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Random Sunday #106: Monsters

2. April 2023

2023 ist für mich das Jahr, in dem ich auch endlich mal wieder ein paar mehr Comics lesen will. Ich habe letztes Jahr kaum einen Comic in die Hand genommen, rein aus Zeitgründen. Weil normalerweise gehört das Comic-Lesen für mich in die Morgenroutine, wo ich dann auch wirklich so eine halbe Stunde dafür eingeplant hatte. Aufgrund von Arbeit und meinem eigenen Ansporn bin ich letztes Jahr jedoch immer zeitiger aus dem Haus gerannt… jetzt will ich mir diesen Teil meiner Morgenroutine wieder zurückholen. Zumal: Nur weil ich keine Comics lese, bedeutet es ja nicht, dass ich mir nicht ständig welche nachkaufe. Den Neuanfang zum Comic-Lesen hätte ich in diesem Jahr dann auch echt nicht besser machen können, denn Barry Windsor-Smith liefert mit seinem „MONSTERS“ eine Story ab, die euch in Mark und Bein übergehen wird.

Der junge Bobby Bailey will Anfang der 60er Jahre der Armee beitreten. Da ihm jedoch ein Auge fehlt und er eher „langsam“ ist, wird ihm eine besondere Chance angeboten: Er solle doch Teil von Geheimprojekt „Prometheus“ werden. Das wurde im Zweiten Weltkrieg von den Nazis entwickelt, um Supersoldaten zu erschaffen und landete schließlich bei den Amerikanern. Doch das Projekt macht aus Bobby keinen Supersoldaten, sondern ein Supermonster, das gejagt wird. Dank der Hilfe von Elias McFarland gelingt Bobby die Flucht. Er versteckt sich am einzigen Ort, wo er sich mal sicher gefühlt hat, in den Ruinen des Hauses, in dem er aufgewachsen ist… und wird hier von den Monstern seiner Vergangenheit heimgesucht.

Ich bin wirklich sprachlos, was diese Geschichte angeht. Ich wusste im Vorfeld nichts. Hatte nur irgendwann mal gelesen, dass Barry Windsor-Smith früher viel für Marvel gezeichnet hat und geschrieben hat. Dass er einer der Begründer von Valiant Comics gewesen ist und dass die Comic-Welt schon lange nichts mehr von ihm gelesen hatte. „Monsters“ ist dazu noch eine Story, die er sich vor zig Jahren mal im Groben für den Hulk ausgedacht hatte, aber nie umsetzen konnte. Jetzt hat er etwas sehr Eigenes daraus gemacht, das euch die Schuhe ausziehen wird.

Ohne Scheiß, es fiel mir noch nie so schwer, einen Comic zu lesen und gleichzeitig war ich so gefesselt. Denn die Story ist harter, harter Tobak. Dabei glaubt man das am Anfang gar nicht. „Monsters“ wirkt Anfangs wie ein „Captain America“-Abklatsch: Nazi-Projekt, Supersoldaten, bla bla bla… kennt man alles schon zig Mal. Spannend wird es aber schon, wenn aus dem Captain America ein Hulk-artiges Monster wird. Hier findet Windsor-Smith dann auf einmal zu „Frankenstein“… und beginnt, ähnlich wie es auch schon Mary Shelley getan hat, die Geschichte des Monsters auf unglaublich menschliche Art und Weise zu erzählen.

Dabei wird aus dem Comic dann ein Familien-Drama, das echt extrem ans Herz geht… denn wir springen in der Zeit zurück. Als Bobby noch ein kleiner Junge war und glücklich mit seiner Mama Janet lebte und darauf wartete, dass sein Papa Tom aus dem Zweiten Weltkrieg wieder nach Hause kommt. Was dann aber zurückkehrt, ist ein weiteres Monster. Dieses Mal aber wirklich ein richtiges Monster, gestört durch die Dinge, die es im Krieg erlebt hat. In berührenden Passagen aus Janets Tagebuch führt uns Windsor-Smith in die Welt einer Mutter ein, die ihren Sohn liebt und in die Welt einer Frau, die nach so langer Zeit ihren Mann zurückhat und nicht wiedererkennt. Vergessen ist Bobby das Monster, posttraumatischer Stress wird hier das neue Monster und ein Mann, der nicht wiederzuerkennen ist. Wie unglaublich präzise Windsor-Smith dieses fragile Familienkonstrukt auseinanderpflügt, ist so sensibel, so tiefgründig, so schmerzhaft, dass es einem echt auch schwer fällt, die Story weiterzuverfolgen. Hier wird häusliche Gewalt auf so ungeschönte Art und Weise präsentiert, hier werden die Zweifel und die Angst einer Mutter und Ehefrau so präzise auf den Punkt gebracht, dass es einfach auch wehtut.

Aber damit ist bei „Monsters“ noch nicht Schluss… denn Windsor-Smith taucht noch eine Ebene tiefer und präsentiert uns die Monster, denen Familienvater Tom im Zweiten Weltkrieg begegnet ist und so schließt sich dann auch der Kreis zu Projekt „Prometheus“ und das Ganze endet in einer traurig-schönen Sequenz.

„Monsters“ hat mich wirklich sprachlos zurückgelassen. Ich habe nicht erwartet, von einem Comic so emotional überrumpelt zu werden. Das ist definitiv keine leichte Kost, aber es ist eines der besten Comic-Menüs, das man im Augenblick genießen kann. Mit was für einer Feinheit und Emotionalität Windsor-Smith dieses Frankenstein-Thema hier ummünzt geht sehr an die Nieren, lohnt sich aber…

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