Marvels Monsterjagd
Marvel will also mal was Neues ausprobieren. Find ich richtig gut… denn gerade Marvel muss langsam mal zeigen, dass sie nicht einfach nur Content rauskotzen, sondern dass sich dahinter auch ein bisschen mehr versteckt. Als der erste Trailer zu „WEREWOLF BY NIGHT“, dem neuen Marvel-Halloween-Special, rauskam, war ich durchaus sehr angetan, kam das Ganze doch in einem dreckigen Schwarz-Weiß-Look daher und erinnerte an die alten 30er Jahre Universal-Monster-Filme. Komponist Michael Giacchino liefert mit dem Werwolf sein Regie-Debüt und liefert uns 55 Minuten, die sich nicht nach Marvel anfühlen, aber auch leider nicht so richtig wie was Vollständiges.
Eine Gruppe von Monsterjägern, darunter auch Jack (Gael Garcia Bernal), werden nach Bloodstone Manor gerufen. Der einstige Herr der Hauses, der legendäre Monsterjäger Ulysses Bloodstone, ist gestorben. Unter den Teilnehmer, die diese Nacht eingeladen wurden, soll nun entschieden werden, wer den magischen Bloodstone tragen und damit einer der mächtigsten Monsterjäger werden darf. Mit dabei ist auch Bloodstones Tochter, Elsa (Laura Donnelly), die schon bald feststellen muss, dass Jack ein Geheimnis hat und nicht wirklich ein Monsterjäger, sondern ein Monster ist.
Das Streaming-Special soll für sich allein stehen. Es ist keine Serie, aber so richtig ist es auch kein Film. Dafür fühlt sich „Werewolf by Night“ dann leider zu sehr wie die Pilotfolge einer Serie an. Die Handlung erklärt nicht sonderlich viel. Es werden einige Namen genannt und dann geht die erste Jagd auch schon los. Wer bzw. was Jack genau ist, erfahren wir selbst erst nach etwa 30 Minuten. Woher die Monsterjäger stammen, was sie ausmacht, wird alles hinten angestellt. Wir können jetzt im großen Spektrum des MCUs vielleicht davon ausgehen, dass sich die ganze Handlung nur in einem anderen Universum abspielt oder aber, dass das halt einfach eine Organisation ist, die in all den MCU-Jahren noch nie so richtig zur Sprache gekommen ist. Es ist halt Comic, da darf man nicht zu viel hinterfragen… und dennoch hinterlässt uns das Special mit sehr, sehr vielen Fragen. Was eben daran liegt, dass sich das Ganze doch zu offen anfühlt. Es ist einfach nur ein kurzer Handlungsstrang, losgelöst von allem, nichtssagend und dennoch zumindest interessant anzuschauen.
Den 30er Jahre Monsterfilm-Look fängt Michael Giacchino nämlich ziemlich gut ein. Das Schwarz-Weiß hätte zwar etwas gröber sein können, aber das wäre vielleicht auch wieder zu viel des Guten gewesen. Giacchino spielt hier und da gekonnt mit Licht und Schatten, Jacks Werwolf-Look erinnert schön an den „Wolfsmensch“ von 1941. Die Musik, die der Regisseur selbst komponiert hat, passt sehr schön zur Handlung. Die Sets, gerade das Gartenlabyrinth, sehen toll aus. Dazu kommt die Tatsache, dass Giacchino auch mal ein bisschen brutaler sein darf. Da wird schon mal ein Arm abgehackt, da werden Menschen zerfleischt oder verbrannt. Es ist halt ein Monster-Film, da ist nicht alles sauber und schön. „Werewolf by Night“ ist jetzt aber auch kein Splatterfest, aber für Marvel-Verhältnisse vielleicht schon.
Der schöne Look kann aber am Ende trotzdem nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Story wirklich sehr dürftig ist. Gael Garcia Bernal bekommt kaum so richtig die Chance, als Schauspieler so richtig aufzutreten. Sein Jack ist halt einfach da. Was ihn bewegt, warum er die Dinge tut, die er tut – keine Ahnung. Wir erfahren so gut wie nichts über ihn, womit er am Ende auch relativ egal ist… und das obwohl er dem Ganzen ja sogar den Titel gibt. Echt schade, aber „Werewolf by Night“ verschwendet hier einen guten Schauspieler, der kaum wirklich was zu tun hat. Das Gleiche gilt für Laura Donnelly als Elsa… auch bei ihr wissen wir vorher genau so viel wie nach dem Abspann. Der ganze Film fühlt sich halt wirklich einfach nur wie ein Zwischenstück an… wie Folge 2 einer Serie, bei der wir Folge 1 verpasst haben, in der aber wichtige Sachen vermittelt wurden.
Ich will jetzt auch nicht sagen, dass man komplett verwirrt vorm Fernseher hockt und gar nichts versteht. So ist es nicht. Die Handlung ist jetzt nicht „Tenet“ oder sowas. Das ist ziemlich gradlinig, aber den Charakteren fehlt Tiefe und die Story ist halt nur ein Stichpunkt („Monsterjagd“). Trotzdem kann man sich „Werewolf by Night“ losgelöst von allem gut anschauen. Es gibt keine Referenzen oder Easter Eggs, die man jetzt wie verrückt analysieren muss. Bleibt für mich trotzdem die Frage, ob es für Jack und Elsa im MCU eine Zukunft geben wird… wenn das jetzt alles gewesen wäre, wäre das wirklich eine große Verschwendung von Potenzial gewesen.
Das Special-Konzept ist ja irgendwie ganz nett, aber dann macht doch lieber endlich mal ordentliche Staffeln a 8 Episoden mit Folgen von knapp einer Stunde Länge. Dann kann man auch genug erzählen. Na mal schauen…
Wertung: 6 von 10 Punkten (weder richtig Film noch Episode – ein nettes Special, das gut aussieht, aber nicht so viel zu erzählen hat)
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