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Reine Empathie

29. Januar 2014

Kennt ihr das auch bei Filmen oder Serien, wenn ihr eine Person, eine Figur von der ersten Sekunde ihres Auftretens schon nicht leiden könnt? Und die euch dann jedes Mal aufregt, sobald nur über sie gesprochen wird oder wenn sie einmal mehr auftaucht? So in etwa wie die allgemeine „geringfügige“ Abneigung zu einem gewissen Typen mit zu langen Ohren und Sprachfehler in einer „geringfügig“ unnötigen Trilogie. Jetzt habe ich mal wieder in einer Serie so einen Fall gefunden – und zwar Lara Jean Chorostecki als Bloggerin Freddie Lounds in „Hannibal“.

Mann, geht mir die Frau da ständig auf die Ketten. Einen unnötigeren Charakter hätte man sich wirklich nicht ausdenken können. Man kann jetzt nichts gegen Chorostecki sagen, aber gegen Freddie Lounds schon. Die nervt wirklich wie eine Schmeißfliege, taucht immer zum falschen Zeitpunkt auf und hat so gefühlt keinen wirklichen Nutzen für die Serie, die sicherlich auch ohne sie überleben würde.

Denn mal abgesehen von dieser Freddie Lounds ist „Hannibal“ eine Serie, bei der es euch die Schuhe ausziehen wird. Für alle, die wirklich noch gar nichts davon gehört haben: „Hannibal“ ist wie ein Prequel zu „Das Schweigen der Lämmer“ zu verstehen. Noch genauer gesagt, ist es zum größten Teil die Vorgeschichte zum Roman „Roter Drache“ (irgendwann mal verfilmt worden – unter anderem mit Edward Norton). In der Serie treffen wir auf den Profiler und Dozenten Will Graham (Hugh Dancy). Der wird von Jack Crawford (Laurence Fishburne) angeworben, um im Fall von acht verschwundenen Mädchen zu helfen. Denn Graham hat eine besondere Gabe: Er hat etwas, dass hier als reine Empathie bezeichnet wird. Graham muss sich nur auf dem Tatort umzuschauen, um sich in Täter hineinversetzen zu können. Da ihn diese Aufgabe aber nach und nach ziemlich zusetzt, beauftragt Crawford auch noch den Psychiater Hannibal Lecter (Mads Mikkelsen), sich um Will Graham zu kümmern.

Das, was mich an „Hannibal“ von Anfang an sehr gereizt hat war (natürlich) Mads Mikkelsen. Schließlich geht er hier die schwere Aufgabe an, in die Fußstapfen von Anthony Hopkins zu treten, der einen wirklich wunderbaren Dr. Lecter gespielt hat. Aber man muss sich bei Mikkelsen wirklich keine Sorgen machen. Er spielt diesen undurchsichtigen und aalglatten Psychiater mit grandioser Perfektion. Man darf sich jetzt von den Superlativen nicht verunsichert lassen: Sie stimmen wirklich. Mikkelsens Lecter ist ein Fest… auch wenn man ein bisschen hingehalten wird, bevor er wirklich von der Leine gelassen wird. Anfangs erscheint er einem noch ziemlich harmlos, doch mit jeder Folge kommt ein weiteres Puzzle-Teil dazu und man erahnt mehr und mehr, mit was für einem Monster man es wirklich zu tun hat.

Neben Mikkelsen hatte Hugh Dancy anfangs etwas Schwierigkeiten, mich von sich zu überzeugen. Das lag aber auch daran, dass ich mit seinem Will Graham nicht so richtig warm wurde. Der nimmt seine Brille am Tatort ab, blinzelt mit den Augen und schwupps – schon weiß er bestens Bescheid. So wurden dann auch die ersten paar Fälle ziemlich schnell abgefrühstückt… ganz ohne CSI-mäßige Untersuchungen. Doch Dancys Zeit kommt auch in „Hannibal“… und spätestens ab der Hälfte der ersten Staffel gibt „Hannibal“ richtig Gas, zieht die Spannungsschraube unerbitterlich an und bietet ein grandios gespieltes Psycho-Spiel. Der arme Will Graham versinkt mehr und mehr in seinen eigenen Psychosen und Stück für Stück offenbart sich auch Hannibals Plan.

Und ich muss es an dieser Stelle noch einmal betonen: Mikkelsen spielt großartig. Sein Hannibal ist das perfekte Gentleman-Arschloch, der durch sein emotionale Kälte teilweise wirkt, als wäre er aus Stein. Perfekt, perfekt, perfekt – Mads Mikkelsen ist wirklich der neue Hannibal Lecter.

Neben den ganzen grandiosen Psychospielen ist „Hannibal“ aber auch eine Serie, die sich ihren FSK-18-Stempel redlich verdient hat. Was man hier teilweise zu Gesicht bekommt (ich nenne nur mal die Stichworte Leichenengel und Totem aus Toten – und lasse euch damit allein), geht schon ordentlich an die Materie. Zwischendurch gibt’s auch echt krasse Fälle, bei denen man sich schon fragen muss, wie verrückt die Drehbuchautoren selber sind… brrr….

Hannibal“ braucht ein bisschen, um wirklich warm zu laufen, liefert dann aber Spannung pur. Meine Befürchtung, es würde sich immer nur um einen Fall pro Folge handeln, verflog auch schnell und es entwickelt sich eine abwechslungsreiche Story, die sich durch die gesamte Staffel zieht. Die wirklich tollen Darsteller (bis auf die, meines Erachtens nach, überflüssige Lara Jean Chorostecki) geben einem dann echt den Rest. Dancy und Mikkelsen sind ein Traum-Psycho-Pärchen.

Wertung: 9 von 10 Punkten (Mikkelsen in Bestform – dieser „Hannibal“ macht einem wirklich Angst)

16 Kommentare leave one →
  1. olivesunshine91 permalink
    29. Januar 2014 21:09

    Jaaa, ich glaube, das Gefühl kennt jeder 😀 Bei mir war es vor kurzem die Figur von Miguel Prado in der dritten Dexter-Staffel. Boah, hat mich dieser Typ genervt -.-

    Und Hannibal kommt auch direkt auf meine Serien-Liste, das muss ich mir unbedingt anschauen. „Roter Drache“ fand ich super, war mein erster Hannibal-Film 😉

    • donpozuelo permalink*
      30. Januar 2014 09:02

      Stimmt, Miguel Prado war auch so ein Fall. Obwohl es mir auch so auch mit Claire aus „LOST“ ging. Irgendwann ging mir die Frau auch tierisch auf die Nerven.

      „Hannibal“ solltest du auf jeden Fall mal schauen. An „Roter Drachen“ kann ich mich echt kaum noch erinnern – außer halt, das Edward Norton den Will Graham gespielt hat 😉

      • olivesunshine91 permalink
        1. Februar 2014 11:45

        In „Lost“ gab es so einige, die gern die Serie hätten verlassen können… außer Charlie, der war mein Liebling 😉

        Werde ich auf jeden Fall tun! Allerdings reicht das Aussehen des Schauspielers schon, um mich etwas zu verängstigen 😀

        • donpozuelo permalink*
          2. Februar 2014 19:47

          Ich mochte immer Desmond sehr. Charlie war aber auch verdammt cool!

          Und ja, Mikkelsen sieht wirklich immer ein bisschen zum Fürchten aus. Sehr nett, aber auch immer zum Fürchten 😉

  2. 29. Januar 2014 21:52

    Hm – ich liebe die Serie. Mir geht es ganz ähnlich was Hugh Dancy betrifft, außerdem empfand ich es auch als etwas verwirrend, dass die Serie ‚Hannibal‘ heißt aber seinen Fokus gefühlt mindestens 50:50 auf Will und Hannibal legt. Bzw. manchmal gefühlt noch mehr auf Will. Ich bin unendlich gespannt auf die 2. Staffel – was sagst du zum Trailer?

    • donpozuelo permalink*
      30. Januar 2014 09:04

      Mit dem Fokus gebe ich dir vollkommen recht. Das ist wirklich auch etwas, was mich ein bisschen gestört hat: Da hat man schon so einen tollen Hannibal und lässt ihn ziemlich lange im Hintergrund. Dafür verspricht der Cliffhanger der ersten Staffel ja ziemlich viel und der Trailer hat für meinen Geschmack fast schon zu viel verraten, in welche Richtung es wirklich geht. Trotzdem bleibe ich gespannt, weil Staffel 2 könnte ja wirklich endlich mal auch mehr Hannibal selbst gehören.

  3. 30. Januar 2014 18:17

    Ich bin auch drin. Hab gerade heute mit der Serie angefangen und erst die erste Folge gesehen. Nach deinem sehr positiven Text freue ich mich noch mehr darauf. Mit Lara Jean Chorostecki hatte ich in dem Fall noch nicht das Vergnügen. Auch auf sie bin ich schon sehr gespannt, denn dass mit Nervigen Personen in Serien kenn ich zu gut. Ich hab da immer mindestens einen pro Serie der mir mächtig auf den Geist geht.

    • donpozuelo permalink*
      30. Januar 2014 21:35

      Dann hoffe ich mal, dass es dir gefallen wird… und dass dich die gute Lara vielleicht etwas weniger nervt als mich 😀

  4. 30. Januar 2014 22:39

    Bin bei Episode 6, sollte ich auch noch mal weitergucken :3

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