Die Hölle der Monroe
Eigentlich wollte ich erst das Buch von Joyce Carol Oates lesen, bevor ich Andrew Dominiks „BLONDE“ gucke. Doch als dieser riesige Wälzer dann per Post kam, dachte ich, ich schaue vielleicht doch erstmal den Film, weil ich viel zu neugierig war. Dann ging es auf einmal los, dass gefühlt alle Nachrichten rund um den Film sich nur darum drehen, dass wieder irgendwer wegen irgendwas im Film superschockiert ist. Der Skandalfilm, der ja schon lange als solcher beworben wurde, schien seinen Zweck zu erfüllen. Und dadurch war meine Neugierde natürlich noch größer. Also lasse ich das Buch erst einmal Buch sein. Der Film hat Vorrang. Nachdem ich das Ganze jetzt gesehen habe, bin ich wirklich sehr gespannt, was Oates aus ihrer fiktiven Marilyn Monroe Biografie gemacht hat, denn meine Güte: „Blonde“ ist anstrengend, schwer zu schauen und dabei erstaunlich nichtssagend. Aber fangen wir vorne an.
Norma Jeane (Ana de Armas) hat es von Anfang an nicht leicht gehabt in ihrem Leben. Ihre Mutter (Julianne Nicholson) gibt der Tochter die Schuld am Verschwinden des Vaters, der angeblich ein großes Tier in Hollywood gewesen. Die Mutter versucht Norma Jeane umzubringen, landet im Krankenhaus und ihre Tochter im Waisenheim. Später, als junge Frau, will sie es in Hollywood schaffen… doch ihre erste Rolle „verdankt“ sie nur der Tatsache, dass der Produzent sie vergewaltigen durfte. Und damit ist dann Normas Leben vorgeschrieben… um das alles durchzustehen, entwickelt sie die Leinwand-Persona Marilyn Monroe, doch in Wirklichkeit ist sie weiterhin die kleine Norma Jeane, die auf der verzweifelten Suche nach ihrem Daddy einfach nur wie ein Stück Fleisch von einem zum anderen gereicht wird.
Eins vorweg: „Blonde“ sieht wirklich toll aus. Andrew Dominik und Kameramann Chayse Irvin liefern tolle Bilder ab. Viele wurden alten Fotos und Aufnahmen von Marilyn Monroe direkt nachempfunden. Viele sehen aus wie kleine wunderschöne Kunstwerke… und doch wirkt selbst das alles sehr überzogen. Der ständige Wechsel zwischen Schwarz-Weiß, Sepia und Farbe kommt halt so, wie es gerade passt. Das Gleiche gilt für den ständigen Wechsel der Seitenverhältnisse. Ich habe irgendwann versucht, ein Schema zu erkennen, konnte aber keines finden, außer das man vielleicht unbedingt auch optisch was hermachen wollte, über das man sich sicherlich in langen Diskussionen auslassen kann, ob es nun nötig war oder nicht. Egal, wie man zu der Thematik steht, die Bilder sind echt schön.
Doch ganz ehrlich: Das war’s dann auch schon. Ich habe mich durch die fast drei Stunden echt gequält, weil ich einfach auch das Gefühl hatte, Andrew Dominik wusste nicht so recht, was er hier für einen Film machen will. Wie gesagt, ich kann nicht sagen, wie akkurat das mit dem Buch von Oates einhergeht, aber mir hat einfach etwas in diesem Film gefehlt. Vor allem das Wichtigste: Was zur Hölle hat Norma Jeane angetrieben immer weiter und weiter zu machen? „Blonde“ will ganz klar zwischen Norma Jeane und Marilyn Monroe unterscheiden, was durchaus ein spannender Ansatz ist… den Andrew Dominik aber leider nie so richtig auskostet. Ich habe weder so richtig die Monroe gesehen noch die Norma Jeane. Stattdessen eine Ana de Armas, die mit großen Rehaugen durch die Sets läuft und alle immer mit „daddy“ anspricht. Es gibt eine Szene im Film, in der dieser Unterschied, diese selbstgemachte Schizophrenie genial durchkommt (und die wurde auch im ersten Teaser zum Film schon gezeigt): Wir sehen eine verzweifelte Norma Jeane, die weint und sich fragt: „Wann kommt sie endlich?“ und alle sagen ihr, sie wäre bald da. Und dann blickt Norma Jeane in den Spiegel und wir sehen das strahlende Lächeln der Marilyn Monroe, die sich von Norma Jeane wegbewegt. Das war großartig. Das war Gänsehaut. Der Rest leider nicht so.
„Blonde“ möchte gerne anprangern, dass Norma Jeane / Marilyn wie ein Stück Fleisch durch Hollywood gezogen und von jedem benutzt wurde. Das ist dann auch der Part, an dem der Film oft sehr unangenehm zu schauen ist. Von der Vergewaltigung über die scheinbare Liebesbeziehung zu Chaplin Jr. (Xavier Samuel) und Eddy Robinson Jr. (Evan Williams) bis hin zu Joe DiMaggio (Bobby Cannavale), Arthur Miller (Adrian Brody) oder eben JFK… einige Male hat man das Gefühl, jetzt hat Norma gefunden, was sie sucht; dann wird sie wieder einfach nur benutzt und weggeworfen. Das ist bitter, weil wir es so mit unserem Monroe-Halbwissen sogar als Wahrheit verstehen können… aber bei all der Qual, die Marilyn hier durchleiden muss, fehlt mir in diesem Film dann doch ihre Sichtweise.
Auch dazu gibt es dann nochmal eine sehr heftige Szene zwischen ihr und JFK, in der der innere Monolog von Norma Jeane alles gibt, was wir brauchen. Aber es sind in drei Stunden dann immer wieder nur diese kurzen Momente, die wirklich reinhauen, die eine starke Sicht auf diese Frau werfen. Für einen Film von diesem Ausmaß, mit dieser Botschaft der Ausnutzung einer Frau durch ein ganzes System steckte mir am Ende viel zu wenig in diesem Werk… irgendeine Note, die mir Marilyn oder Norma Jeane näherbringt. Mir ein Verständnis dafür bringt, warum diese Frau das durchgestanden hat, so lange wie sie konnte.
Ana de Armas spielt und leidet sich hier die Seele aus dem Leib. Kostüme, Sets, Musik – alles transportiert einen gekonnt in diese Zeit zurück. Auf dem Papier sollte das alles funktionieren, aber ich weiß nicht, ob Dominik und Co. nicht zu sehr auf Skandal gesetzt haben (ich meine, wozu brauche ich die ständigen CGI-Embryos, die Marilyn Hollywood „opfern“ muss oder die Einstellungen bei den Abtreibungen, in denen die Kamera aus ihrer Vagina filmt???). Ich bin wirklich gespannt, wie das Buch sein wird… mal schauen, ob Oates der Figur Marilyn / Norma Jeane mehr abgewinnen kann.
Wertung: 4 von 10 Punkten (schwieriger Film, der aber über seine Skandale nicht hinauskommt)
Ich habe selten so wenig Gutes und v.A. von allen so wenig Gutes über einen Film gehört oder gelesen wie über den hier. Dabei bin ich ja eigtl viel gespannter auf Joyce Carol Oates Buch oder irgendein Buch von Joyce Carol Oates. Habe noch nie etwas von ihr gelesen, aber gefühlt läuft mir ihr Name ständig über den Weg.
Mit Blonde werde ich selber wohl nicht anfangen. Solltest du das aber, bin ich sehr gespannt auf deine Eindrücke.
Obwohl es ja auch viele positive Stimmen gibt. Aber denen kann ich mich da echt nicht anschließen.
Und nach diesem Film werde ich definitiv noch das Buch lesen. Hab es ja auch schon im Regal stehen. Außerdem bin ich zu gespannt, wie stark sich Film und Buch gleichen oder unterscheiden.