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Warcrawler

24. April 2024

Als die ersten Trailer zu Alex Garlands „CIVIL WAR“ rauskamen, war ich nicht sonderlich angetan. Ich hatte das Gefühl, dass wir jetzt einen politisch sehr aufgeheizten Film zu einer politisch sehr aufgeheizten Lage bekommen – nicht zuletzt auch wegen der kommenden Präsidentschaftswahlen in den USA, wo ein gewisser Möchtegernschauspieler, der in „Kevin allein zuhause 2“ dem kleinen Kevin im Hotel den Weg wies, auch wieder antritt. Eben diesem Mann haben wir ja schon teils gruselige Bilder zu verdanken, wenn man nur an den Sturm auf das Kapitol denkt… und nun einen Film über einen erneuten, modernen Bürgerkrieg in den USA zu bringen, war mir ehrlich gesagt erstmal suspekt. Jetzt war ich aber in „CIVIL WAR“ – und war dann doch erstaunt, wie gut es Garland schafft, immer wieder einen neutralen Mittelweg zu finden. Was aber auch daran liegt, dass im Fokus eigentlich etwas ganz anderes steht.

Die USA in einer nicht allzu entfernten Zukunft: In den USA herrscht ein Bürgerkrieg. Der Präsident (Nick Offerman) ist zuversichtlich, dass seine Truppen eine baldige Kapitulation der Western Forces, einem Zusammenschluss von Texas und Kalifornien, durchbringen kann. Währenddessen versucht die Kriegsfotografin Lee Smith (Kirsten Dunst) mit ihrem Kollegen, dem Journalisten Joel (Wagner Moura), nach Washington D.C. zu gelangen… denn Joel will den Präsidenten interviewen. Im Schlepptau haben die Beiden die junge Jessie (Cailee Spaeny), die unbedingt in Lees Fußstapfen treten möchte und Sammy (Stephen McKinley Henderson), Lees einstiger Mentor. Der Weg nach D.C. liefert uns dabei ein Bild, wie unterschiedlich im Land mit dem Bürgerkrieg umgegangen wird.

Es ist schon ein bisschen John Conrads „Herz der Finsternis“, der Roman, der auch „Apocalypse Now“ von Coppola inspirierte, was Alex Garland uns hier präsentiert. „Civil War“ ist mehr ein Road-Movie durch ein vom Krieg zerrüttetes Amerika, in dem wir auf den verschiedenen Etappen unterschiedliche Leute kennenlernen. Deutlich wird dabei vor allem eins: Wer hier gegen wen und vor allem warum kämpft, ist schon längst nur noch eine schwammige Erinnerung in den Köpfen der Menschen. Wenn Lee und ihre Truppe zwei Soldaten trifft, die einen Scharfschützen umbringen wollen, sagen die es eigentlich ganz passend: „Der hat ne Waffe und will uns töten, also versuchen wir, ihn zu töten!“ Garland stellt jetzt nicht Republikaner oder Demokraten irgendwie in ein gutes oder schlechtes Bild, im Gegenteil – was das angeht, ist „Civil War“ erstaunlich unpolitisch: Der Krieg und seine Politik ist schon vorhanden, aber wer hier wirklich Freund und wer Feind ist, ist nie so wirklich eindeutig. Womit ich wieder zu dem „Apocalypse Now“-Thema komme: Garlands Reise durch den Bürgerkrieg zeigt uns einfach nur, wie kaputt das alles ist und wie kaputt die Menschen dadurch werden. Einige versuchen das Geschehen zu ignorieren, die anderen gehen voll darin auf, aber eigentlich haben sie alle den Sinn oder Unsinn hinter diesem Krieg vergessen. Es ist einfach ihr Leben geworden, und daraus versuchen sie, das Beste zu machen.

Das ist quasi die Grundlage für diesen Road-Trip, in dem vor allem Lee Smith und das Thema der Kriegsberichterstattung im Mittelpunkt steht. Es erinnert alles ein bisschen an „Nightcrawler“ mit Jake Gyllenhaal: Egal, wie gefährlich die Situation, das perfekte Bild geht vor. Ob Leute gerade im Sterben liegen oder andere foltern, Lee und ihre Kamera sind da – dokumentieren, damit – wie sie selbst sagt – andere dann die Fragen stellen können (eins sei gleich gesagt: Der Vergleich mit „Nightcrawler“ hinkt natürlich dann doch ein bisschen, weil Lee und Co. nie selbst was inszenieren, um die Bilder noch krasser zu machen).

Kirsten Dunst spielt diese scheinbar schon so harte und abgebrühte Lee wirklich unglaublich gut, das Drehbuch erlaubt ihr zwischendurch auch immer mal wieder, zu zeigen, was hinter der harten Schale schlummert – und es wird klar, dass sie doch darunter leidet. Helfen oder das Foto machen, dass einen am Ende berühmt macht. Das moralische Dilemma der Kriegsberichterstattung wird dann auch zusätzlich sehr schön durch Jessie gezeigt, die einem schönen Traum nachjagt und dann feststellen muss, wie brutal und eklig dieses Geschäft mit dem Krieg doch ist. Aber gerade auch diese Mentoren-Beziehung zu Lee lässt selbst Jessie an ihren selbstgewählten Aufgabe wachsen.

Dunst und Spaeny sind super, Wagner Moura ist auch echt toll als selbstsicherer Journalist und Stephen McKinley Henderson ist die Stimme der Vernunft, auf die aber keiner hört, weil das Interview mit dem Präsidenten einfach ein zu wichtiger Meilenstein in der Karriere aller Beteiligten ist.

Neben der ganzen menschlichen Ebene ist „Civil War“ aber auch einfach nur als Film eine echte Wucht. Garland und Kamera-Mann Rob Hardy finden extreme Bilder, authentische Bilder, brutale Kampfhandlungen, eklige Selbstjustiz. Mob-Mentalität und Krieg fühlen sich hier teilweise an, als würde man gerade die Nachrichten anmachen. Gleichzeitig erlaubt Garland uns und seinen Darstellern zwischendurch auch mal ruhige Momente, die man wirklich braucht. Doch dann knallt wieder irgendwo ein Schuss – und alles ist vorbei. Das Sound-Design in diesem Film sorgt hier für einige Aufschrecker, den Rest erledigt Garland so.

„Civil War“ ist ein bildgewaltiger und emotionaler Film, der zum Ende ein bisschen zu sehr im Chaos versinkt und dann auch ein paar charakterliche Entscheidungen trifft, die zwar vorhersehbar sind, aber nicht unbedingt clever inszeniert sind… aber das nenne ich jetzt mal „Meckern auf hohem Niveau“. Auf jeden Fall aber ist das ein erstaunlicher Film, der es schafft, kein Lager zu verurteilen, aber das jedes Lager (welches es auch sein möge) für sich interpretieren und „nutzen“ kann.

Wertung: 8 von 10 Punkten („Apocalypse Now“ trifft auf „Nightcrawler“)

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