Alice im Victory-Wunderland
Ich kenne Olivia Wilde bislang nur als Schauspielerin. Ihr Regie-Debüt „Booksmart“ will ich unbedingt noch nachholen… und auf ihre zweite Regie-Arbeit „DON’T WORRY DARLING“ hatte ich mich eigentlich wirklich sehr gefreut. Die Betonung liegt dabei auf „eigentlich“. Denn irgendwann gingen das Gossip-Gequatsche rum: Wilde verlässt ihren Partner für Hauptdarsteller Harry Styles. Hauptdarstellerin Florence Pugh ist genervt. Angeblich wurde Shia LaBeouf gefeuert, bevor er sagt, dass er selbst gekündigt hat. Dann war da noch die Frage, hat Styles in Venedig Chris Pine angespuckt und und und… Olivia Wilde machte komische Aussagen darüber, dass Chris Pines Charakter an den Psychologen und Autoren Jordan Peterson angelehnt ist… und ich war irgendwann irgendwie raus. Weil ich mir echt dachte: „Okay, kein Mensch redet mehr über den Film, sondern über den ganzen Mist drumherum.“ Da ist es echt schwierig, sich am Ende von zu distanzieren und wirklich einfach nur den Film an sich schauen zu können… aber gut, ich habe es trotzdem versucht, einfach weil ich mir irgendwann mal wirklich sehr auf den Film gefreut habe.
Alice (Florence Pugh) lebt im vermeintlichen Wunderland. Sie darf für ihren geliebten Mann Jack (Harry Styles) das Haus in Ordnung halten, für ihn kochen, die Wäsche waschen und frisch gestylt abends mit einem Cocktail in der Hand auf seine Rückkehr warten. Währenddessen arbeitet Jack für Frank (Chris Pine) an dessen mysteriösem „Victory Project“, für das Frank extra die kleine Stadt Victory hat bauen lassen, in der Alice und Jack mit vielen anderen Paaren arbeiten. Doch irgendwann fängt Alice an, Victory und Frank zu hinterfragen… was für sie keine so gute Idee ist.
„Don’t Worry Darling“ ist ein fantastisch aussehender Film. Die Sets, die Kostüme, Haare und Make-Up, die Autos, die Ausstattungen – schöner hätte man die 50er Jahre nicht aufleben lassen können. Das wirkt alles wie aus einem Werbespot, der den amerikanischen Traum der 50er Jahre zelebriert. Dazu kommt ein unterhaltsamer Soundtrack aus Songs dieser Ära… und ihr merkt jetzt schon, dass der Film, wenn ich anfange über Sets und Ausstattung zu sprechen, nicht so der Hammer ist, wie man es eigentlich erwarten möchte.
Das liegt leider daran, dass die Story doch sehr dröge ist. Das Ganze arbeitet natürlich auf einen großen Plottwist hin. Die ganze Zeit wird uns schon suggeriert: Hier kann irgendwas nicht stimmen. Irgendwas ist hier faul. Allein schon die Song-Auswahl von Olivia Wilde ist teilweise zu offensichtlich und zu plump. Dazu kommt, dass das Drehbuch auch leider wenig subtil mit dem vermeintlichen großen Twist umgeht. Dafür beginnt Wilde schon viel zu früh, bestimmte kurze Bilder einzustreuen, hat ihre ganze Dramaturgie so ausgerichtet, dass jeder Mensch, der auch nur eine Folge „Black Mirror“ oder überhaupt irgendeinen Sci-Fi-Mystery-Thriller gesehen hat, sofort weiß, in welche Richtung das hier geht. Was zusätzlich echt schade ist, ist die Tatsache, dass Wildes feministischer Ansatz hinter „Don’t Worry Darling“ nie so richtig greift. Ohne zu spoilern kann ich nur sagen, dass es gerade am Ende ein paar sehr unsinnige Szenen gibt, die man eigentlich anders hätte aufbauen können, um das Finale effektiver zu gestalten.
Es ist dann auch das Finale, mit dem der Film für mich einfach komplett gibt. Denn gerade hier offenbaren sich die tatsächlich interessanten Themen des Films. Hier werden Sachen aufgeworfen, von denen ich mir eher gewünscht hätte, Olivia Wilde würde sie thematisieren. Aber sie ist zu fokussiert auf ihren großen Plottwist… anstatt den gleich voranzustellen und dann die Geschichte zu erzählen, wie es überhaupt dazu gekommen ist. Die Erklärung liefert sie nämlich viel zu oberflächlich, verfehlt viele Chancen hier auf relevante Themen einzugehen und versteckt sich lieber hinter der Schwarz-Weiß-gestalten Welt von Männern und Frauen in den 50er Jahren.
So ist „Don’t Worry Darling“ für mich leider einer dieser „style over substance“-Filme, der fantastisch aussieht, der aber am Ende nichts Interessantes erzählt. Was auch leider daran liegt, dass die Figuren nie so richtig ausgebaut werden. Wie es sich für dieses Victory-Wunderland gehört, sind auch die meisten Charaktere recht oberflächlich. Jetzt könnte man natürlich argumentieren, dass das irgendwo gewollt ist, dass das auch ein Statement über diese Art von „gated community“ sein soll. Die einzigen zwei Charaktere, die wirklich ein bisschen herausstechen, sind Alice und Frank. Florence Pugh macht, was eine Florence Pugh in egal welchem Film macht: Sie ist einfach die Wucht in Tüten und ohne sie würde „Don’t Worry Darling“ gar nicht funktionieren. Pugh spielt die verzweifelte Alice mit so einer Gewalt, mit so viel Gefühl, so viel Leid, so viel Paranoia – es ist einfach nur großartig. Dabei ist es dann fast schon schade, dass man ihr ausgerechnet Harry Styles an die Seite stellt. Weil gegen Pugh stinkt Styles leider komplett ab. Da merkt man richtig, wie sehr er sich bemühen muss, um mit ihr Schritt zu halten… und es am Ende doch nicht schafft.
Chris Pine als Frank ist auch echt stark, aber auch diesen mysteriösen Anführer hätte ich mir inhaltlich etwas mehr ausgebaut gewünscht. Letztendlich ist er für uns einfach nur da, um diese Art Kultfigur zu sein, die alle Männer in Victory vergöttern. Was er jetzt genau mit einem Jordan Peterson zu tun haben soll, habe ich nach dem Film immer noch nicht verstanden, aber gut… das ist Wildes Recht als Regisseurin, sich da ihre eigenen Gedanken zu machen.
Ich hatte mir, das muss ich wirklich gestehen, von „Don’t Worry Darling“ wirklich sehr viel mehr versprochen. Als Mystery-Thriller ist der Film zu vorhersehbar, als Drama ist er leider zu einseitig nur auf Alice konzentriert, als Film zum Nachdenken über das Zusammensein von Männern und Frauen ist er zu platt. Wie schon anfangs gesagt: Es gibt „Black Mirror“-Episoden, die das wirklich alles interessanter und besser verpackt haben.
Wertung: 4 von 10 Punkten (ohne Florence Pugh wäre dieser Film komplett vergessenswert)
Oha den seh ich morgen im Kino – bin mal gespannt 😉
Bin sehr gespannt, was du sagst 😅
Hatte gestern nacht noch direkt nach dem Kinobesuch bei Miss-Booleana kommentiert und kopiere es dir mal hier her :)Komme gerade aus dem Kino und er hat mir deutlich besser gefallen als erwartet. Florence Pugh fand ich großartig. Fühlte mich gut unterhalten, die Darsteller*innen waren gut, die Story war ok für mich – hab wenig zu meckern. Hatte aber auch keinerlei Harry Styles oder andere Fangirls im Publikum.
Ich kannte Harry Styles bisher kaum und habe ihn bislang für einen Sänger gehalten. Habe auch sonst wenig von dem ganzen Klatsch drumherum mitbekommen, hätte jetzt aber gerne einen Martini mit Schirmchen und das hübsche Haus – ich liebe den Midcentury Style…
Ja, das Haus hätte ich auch genommen…
Vielleicht war es auch echt gut, dass du von diesem ganzen Drumherum nichts mitbekommen hast. Wenn man es weiß, zieht man es irgendwie auch ein bisschen in den Film mit rein.
Styles fand ich halt echt mäßig… gerade im Direktvergleich mit Pugh. Die Story fand ich halt zu vorhersehbar und gerade am Ende sind mir da die wirklich interessanten Fragen nicht beantwortet worden.
Yep mehr Antworten hätte ich einerseits auf jeden Fall auch gerne gehabt. Früher hat es mich absolut rasend gemacht, wenn Bücher oder Filme keine gescheite Auflösung hatten. Mittlerweile kann ich mit offeneren Enden oder weniger Erklärung ganz gut leben. Oft macht es Filme interessanter für mich, als tatsächlich eine Erklärung.
Erinnert mich bissl an diesen TED Talk von JJ Abrams:https://www.ted.com/talks/j_j_abrams_the_mystery_box
und ja Styles hat mich darstellerisch auch nicht so überzeugt. Pugh und Pine fand ich großartig.
Oha – für diese Wertung gibt es von mir kein „gefällt mir“. Ich fand den Film ziemlich gut und deutlich besser als ihr lahmes Booksmart.
Zum Thema Style over Substance hatte ich auf dem Fantasy Filmfest ganz andere Kandidaten gesehen (ja, ich meine dich, After Yang!)
🤣🤣🤣🤣 Na gut, dann eben ohne ein Like.
Booksmart kenne ich nicht. Den hier fand ich einfach zu vorhersehbar und es gab einfach zu viele verspielte Chancen, um eine wirklich spannende Geschichte zu erzählen… in meinen Augen zumindest.
Style over substance passiert ja immer gerne mal. Auf dem Fantasy Filmfest habe ich dieses Mal leider nix gesehen. Deswegen weiß ich auch nicht, was After Yang kann oder nicht kann🤣
Ich fand den Film auch eher mäßig. Vieles, was aufgebaut wurde, ergab mit der letztendlichen Auflösung für mich gar keinen Sinn (die Erdbeben?).
Aber: Florence Pugh rockt und endlich war wieder einmal etwas mehr Leben im Kinosaal (normalerweise sitze ich mit höchstens 5 bis 10 Leuten im großen Saal, diesmal waren 3/4 aller Plätze besetzt – woran das wohl liegen mag?).
Alle Harry Styles Fan haben mal wieder nen Grund, ins Kino zu gehen… 😅