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Filmreise Etappe #39: Wandern zur Selbstfindung

17. Juli 2020

Filme, in denen Menschen auf der Suche nach sich selbst, aus ihrem gewohnten Umfeld ausbrechen und etwas ganz Neues ausprobieren, faszinieren mich jedes Mal aufs Neue. Das ist so die Ersatzfunktion des „Es-selber-machens“. Ich hätte nie den Mut, auszubrechen, aber durchaus oft genug den Wunsch dazu, es einfach selber zu machen. Da reichen dann solche Filme meist schon irgendwie aus, um diesen geheimen Wunsch ein bisschen „ausleben“ zu können – und wenn es halt nur durch Schauspieler ist. Das Gruselige daran ist dann wiederum aber auch, dass gerade die Filme, die auf wahren Begebenheiten beruhen, eigentlich selten gut anfangen oder enden. „Into the Wild“ ist ein toller Film, der mich immer dazu reizt, endlich auch mal so ein Ausbrecher zu werden, off the grid zu gehen, wie es so schön neudeutsch heißt. Doch am Ende stirbt der Typ einsam und allein irgendwo im Nirgendwo… und das kann es doch auch nicht sein, oder??? Dieser Film romantisiert das Ausbrechen, haut uns dann aber am Ende voll ins Gesicht und sagt: „Naja, ganz so geil ist es vielleicht doch nicht!“

Warum ich jetzt so viel über das alles schreibe? Weil ich in der Filmreise (darf das meine Art der Selbstfindungs-Wanderung sein???) jetzt beim Film übers Wandern angekommen bin und mich Reese Witherspoon angeschlossen habe: In „Der große Trip – Wild“ (oder einfach nur „Wild“) spielt sie Cheryl Strayed. Die entschließt sich, 1600 Kilometer auf dem Pacific Crest Trail zu wandern. Nicht einfach nur so, sondern um ihr Leben zu verarbeiten: Vor allem den Tod ihrer heißgeliebten Mutter (Laura Dern), der sie so kaputt gemacht hat, dass sie Trost im Sex mit fremden Männern suchte (was zur Scheidung mit ihrem Mann führte) und im Rausch der Drogen. Jetzt wandert sie allein einen langen Weg und findet dabei zu sich selbst.

Regisseur Jean-Marc Vallée ist mir tatsächlich kein Unbekannter, obwohl ich vorher gar nicht wusste, dass ich schon mehr als einen Film von ihm gesehen habe… und offensichtlich interessiert sich dieser Mann wirklich sehr dafür, uns Menschen zu zeigen, die gegen sich selbst kämpfen. Mit „Dallas Buyers Club“, „Demolition“ und jetzt „Wild“ nimmt uns Vallée mit auf eine Reise in die Psyche seiner Charaktere. „Wild“ sticht dabei zumindest optisch stark heraus.

Im Vordergrund steht hier wirklich das Wandern… und Reese Witherspoon und ihr riesiger Rucksack spiegeln schon mal irgendwie genau das wieder, wie ich wohl wandern gehen würde: mit viel zu viel Kram, den man am Ende nicht braucht. „Wild“ nimmt uns wirklich auf einen großen Trip mit und macht – trotz aller Strapazen, die das Wandern mit sich bringt – enorm viel Lust auf genau so einen Trip. In diesem Sinne hat der Film einfach alles richtig gemacht. Wir erleben die wilde Natur aus der Komfortzone Sofa, die Kamera ergötzt sich an der Natur und wir mit ihr. Die Landschaftsaufnahmen sind einfach nur toll. Dieser Pacific Crest Trail hat aber auch gefühlt alles zu bieten, was man sich vorstellen kann: Wüste, Wald, Berge, Flüsse und was nicht noch alles. Cheryl wird von Wind und Wetter geplagt, die Nächte sind dunkel, liefern aber einen atemberaubenden Sternenhimmel, die Tage anstrengend, aber auch wunderbar – gerade wegen der Natur, durch die uns der Film bringt.

Reese Witherspoon ist dabei unser Anker in diesem Film. Um sie dreht sich alles… und dabei fährt Regisseur Vallée gekonnt zweigleisig. Zum einen erleben wir Witherspoon als unerfahrene Wanderin, die alleine klarkommen ist. Dabei deutet der Film die vielen Probleme und Gefahren an… zu viel Gepäck, unheimliche Begegnungen mit zwielichtigen Typen, unwirtliches Wetter, zu wenig Essen – das Übliche halt. Was das alleinige Wandern einer Frau anbelangt, macht Vallée nur Andeutungen, Andeutungen, die aber mit Sicherheit nicht von ungefähr kommen… und Cheryl hier und da in echt unangenehme Situationen mit Männern führt.

Auf der anderen Seite gibt es immer wieder Rückblenden, durch die wir Cheryls bisheriges Leben aufschlüsseln können. Hier darf Witherspoon dann mal nicht wandern, sondern zeigen, dass sie auch eine tolle Schauspielerin ist (zusammen mit Laura Dern).

Ich gestehe, ich bin doch unerwarteter Weise recht begeistert von „Wild“. Der Teil mit dem Wandern hat mich total angefixt, der ganze Drama-Teil ist wirklich gut und packend, die Natur erledigt den Rest. Dieser Film macht wirklich Lust auf Wandern…

Wertung: 8 von 10 Punkten (Reese Witherspoons packender Guide zum Wandern)

4 Kommentare leave one →
  1. 17. Juli 2020 07:23

    Den Film habe ich ganz ähnlich positiv wahrgenommen. Hat bei mir auch Wanderlust ausgelöst. Toll gespielt und famose Bilder. Dass es eine wahre Geschichte ist, hat es für mich noch eindringlicher gemacht (auch hier gibt es ein paar Dokus zu).

    Ein anderer Wanderfilm, den ich sehr mochte ist „The Way“ mit Martin Sheen.

    • donpozuelo permalink*
      17. Juli 2020 07:50

      Der Film macht wirklich Lust auf Wandern. Aber ich würde es nicht alleine machen wollen 😅

      Ja, die wahre Geschichte dahinter macht es schon nochmal packender. Aber das war ja auch schon bei diesem „Into the Wild“ so…

      Danke für den Tipp mit „The Way“. Werde ich mir mal merken

  2. 8. August 2020 11:28

    Und warst du seitdem mal wandern? 🙂
    Den Film mochte ich auch sehr, aber er hat mich gelehrt, wenn ich mir doch mal „richtige“ Wanderschuhe kaufe, die auch vorher einzulaufen …

    • donpozuelo permalink*
      8. August 2020 21:26

      Nein. Leider nicht. Habe nur längere Spaziergänge gemacht. Wandern kann man das aber nicht nennen.

      Und ja, das mit dem Schuhe einlaufen habe ich damals bei der Bundeswehr gelernt 😅

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