thriller ist. Ganz groß. Da kommt die Serie meiner Meinung nach (noch) nicht ran.

    • donpozuelo permalink*
      5. Juni 2015 14:05

      😀 Ja, ich habe den, glaube ich, auch viel zu früh gesehen. Das war echt hart… aber es ist ja gerade dank der tollen Darsteller ein Film, der gut altert und den man sich immer wieder anschauen kann. Ich finde schon, dass die Serie da mittlerweile ganz gut heranreicht… obwohl es natürlich irgendwie auch schwer ist, das eine mit dem anderen zu vergleichen, haben sie doch ein wenig andere Ansätze. Da bin ich halt wirklich gespannt, wie sie das machen werden, wenn Clarice Starling in die Serie eingeführt wird. Dann hat man eher eine Vergleichsmöglichkeit.

      • 5. Juni 2015 19:50

        Da stimmt, ja. Ich habe bisher ja auch nur die erste Staffel gesehen, in der mich die vielen Einzelepisoden doch etwas gelangweilt haben. Mag durchaus sein, dass das noch besser wird.

        • donpozuelo permalink*
          7. Juni 2015 18:01

          Zweite Staffel, bullion! Zweite Staffel!!! Da entfaltet die Serie wirklich ihre ganze Anziehungskraft. So bitterböse, so stylish, so hinterhältig… bei der ersten Staffel habe ich auch ein bisschen gebraucht, aber die zweite ist einfach nur super!

  2. 5. Juni 2015 15:24

    So gut der Film ja auch ist, ich finde er ist fürchterlich gealtert. Ja. haut mich… Obwohl er so bravourös gespielt ist, zieht es mir schon lange nicht mehr die Socken von den Füßen. Irgendwie erschreckend.
    Außer natürlich hier: https://www.youtube.com/watch?v=5V-k-p4wzxg&list=PL2w4TvBbdQ3sMABf317ExCob_v6rW2-4s&index=9

    • donpozuelo permalink*
      5. Juni 2015 16:45

      Findest du echt? Gerade wegen diesem Video und diesen kleinen, feinen Spielereien kann ich mir den Film immer mal wieder anschauen…

      • 5. Juni 2015 16:57

        Ja. Einmal alle paar (mehr) Jahre reicht er mir vollkommen. Ist aber auch nicht unbedingt mein Liebling der Reihe.

        • donpozuelo permalink*
          5. Juni 2015 17:09

          Klar, jedes Jahr muss ich den jetzt auch nicht sehen 😉 Aber ich finde schon, dass er der Beste der Reihe ist. Aber ich habe die anderen auch nicht mehr so im Gedächtnis… welchen findest du denn am besten?

        • 5. Juni 2015 17:17

          Roter Drache packt mich mehr.
          Ich will dem Schweigen der Lämmer seine Qualitäten auch gar nicht absprechen. Ist trotzdem ein super Film der seinen Status redlich verdient hat. Aber je öfter ich den sehe (bisher ca. 3x), desto altbackener wirkt er größtenteils auf mich, speziell beim Buffalo Bill-Handlungsstrang.

        • donpozuelo permalink*
          7. Juni 2015 17:59

          Okay… „Roter Drache“ muss ich tatsächlich noch einmal gucken. Den habe ich damals zum Kinostart das erste und auch einzige Mal gesehen.

  3. 7. Juni 2015 19:40

    Geht mir genauso. Für mich war Lecter der wahre Antagonist und Hauptdarsteller des Films. Er ist einfach zu interessant. Der Umstand, dass jemand so schlaues zu solchen Taten in der Lage ist fasziniert immer wieder. Bis heute weiß ich eigentlich nicht so richtig, was er an Clarice findet … (obwohl ich sie sehr mag, das muss ich betonen). Vermutlich, dass sie es sich traut ihn ins Boot zu holen. Für mich funktioniert der Film auch heute noch richtig gut, genauso wie alle anderen Teile außer Hannibal Rising – damit habe ich so meine Probleme.

    Ich bin extrem gespannt darauf, ob sie die Rechte erhalten, um in der Serie noch eine Version von Clarice zum besten zu geben. Und wie gespannt, dafür gibts keine Worte – das wäre der Oberhammer.

    • donpozuelo permalink*
      7. Juni 2015 22:56

      „Hannibal Rising“ habe ich nie gesehen. Das ist doch der, der die Vorgeschichte erzählt, oder? Hannibal als junger Mann und so… hmmm… ich muss echt noch einmal die anderen Filme schauen.

      Und was Clarice in der Serie angeht: Ich war mir eigentlich ziemlich sicher, mal in einem Interview mit Bryan Fuller gelesen zu haben, dass das auf jeden Fall kommen wird. Sie handeln im Laufe der Serie alle Harris-Bücher zum Thema Hannibal Lecter ab. Also wird wohl auch in einer der nächsten Staffeln eine Clarice Starling auftauchen müssen. Hoffen wir mal beide gespannt 😀 😀 😀

      • 7. Juni 2015 23:06

        Ja, das ist der mit der Vorgeschichte. Das Buch habe ich auch gelesen und fand beides als einziges nicht so besonders toll aus der gesamten Reihe.

        Stimmt, das habe ich auch gelesen. Aber leider erst heute, dass die Rechte vom Schweigen der Lämmer noch innegehalten werden und dass er deswegen daraus aktuell noch keine Figuren verwenden darf (da hab ichs her: http://screenrant.com/hannibal-season-4-clarice-starling/). was schade ist … die Geschichte schreitet ja ganz schön voran. Normalerweise hätte ich Clarice in der nächsten Staffel erwartet. Die sind ja ganz schön fix … laut Trailer ist in dieser Staffel ja praktisch die Handlung aus „Hannibal“ und „Roter Drache“. Vielleicht haben sie Angst, dass ihnen die Unterstützung wegbricht, wenn die Zuschauerzahlen weiter hinter den Erwartungen zurückbleiben.
        Naja du sagst es ja … warten wir gespannt. 🙂

        • donpozuelo permalink*
          8. Juni 2015 09:03

          Ja, sie schreiten wirklich schnell voran… aber naja… die Hoffnung stirbt zuletzt. 😀 Zumal ich bei der Clarice-Story dann auch immer gerätselt habe, ob sie den guten Will dann irgendwann aus der Serie nehmen. Laut dem Artikel ja nicht, aber wer weiß… wäre auf jeden Fall nicht so toll, wenn Hugh Dancy weg wäre. Aber was meinst du mit den Zuschauerzahlen? Zieht die Serie nicht mehr so gut??? Hierzulande hat die irgendwie ja immer keiner auf dem Schirm. Lief die hier überhaupt im Fernsehen???

  4. 8. Juni 2015 16:14

    Ich halte „Silence of the Lambs“ tatsächlich für hervorragend gealtert, und das geht mir bei ausgesprochen wenigen Filmen so. Er beeindruckt vor allem durch sein unglaublich langsames Tempo, das ich in dem Maße seitdem in keinem Thriller mehr erlebt habe. Der Aufbau von Spannung durch das Verweilen der Kamera, durch leise Gespräche, bloßen Blickkontakt – das ist große Kunst.

    • donpozuelo permalink*
      8. Juni 2015 17:42

      Danke… ja, das sehe ich auch so. Der Film ist wirklich sehr gut!!!

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