Zum Inhalt springen

Die vier blauäugigen Teufel

6. Dezember 2023

Über Drehbuchautor Michael Green werden wir in Zukunft wahrscheinlich noch häufiger sprechen. Er ist ja der Mann, der uns „Logan“ gegeben hat, der auch das Drehbuch für „Blade Runner 2049“ schrieb, aber eben auch so Sachen wie „Green Lantern“ (obwohl ICH ihm das nicht anrechne, weil ich zu den Wenigen gehöre, die den Film tatsächlich mögen). Im Augenblick werkelt Green daran, „Blade“ doch wieder MCU tauglich zu machen, nachdem man da alles gestoppt und wieder von vorne angefangen hat. Green hat also ordentlich zu tun… sich dann aber doch die Zeit genommen, mal eben eine der besten Netflix-Serien des Jahres zu produzieren, die er gemeinsam mit seiner Frau Amber Noizumi komplett selbst geschrieben hat: „BLUE EYE SAMURAI“.

Japan, während der Edo-Ära. Das Land hat sich komplett verschlossen. Alle westlichen Besucher wurden des Landes verwiesen. Alles, was nur nach ihnen aussieht, wird verteufelt. Darunter hat die junge Mizu (Maya Erskine) ihr Leben lang zu leiden: Sie ist nämlich von einem weißen Vater gezeugt wurden. Ihre blauen Augen stempeln sie damit zu einem Teufel ab, zu einem Dämon, mit dem niemand etwas zu tun haben will. Als Kind wird sie versteckt gehalten, als ihre Mutter stirbt, schwört Mizu blutige Rache an den vier Männern, die als ihr Vater in Frage kommen würden. Ausgebildet wird Mizu von dem blinden Schmied Meister Eji (Cary-Hiroyuki Tagawa). Als Mizu dann endlich alt genug ist und ein Schwert ihr Eigen nennt, macht sie sich auf den Weg, um die vier blauäugigen Teufel zu finden – gerät dabei an Ringo (Masi Oka), der ihr Schüler werden möchte und an Taigen (Darren Barnet), der sie einst als Kind gemobbt hat und sie jetzt töten möchte, weil sie seine Heirat mit Prinzessin Akemi (Brenda Song) verhindert hat – die daraufhin noch ihre ganz eigene Reise antreten muss.

Eine Sache, die ich noch nicht erwähnt habe: „Blue Eye Samurai“ ist eine Animationsserie, aber kein Anime – auch wenn das Thema und der Look das vermuten lassen könnten. Michael Green ist aber Amerikaner und das Studio hinter der Animation ist Blue Spirit, ein französisches Studio. Damit ist „Blue Eye Samurai“ per Definition kein Anime, weil eben nicht in Japan produziert. Diese kleine Sache nur mal vorweg, was dann sogar einige Nicht-Anime-Fans in meinem Umfeld davon überzeugen konnte, der Serie eine Chance zu geben.

Und eine Chance hat „Blue Eye Samurai“ aber sowas von verdient, denn es ist wirklich die BESTE Serie, die Netflix dieses Jahr rausgebracht hat. Fangen wir nur mal mit der Story an: Die ist emotional, die ist aufregend und von Anfang bis Ende einfach nur spannend. Vor allem, weil Green sie aus mehreren Perspektiven erzählt. Wir erfahren in Rückblenden immer wieder mal etwas über Mizus Vergangenheit und wie schwer es für sie schon als Kind gewesen ist, in dieser Welt, die sie als Teufel betrachtet, aufzuwachsen. Dann haben wir ihre epische Rachereise, die sie einmal quer durchs ganze Land reisen lässt, sie unterschiedliche Figuren kennenlernt und dabei einen großen Plot gegen den Shogun aufdeckt. Aber damit immer noch nicht genug: Mizus Geschichte wird erweitert durch die Geschichte von Akemi, die zwangsverheiratet werden soll, sich dagegen wehrt, in einem Bordell landet und so weiter und so fort.

Durch die Geschichten dieser beiden Frauen gibt uns Green ein Gesellschaftsbild Japans im 17. Jahrhundert, das sehr tiefgründig ist und uns die verschiedenen Blickwinkel gibt: Was natürlich dadurch spannend gemacht wird, dass Mizu sich als Mann ausgibt, um überhaupt ungestört allein durchs Land reisen zu können, während eine Akemi ihre Willensstärke erst durch das Leid erlernt, dass sie und andere Frauen in dieser Zeit erleben müssen.

Dazu haben wir mit Mizu eine Schwertkämpferin, die uns einige der aufregendsten Kampfsequenzen abliefert, die man dieses Jahr zu Gesicht bekommen kann. Wie präzise und wild die Action inszeniert wird, ist wirklich atemberaubend. Es gibt einen Kampf vor einer Festung, in der wir einen der verrücktesten One-Takes bekommen, der natürlich nur im Animationsbereich möglich ist, aber selbst hier noch verdammt beeindruckend wirkt. Was die Kämpfe in „Blue Eye Samurai“ angeht, wird man als Samurai-Fan voll abgeholt: Die sind schonungslos, brutal, aber haben auch eine inhärente Schönheit, weil sie eben gut durchdacht und toll inszeniert sind. Es geht nicht darum, einfach nur brutales Geschnetzel zu zeigen, sondern auch zu zeigen, wie gut Mizu wirklich ist.

Story und Action gehen also schon einmal perfekt Hand in Hand… und dann hätten wir da noch das Visuelle: Einfach nur toll. Die Bilder, die uns Blue Spirit liefert, sind wirklich einfach nur wunderschön. Anders kann ich es nicht sagen. „Blue Eye Samurai“ sieht wunderschön aus. Die unterschiedlichen Landschaften, die Tempel, die Paläste, die kleinen Dörfer, die Kostüme – alles ist mit so viel Liebe zum Detail gemacht, mit so einer Farbenpracht. Da kann man sich nicht satt sehen.

Um das noch zu verfeinern, gibt es im Original einen wirklich tollen Sprecher-Cast, der diesen Figuren nochmal mehr Tiefe gibt. Und das war’s… grandiose Serie, die man wirklich gesehen haben muss. Tolle Geschichte, tolle Figuren, tolle Action, toller Look. Es ist wirklich die beste Netflix-Serie von 2023. Und ich hoffe, das nach dem Finale eine zweite Staffel bald mal bestätigt wird.

Wertung: 10 von 10 Punkten (absolute Pflicht für alle Fans von toller Animation)

5 Kommentare leave one →
  1. 23. Dezember 2023 19:06

    Muss mich noch selber von der Serie überzeugen. Vom Trailer her hat es mich gar nicht so übermäßig gepackt. In den Ring um den Titel beste Animationsserie würde ich noch „Pluto“ in den Ring schicken. Du kennst ja schon seine Anime-Adaption „Monster“ – das ist eine Adaption vom selben Mangazeichner.

    Bei dem Titel beste Netflix-Serie 2023 …. hmmm – also war es für dich besser als „House of Usher“ und „Copenhagen Cowboy“? Usher mochte ich ja nicht so, aber Copenhagen Cowboy schon.

    • donpozuelo permalink*
      24. Dezember 2023 12:53

      Ja, die Serie ist super. Die Story, die Figuren, alles echt stark. Und ja, an „Pluto“ bin ich gerade dran.

Trackbacks

  1. 2023 | Going To The Movies
  2. Random Sunday #133: BioShock 1 | Going To The Movies
  3. Anjin-sama | Going To The Movies

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..