Zum Inhalt springen

Brennende Schweine und Liebe

20. Mai 2024

Unter zahlreichen meiner Kollegen wird Christian Petzold wirklich geliebt. Der Mann bringt einen Film raus und ich weiß, dass sehr viele da dann sehr glücklich sind. Ich kenne mich mit Petzold und seiner Filmografie überhaupt nicht aus. Vor ein paar Jahren hatte ich Erstkontakt mit „Undine“, aber der Film konnte mich nicht so ganz überzeugen. Jetzt habe ich mir endlich mal „ROTER HIMMEL“ vom letzten Jahr angeschaut. Auch dieser Film wurde von den schon erwähnten Kollegen förmlich in den Himmel gelobt, gleichzeitig gab’s dann noch den großen Jurypreis der Berlinale und noch einige andere Preise. Also ein guter Film, richtig? Wenn ich meine Kollegen fragen würde, würde ein „Ja“ kommen. Wenn man mich jetzt fragt, kommt leider ein „Nein“.

Leon (Thomas Schubert) und Felix (Langston Uibel) wollen auf Fischland Darß im Ferienhaus von Felix‘ Vater ein wenig das Meer genießen… und auch arbeiten. Leon muss endlich seinen zweiten Roman fertigstellen, Felix seine Bewerbungsmappe für die Kunsthochschule. Als die Beiden aber ankommen, gibt es gleich mehrere Probleme: zum einen wütet ein Waldbrand, zum anderen wohnt in dem Haus auch noch Nadja (Paula Beer), die Leon um den Schlaf bringt (wegen ihrer nächtlichen Sex-Eskapaden) und auch um den Verstand (weil er sich in sie verliebt).

Ja… das ist „Roter Himmel“ in Kurzfassung. Hätte ein bisschen „Call me by your name“ fürs deutsche Kino sein können, wobei ich damit hauptsächlich diesen Urlaubsflair meine. Nach „Call me by your name“ hatte ich Bock auf Italien im Sommer, Rumliegen am Pool, kleine Städte entdecken, Rad fahren, Espresso schlürfen. Nach „Roter Himmel“ habe ich nicht gerade Bock auf Urlaub in Meck-Pomm, und ich komme von da und weiß, wie schön man eigentlich die Gegend rund um Fischland Darß hätte einfangen können. Aber daran ist Petzold offensichtlich nicht interessiert. Scheiß auf die Gegend, scheiß auf Strand, Leon muss schreiben und kann nicht…

Deswegen spielt sich vieles in dem kleinen Häuschen ab: Nadja vögelt und wenn sie nicht vögelt, dann pfeift sie oder fährt Rad. Leon muss schreiben, kommt aber zu nix, sitzt im Garten und starrt auf seinen Computer. Und das läuft dann so knapp 100 Minuten so. Zwischendurch ist Leon sauer auf einen Typen, obwohl er eigentlich mehr sauer auf Nadja ist, weil die ihn nicht so richtig beachtet, obwohl er (Leon) eigentlich auch nichts dafür tut, um beachtet zu werden. Irgendwann gingen mir diese Figuren einfach sehr auf den Keks. Leon ist ein Arschloch und einfach auch zu blöd, mal das Maul aufzumachen. Als Hauptfigur fand ich ihn einfach nur noch anstrengend. Nadja war mir zu blass, um überhaupt irgendwas mit ihr anfangen zu können – und gerade bei ihr habe ich mich dann auch gefragt, wie merkwürdig Petzold die Figur denn noch schreiben möchte. Am Ende des Films macht sie große Offenbarungen über sich, die einfach auch so albern und konstruiert daherkommen. Kommunikation ist das Stichwort, aber kommunizieren kann in diesem Film niemand so richtig.

Vermutlich ist das auch das, was Petzold hier erreichen möchte, aber ich fand’s nie gut genug ausgebaut. Zumal ich auch gestehen muss, dass ich die Dialoge teilweise so hölzern fand, dass ich mich schon gefragt habe, ob Petzold mal echte Menschen sprechen gehört hat. Das wirkte teils so surreal, teils so laienhaft, dass es mich immer wieder aus dem Film gerissen hat… zumal ich von der locker-leichten Story, die „Roter Himmel“ irgendwie sein möchte, eh nicht so angezogen wurde. Die Figuren sind oberflächliche Abziehbilder, keiner von denen hat wirklich Tiefgang. Dabei ist die Idee hinter „Roter Himmel“ auf dem Papier sicherlich interessant… der Autor mit Komplexen, der selbst seinem besten Freund den möglichen Erfolg seiner Idee nicht gönnt, der – obwohl „Meister der Worte“ – es nicht schafft, klar zu reden. Eine Zwangsgemeinschaft vor dem Hintergrund einer Naturkatastrophe. Das hätte sich alles grandios aufschaukeln können, aber „Roter Himmel“ plätschert müde vor sich hin. Selbst in den emotionalen Momenten kommt kaum Gefühl auf, die Komik (von der ich im Vorfeld so viel gehört habe) kam bei mir nicht an… ich muss leider echt sagen: Film Nr. 2 von Petzold (also den ich gesehen habe) macht es mir nicht gerade leicht, mich noch für einen dritten Film von ihm zu begeistern.

Wertung: 3 von 10 Punkten (leider absolut nicht meins)

One Comment leave one →
  1. 27. Mai 2024 15:49

    Oh je. Du kannst dich nicht für Petzold begeistern? Geht ja gar nicht! 😉

    Aber ich kann es ein Stück weit nachvollziehen. Petzolds Werke umweht immer ein wenig der Hauch des Nichtssagenden, weil das, was gesagt werden soll, in Bildern, Gestiken und Mimiken versteckt wird. Dazu kommt immer eine ‚fantastische‘ Komponente, also irgendwie ein Element, dass surreal erscheint, obwohl es sich geschmeidig ins Reale einfügt. Es ist wahrscheinlich dieses melancholische, oberflächliche Dahinfließen in matt weichen Bildern, dass mir und viele andere an Petzolds Werken gefällt. Was aber auch häufig viele abschreckt. Ich bin auch größerer Fan seiner älteren Filme, mit seiner vorherigen Muse Nina Hoss (Paula Beer ist ja die Neue). Falls du also doch noch einen Versuch wagen willst, nimm entweder „Yella“ oder „Gespenster“ (nicht mit Frau Hoss, aber mit einer fantastischen Julia Hummer in der Hauptrolle). Seine Gespenster-Trilogie (neben den beiden genannten gehört noch „Die innere Sicherheit“ dazu) ist eh immer noch das beste von ihm.

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..