Filmreise Etappe #66: Der große Gunther
Mit dieser letzten Buchverfilmungskategorie hatte ich so meine lieben Schwierigkeiten. Ein Werk der deutschen Klassik oder Romantik. Beides so literarische Zeitepochen, mit denen ich mich persönlich nicht sonderlich gut auskenne… und ich auch lange hin und her überlegt habe, was ich da nun für einen Film nehmen sollte. Irgendwann war ich der Verzweiflung nahe und dachte, ich schummele einfach. Also wollte ich mir die Verfilmung von „Gut gegen Nordwind“ anschauen. Leider gab es den Film bei prime nicht zum Ausleihen, weswegen ich wieder zurückgerudert bin. Daraufhin durchwälzte ich dann online Listen um Listen, um eine interessante letzte Buchverfilmung zu finden, die dem Zeitraum der Romantik oder Klassik noch entsprechen könnte. So stieß ich dann auf die Sage der Undine… und entschied mich dann einfach für Christian Petzolds Film „Undine“. Somit beschert mir dann die Filmreise auch eine weitere Premiere: nämlich meinen ersten Christian Petzold Film.
Die promovierte Historikerin Undine (Paula Beer) arbeitet für die Senatsverwaltung Berlin und erzählt Gästen von der Historie Berlins und dem Städtebau. Als ihr Freund Johannes (Jacob Matschenz) mit ihr Schluss macht, offenbart Undine eine düstere Seite: Sie droht, ihn zu töten, sollte er sie jemals wirklich verlassen. Doch Johannes geht wirklich… und in ihrer verzweifelten Stunde lernt Undine Christoph (Franz Rogowski), der unter den Teilnehmer einer Führung von Undine gewesen ist. Zwischen dem Industrietaucher und der Historikerin entwickelt sich eine Beziehung, der immer etwas Unheilvolles nachschwingt…
Wie gesagt, mein erster Christian-Petzold-Film… deswegen kann ich jetzt nicht sagen, ob es ein typischer Petzold ist oder nicht. Was mir echt gut gefallen hat, war aber zum Beispiel, wie der Autor und Regisseur eigentlich ziemlich gekonnt, die mythische Komponente der Undine-Sage einfließen lässt. Das ist ein Wassergeist, der der Sage nach die Vermählung mit einem Menschen braucht, um ihre unsterbliche Seele zu erlangen. Wird sie aber betrogen, bringt sie ihrem Gatten den Tod. Petzold ist da anfangs sehr schön subtil… wenn Undine Johannes mit dem Tod droht, klingt das mehr nach einer verzweifelten und verletzten Frau, die die Wahrheit der Trennung nicht wahrhaben will. Irgendwann jedoch verliert der Film diese Subtilität ein wenig… da gibt es dann lange Einstellungen eines Aquariums, das zerbirst und Christoph und Undine überflutet. Er als Taucher sieht sich bei seiner Arbeit immer wieder mit einem riesigen Wels konfrontiert, der Gunther genannt wird… statt uns mehr im wohligen Zweifel darüber zu lassen, ob Undine nun wirklich dieser Wassergeist ist, wird das Ganze im Verlauf des Films immer offensichtlicher – und verliert dadurch für mich ein wenig den Zauber.
Dabei fand ich so bestimmte Elemente vorher eigentlich ganz interessant… Undines Wohnung, die in so dunkles Blau-Grün getaucht ist, als wäre man ständig unter Wasser. Die kleine Figur des Tauchers, die Christoph ihr schenkt… aber selbst die wird irgendwann etwas zu offensichtlich eingesetzt. Als die mal herunterfällt und das Bein dabei abbricht, dachte ich schon: „Oh, was ähnliches passiert bestimmt auch bald Christoph.“
Für gewöhnlich bin ich von solchen mysthisch verwobenen Liebesgeschichten immer ein großer Fan. Leider geht Petzold das Ganze in meinen Augen etwas zu verkopft und zu verkünstelt an. Der Film springt von den ewig langen Vorträgen Undines über den Stadtbau in Berlin über zu den Momenten der jungen Liebe. Die Vorträge waren einfach zu viel. Wenn ich was über Berlin wissen will, kaufe ich mir einen Stadtführer. Ich habe leider nie so ganz verstanden, warum Petzold so einen Wert auf diese Stadthistorie legte. Daneben wirkt die Liebesgeschichte dann leider etwas kinderhaft. Christoph ist so naiv überspielt dargestellt. Es ist eher so, als würde ich einem Mann zu sehen, der die Rolle spielt, die für ein Kind geschrieben ist.
Dennoch fand ich die Chemie zwischen Franz Rogowski und Paula Beer wirklich stark. Beer selbst ist es aber, die diesen Film für mich hauptsächlich gerettet hat. Selbst wenn sie nichts sagt, strahlt sie immer wieder etwas total Faszinierendes aus: mal wirkt sie merkwürdig bedrohlich, dann wieder total zart und zerbrechlich. Das hat sie echt gut gespielt.
Insgesamt schwanke ich bei diesem Film wirklich sehr hin und her. Er hat ein paar schöne Bilder, ich mag es, wenn der Film mystisch und geheimnisvoll daherkommt, leider löst Petzold viele dieser Momente dann etwas plump wieder auf. So konnte ich mich nie so voll und ganz in der Geschichte verlieren, die dann eben auch noch zur Hälfte Städtebaulicher Vortrag ist (bei dem ich mich schon frage, ob das von der Senatsverwaltung für Städtebau mitfinanziert wurde, um für mehr Aufmerksamkeit zu sorgen).
Wertung: 6 von 10 Punkten (schöner Film, der leider häufig etwas sehr plump in seiner Erzählung bleibt, aber zum Glück eine fantastische Darstellerin hat, die das hier und da wieder auffangen kann)
Wahrscheinlich hat Petzold ein Faible für Städtebau. 😉
Ich hatte es in dem Fall eher auf die metaphorische Darstellung der mythologischen Figur Undine bezogen, die aufgrund ihres methusalemischen Alters ja bereits beim Bau der Stadt beteiligt war und deshalb jede Kleinigkeit ausführlich erklären kann. Sozusagen die äußere junge Hülle und der darin enthaltene, uralte Kern.
Übrigens: Es ist tatsächlich ein typischer Petzold und falls du jetzt nicht zu sehr abgeschreckt wurdest, versuch einfach mal die Gespenster-Trilogie von ihm. Die sollte dich von Petzold überzeugen.
Okay. Deine Interpretation macht Sinn. Gut möglich, aber selbst dann war es mir einfach zu viel Städtebau-Vorlesung 😅
Abgeschreckt bin ich nicht von Petzold. Die Gespenster-Trilogie klingt viel versprechend. Hat nur wahrscheinlich nicht viel mit echten Gespenstern zu tun, oder? 🤣
Natürlich nicht. 😉
Aber mit dem Gefühl des Verschwindens oder unsichtbaren nichtssagenden Dahinschwebens durchs Leben. Und auch wenn ich ja „Yella“ als ersten der drei Filme empfehlen würde, solltest du dennoch chronologisch vorgehen, also mit „Die innere Sicherheit“ anfangen und dann mit „Gespenster“ (sic!) weitermachen.
Okay, danke für den Tipp.
Ach ja .. das sollte auch mein erster Christian-Petzold-Film werden, bevor dann die Kinos letzten Sommer geschlossen waren. Seufz. Sollte ich jetzt mal nachholen – endlich!
Ich bin immer noch recht neugierig aber sag mal … das Ende hast du jetzt nicht verraten, oder? Das klingt so unheilvoll durch. Mit dem Fisch etc. 😉
Nein, nein. Keine Sorge. Ich hab da nichts verraten. Der Fisch taucht schon recht zu Beginn des Films auf. Ist also kein wirklicher Spoiler an sich.
Bin gespannt, was du von dem Film hälst