Menschlich sein oder nicht sein…
Wer braucht denn bitte eine Fortsetzung zu „Blade Runner“? 25 Jahre nachdem der heutige Klassiker in den Kinos angelaufen ist? Ist doch vollkommener Schwachsinn. So in etwa war meine erste Reaktion auf die Pläne, „Blade Runner“ ein Sequel zu verpassen. Doch dann kamen die ersten Art Designs raus, dann wurde bekannt, dass Denis Villeneuve Regie führen würde und und und. Die Zeichen standen also nicht schlecht, dass „Blade Runner 2049“ – wie das Sequel dann heißen sollte – doch nicht so beschissen werden könnte. Doch zum Kinostart habe ich es einfach nicht ins Kino geschafft… erst zur letzten 22:15-Vorstellung kurz vor Weihnachten letztes Jahr konnte ich dann doch noch Zeit finden, mir den fehlenden Film für meinen Jahresrückblick anzuschauen – tja, Spoiler-Alarm (für alle, die meinen Jahresrückblick nicht gelesen haben): „Blade Runner 2049“ ist mein Lieblingsfilm für 2017 geworden. Ein grandioser Film…
L.A. hat sich in 30 Jahren ordentlich verändert. Seit 2019 (die Zeit, in der das Original spielte) ist einiges passiert – nur der Job des Blade Runners existiert auch weiterhin. K (Ryan Gosling) ist ein Replikant, der abtrünnige Replikanten jagt. Dabei stößt er jedoch auf ein scheinbar unglaubliches Geheimnis – ein Geheimnis, für das der Schöpfer der neuen Replikanten, Niander Wallace (Jared Leto), über Leichen geht. K erhofft sich Unterstützung von Rick Deckard (Harrison Ford), dem alten Blade Runner. Doch den muss er erst einmal finden…

Greller ging’s nicht.
Was soll ich sagen? Denis Villeneuve hat all meine Zweifel mit den ersten Einstellungen festgepustet. Er schafft die perfekte Gratwanderung zwischen Hommage und komplett neuem Film. Als Fan von „Blade Runner“ entdeckt man unglaublich viel, was an den alten Klassiker erinnert: Villeneuve verneigt sich würdevoll, in dem er alte Designs aufleben lässt, alte Darsteller auftauchen lässt oder die Musik so komponieren lässt, dass man meinen möchte, Vangelis hätten hier auch noch ihre Finger im Spiel gehabt. Gleichzeitig erschafft er aber auch seine ganz eigene Welt und erzählt seine eigene Geschichte.
Es ist nicht einfach bloss „Oh, es gibt jetzt noch bessere Replikanten, die getötet werden müssen!“ Nein, Villeneuve geht noch ein wenig tiefer in die Materie und stellt – wie schon einst Philip K. Dick und Ridley Scott vor ihm – die Frage, was macht einen Menschen aus und könnte eine Maschine menschlich werden? Dabei muss ich ganz ehrlich sagen, finde ich „Blade Runner 2049“ noch etwas stärker in seinen Fragestellungen als das Original – weil Villeneuve die Geschichte auch noch etwas persönlicher macht (und dabei auch erstaunlich eng an Scotts Original bindet, womit ich wirklich nicht gerechnet hätte).
Neben der Verneigung vor dem Original und einer wirklich originellen Geschichte, die eben nicht nur ödes Sequel-Futter bietet, sieht „Blade Runner 2049“ einfach fantastisch aus. Roger Deakins liefert Bilder ab, die in dem Design dieser Sci-Fi-Welt schwelgt. Der ganze Film ist wie ein feuchter Traum für Design-Studenten und Architekten. Dazu knüpft „Blade Runner 2049“ an das Film Noir seines Vorgängers an, spielt gekonnt mit Licht und Schatten und lässt die Welt oft in Dunkelheit und Regen versinken. Doch Deakins und Villeneuve finden auch lichte Momente, die einen fast schon blenden. Jedes einzelne Bild könnte man sich als Kunst an die Wand hängen, denn nicht weniger ist den beiden Filmemachern hier geglückt: Feinste Sci-Fi-Kunst.
Diese Welt zieht einen unaufhaltsam in seinen Bann. Mit drei Stunden ist „Blade Runner 2049“ auf den ersten Blick furchtbar lang und dazu kommt, dass Villeneuve in sehr gediegener Form seinen Film erzählt. Er lässt Szenen lange und ruhig ausspielen, selbst Action-Sequenzen spielen etwas ruhiger als man es vielleicht gewohnt ist. Und dennoch trifft Villeneuve genau den richtigen Ton, hat das perfekte Timing und lässt seine Zuschauer wie hypnotisiert zurück. Man will sich nicht umsehen, man will sich an diesen Bildern einfach nur satt sehen. Man will wissen, wie es mit K weitergeht, man will in der Welt von „Blade Runner 2049“ gefangen bleiben. In den Bildern und der Musik schwelgen und nicht mehr loslassen – ging mir zumindest so. Von mir aus hätte dieser Film auch noch ewig weitergehen können.
Dazu kommt ein Ryan Goslin, der seine Rolle als stoischer Replikanten-Jäger wirklich gut macht. Harrison Ford kehrt würdig zur Rolle des Deckards zurück und stellt mit seiner Rückkehr die Theorie ein wenig auf den Kopf, dass Deckard vielleicht doch ein Replikant sein könnte. Allerdings bleibt diese Theorie spannend – gerade nach diesem Film. Aber auch der Rest der Darsteller kann überzeugen – Villeneuve gelingt das perfekte Zusammenspiel aus Optik, Geschichte, Musik und Darstellern. Und erzählt dabei eine eigenständige, spannende Geschichte, die dem Original mehr als nur würdig ist (und, so meine bescheidene Meinung, das Original sogar ein kleines bisschen übertrumpft).
Wertung: 10 von 10 Punkten (dieser Film ist ein Fest für Augen, Ohren und Hirn)
Freut mich, dass dir der Film so gut gefallen hat. Ich war auch ziemlich begeistert, sehe aber das Original noch weiter vorne, speziell wegen Rutger Hauer. 2049 hatte keinen so wirklich großartigen Gegenspieler, finde ich.
Rutger Hauer war schon gut. Aber ich muss einfach sagen, dass ich einen Gegenspieler hier gar nicht vermisst habe. Ich mochte Ks Suche nach Antworten auch ohne direkten Bösewicht.