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Der irre Einsiedler

24. November 2014

Ich kenne James Franco, den Schauspieler, der mal in Mainstream-Filmen wie Sam Raimis „Oz“ mitspielt und dann wieder so merkwürdig, denkwürdige Sachen wie „Spring Breakers“ macht. Ich habe von auch von dem James Franco gehört, der minderjährige Mädchen über Instagram angräbt und der merkwürdige Akte von seinem besten Freund Seth Rogen zeichnet. Da muss man sich schon hin und wieder fragen, ob Franco nun einfach nur eine coole Rebellen-Sau ist, der einfach auf alles scheißt oder ob der gute Mann nicht mehr ganz rund läuft… vielleicht ist es ein bisschen was von beidem. Was dann vielleicht auch James Franco, den Regisseur erklären würde, der sich mit „Child of God“ ein Buch von Cormac McCarthy ausgesucht hat, dass schon etwas… anders ist, um es mal vorsichtig auszudrücken.

„Child of God“ erzählt die Geschichte des Einsiedlers Lester Ballard (Scott Haze) in drei Akten. Viel erfahren wir nicht, nur dass der junge Lester mit ansehen musste, wie sich sein Vater umbrachte, dass seine ganze Familie mehr oder weniger Schmarotzer waren und das seine eigene Mutter irgendwann verschwunden ist. Lester bleibt sein Leben lang allein und entwickelt sich zu einem merkwürdigen Einsiedler, der die Wälder von Sevier County in Tennessee unsicher macht…

Er ist so allein…

Ich war, dass muss ich gestehen, sehr, sehr neugierig, wie James Franco hinter der Kamera arbeitet. Und das muss man ihm lassen, „Child of God“ ist ein anstrengender, aber teilweise auch extrem fesselnder Film geworden. Zumindest in den ersten zwei Akten… da porträtiert Franco ohne jede Zwänge dieses Kind Gottes namens Lester Ballard. Franco macht hier vor nichts Halt… allerdings stellt sich die Frage, wie viel von dem Mut man wirklich Franco zuschreiben sollte. Immerhin reden wir hier von einer Romanverfilmung von Cormac McCarthy. Und dass der nun wirklich kein Blatt vor den Mund nimmt, weiß man vielleicht. Aber immerhin scheint Franco dem Autor treu zu bleiben (genau kann ich das nicht sagen, da ich das Buch nicht kenne) und zeigt gerade in den ersten zwei Akten, wie Lester abseits der Gesellschaft sein Leben führt… inklusive recht unschöner Dinge, die er da so in seiner Isolation macht (ich werfe nur vorsichtig das Wort Nekrophilie in den Raum).

Regisseur Franco entführt uns mit tollen Bildern in diese scheinbar unberührten Wälder, in denen dieser von der Gesellschaft ebenfalls fast unberührte Lester lebt. Und mit Scott Haze hat Franco einen Hauptdarsteller gefunden, der keine halben Sachen macht. Was schon damit anfängt, dass man Haze im Original so gut wie gar nicht versteht… der nuschelt und brummt seinen begrenzten Wortschatz dann und wann mal in die Welt hinaus, streitet sich mit seinen gewonnenen Plüschfiguren und rennt halt manchmal einfach total bekloppt und frei durch den Wald. Es gibt Szenen, da könnte man Lester fast beneiden, doch bevor es wirklich dazu kommt, steuert Franco dagegen. Wenn man Minuten lang nur das tierische Grunzen von Lester hört, dann geht einem das irgendwann an die Nieren. Ja, es nervt, aber es tut irgendwie auch weh… denn da wird dieser Mensch vor unseren Augen wirklich mehr und mehr zum Tier, das die Regeln der Gesellschaft nicht wahrnimmt…

Scott Haze ist eine echte Wucht und zum Glück lässt ihm Franco auch freien Lauf. Es ist teilweise wirklich erschreckend, widerlich und anstrengend zugleich, Haze als Lester zu beobachten. „Child of God“ lässt sich da wirklich die Zeit, um uns zu zeigen, wie sich ein Mensch immer weiter und weiter von allem, was wir als „normal“ und „ordentlich“ ansehen, entfernt… schade ist nur, dass Franco im dritten Akt dann aus diesem „Tier“ Lester ein Monster macht. Das ist sicherlich auch getreu dem Buch, aber es kommt so komplett ohne wirkliche Erklärung. Lesters Greueltaten müssen wir einfach hinnehmen, ohne das wir je einen wirklichen Grund dafür bekommen. Gut, vielleicht soll das auch genau so… und im Buch mag das alles funktionieren. Im Film selbst wirkt das ein wenig rangehängt… nach dem Motto: „Jetzt sind wir eine Stunde durch den Wald gerannt und brauchen jetzt noch ein interessantes Ende!“

Trotzdem ist „Child of God“ eine packende Charakterstudie über ein Tier namens Mensch geworden und James Franco ist in meinem Ansehen doch noch ein wenig gestiegen. „Child of God“ ist kompromisslos und wie ein Schlag in den Magen… genauso stelle ich mir eine Cormac McCarthy-Verfilmung vor (und kann dabei endlich getrost „The Counselor“ vergessen)

Wertung: 7 von 10 Punkten (ein irrer Einsiedler verfilmt von einem möglicherweise auch leicht irren James Franco…)

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