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Der Djinn und die Erzählerin

5. September 2022

Wenn ich den Namen George Miller höre, denke ich sofort an „Mad Max“. Aber Miller hat neben seiner Trilogie (die ich nach wie vor sehr gerne schaue, weil sie einfach auch echt gut ist) ja noch mehr gemacht. Wie zum Beispiel „Mad Max: Fury Road“ – der Beweis, dass man im Jahr 2015 auch noch ohne viel CGI richtig grandiose Action auf die Leinwand bannen kann (und da bin ich schon sehr auf das geplante Prequel „Furiosa“ sehr gespannt). Allerdings sieht es jetzt wieder aus, als würde Millers Filmografie nur aus Verrückten und Autos bestehen… was ja gar nicht der Fall ist. Wenn man sich aber anschaut, was Miller sonst noch so gemacht hat, wirkt es fast schon ein wenig absurd / witzig / verrückt: Filme wie „Babe“, „Babe 2“, „Happy Feet“ und auch dessen Sequel gehören eben so in die Filmografie eines George Millers wie auch das Drama „Lorenzo’s Oil“ oder der Fantasy-Hexenfilm „The Witches of Eastwick“. So richtig hängengeblieben ist bei mir aber trotzdem eher „Mad Max“, was auch daran liegt, dass ich das sprechende Schweinchen leider nie in Aktion gesehen und auch nie die tanzenden Pinguine bewundert habe. Trotzdem ist Miller – durch seine Max-Filme – jemand, bei dem ich neugierig werde… und sein neuster Film hat mal wieder nichts mit der Postapokalypse zu tun, sondern ist das Märchen „THREE THOUSAND YEARS OF LONGING“.

Alithea Binnie (Tilda Swinton) ist Professorin für Literatur, ihr Fachgebiet ist das Geschichtenerzählen. Bei einer Konferenz in Istanbul kauft sie ein kleines antikes Fläschchen und befreit daraus einen Djinn (Idris Elba), der ihr – wie es sich gehört – drei Wünsche erfüllen will. Das Problem für den Djinn ist nur, 1) Alithea fühlt sich in ihrem Leben recht wohl und ist quasi „wunschlos glücklich“ und 2) sie ist Expertin in Geschichten und weiß natürlich, dass mit den Wünschen auch sehr viele Risiken einhergehen. Etwas, was sich bestätigt, als der Djinn anfängt, Alithea seine Lebensgeschichte zu erzählen – von seinen Diensten bei der sagenumwobenen Königin von Saba bis jetzt.

Man merkt mit „Three Thousand Years of Longing“ sofort, dass man wieder in Miller-Land ist. Der Mann ist selbst mit seinen 77 Jahren immer noch sehr besessen darauf, seinem Publikum ein einzigartiges und vor allem bildgewaltiges Spektakel abzuliefern. Und das bekommen wir hier auch. Gerade die erste Hälfte, gerade die Geschichten des Djinn leben von einem sehr aufregenden visuellen Erzählen. Die Bilder, die Miller uns zeigt, entführen uns in andere Zeiten. Miller lässt das Reich von Königin Saba opulent aufleben, zeigt uns den Palast von Süleyman I. oder das türkische Reich unter Murad IV und dessen Bruder Ibrahim. Millers Film konzentriert sich dabei natürlich sehr darauf, wie der Djinn diese Zeiten beeinflusst hat und mixt dabei sehr schön Fantasie mit realen historischen Figuren.

Ich mochte das wahnsinnig gerne. Mit Idris Elba als Erzähler hätte ich noch zig solcher Anekdoten aus dem Leben eines Djinns zusehen können. Da steckte nämlich unglaublich viel Liebe und Kreativität drin. Natürlich mag das vielleicht auf den ein oder die andere etwas zerstückelt wirken, aber ich mochte einfach diese Geschichten. Das „Problem“ des Films ist daher für mich eher, dass er irgendwann zu Alithea wieder zurückkehren und auch noch ihre Geschichte erzählen muss… und diese Sache hinkt dann in meinen Augen ein wenig. Ich habe Alithea ihren ersten Wunsch (den ich nicht spoilern will) nicht so wirklich abgekauft und auch was danach folgt, wirkt eher etwas platt. Beim Gucken bekam ich so das Gefühl, dass Miller sich voll in die Geschichte des Djinns verguckt hatte, dabei aber vergaß, was er eigentlich mit Alithea machen soll.

So zieht sich die Geschichte zum Ende hin ein wenig und kommt nicht mehr voran. Der Drive, den der Anfang hatte, geht verloren. Gleichzeitig lässt der Film selbst einige ungelöste Fragen offen: Zu Beginn des Films wird Alithea am Flughafen von einem merkwürdigen Mann angerempelt, bei ihrer Konferenz-Vorlesung lauert ein komischer Geist im Publikum, die Welt des Djinns scheint in ihre schon vorher überzugehen… nur sehen wir letztendlich nicht mehr viel davon. Der Djinn und seine Welt allein hätten schon ausgereicht für einen Film. Alithea platzt da einfach nur so rein… und passt nicht so ganz dazu.

Idris Elba als Djinn ist super. Wie schon jetzt so oft gesagt, er hebt diesen Film (auch durch seine großartige Erzählerstimme) auf ein ganz anderes Niveau. So sehr ich eine Tilda Swinton auch liebe, so sehr konnte ich mich mit ihr hier nie so ganz anfreunden. Die leicht schrullige, in sich gekehrte Professorin stand ihr gut, versteht mich nicht falsch. Das hat sie super auf ihre Swinton-Art gespielt… aber die Chemie zwischen ihr und Idris Elba kommt nicht so richtig in Gang. Das wirkt zu konstruiert, um mich emotional so richtig mitzunehmen. Auch da sind mir die kleineren Geschichten des Djinns sehr viel mehr ans Herz gegangen.

Trotzdem muss ich „Three Thousand Years of Longing“ einfach mögen. Es ist mal wieder ein Film, der nichts mit einem Franchise zu tun hat (es ist aber auch eine Literatur-Verfilmung, basierend auf „The Djinn in the Nightingale’s Eye“ von A.S. Byatt), es ist ein kreativer, wunderschön anzuschauender Film, dessen erste Hälfte wirklich einfach nur verzaubert. Von daher: Ich hatte mir ein klein bisschen mehr erhofft, aber am Ende fehlt dem Finale das gewisse Etwas. Dennoch war es ein schönes Filmerlebnis.

Wertung: 7 von 10 Punkten (die erste Hälfte ist Kino pur, das Finale etwas konstruiert)

3 Kommentare leave one →
  1. kathl7 permalink
    5. September 2022 22:04

    Ich finde gerade den Kontrast zwischen aufregender Vergangenheit und öder Gegenwart so spannend. Das Leben in der Gegenwart langweilt ja sogar einen Djinn fast zu Tode. Die Geschichte in der zweiten Hälfte des Filmes wirkt tatsächlich etwas konstruiert, aber genau das ist sie ja auch. Von daher fand ich das alles sehr passend. Nur die komischen Erscheinungen zu Beginn des Filmes haben für mich keinen Sinn ergeben.

    Und habe ich das richtig gelesen: Du hast noch nie „Ein Schweinchen namens Babe“ gesehen? 😱

    • donpozuelo permalink*
      8. September 2022 07:49

      Sag ich ja, die Erscheinungen hätte man irgendwie noch erklären müssen. Das war schon etwas komisch eingestreut und wird nie wieder erwähnt. Zumal man das Wesen, das bei der Konferenz auftaucht, ja später kurz am Hof der Königin von Saba wiedersieht.

      Nope, Babe habe ich noch nie gesehen.

  2. 27. September 2022 17:52

    Mit dem hatte ich ähnliche Probleme. V.A. was Alitheas Wünsche und das Ende betrifft. Sie erschien mir viel zu „aufgeklärt“ um die Art Wunsch zu formulieren, die soviele Wenn und Aber nach sich zieht.
    Was das Ende betrifft, bin ich zu einer etwas anderen Interpretation gekommen, aber trotzdem zum ähnlichen Schluss: too little, too late, fühlte sich irgendwie so hinterrücks ans Ende angeheftet an, als ob es sonst nirgends mehr Platz hätte.

    Was sich ja aber schon etwas beobachten lässt ist, dass die Sagengestalten, Geister, Dschinns, etc immer weniger geworden sind. Wenn das nun durch die Moderne kommt, hätte er das etwas mehr erklären müssen. Und dass Istanbul nun ein so anderer Ort ist, an dem diese Gestalten eben noch existieren, anders als im lärmenden London, dann bin ich mir echt nicht sicher, ob das so passig ist..

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