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Random Sunday #74: Archive 81 (Podcast)

13. März 2022

Ich höre keine Podcasts. Ich bin zwar selbst Teil von Podcasts, aber ich höre selbst keine Podcasts… bzw. keine „Laber-Podcasts“, wie es Miss Booleana in einem Kommentar hier sehr schön genannt hat und ich klaue mir diesen Begriff einfach mal. Laber-Podcasts sind ja trotzdem eine schöne Sache und es gibt ja auch zu jedem Thema genügend davon, aber irgendwie hat es mich nie so gecatcht, mich da jetzt in sowas hinein zu versetzen. Aber Laber-Podcasts sind ja nicht die einzigen, die es da draußen in der großen weiten Podcast-Welt so gibt… zu verdanken habe ich diese Erkenntnis der Netflix-Horror-Serie „Archive 81“. Die fand ich durchaus ganz okay, doch dann erfuhr ich eben, dass das Ganze auf einer Podcast-Reihe basiert, die auch „ARCHIVE 81“ heißt. Und ich wurde neugierig, wie dieses Found-Footage-Horror-Szenario als Podcast funktionieren würde… ich kann euch jetzt schon mal vorab sagen: Die Netflix-Serie ist ein Scheiß im Vergleich zum Podcast. Meine Güte, ich war nicht darauf vorbereitet, wie sehr mich „Archive 81“ begeistern und fesseln würde.

Es gibt drei Staffeln von „Archive 81“ inklusive zwei „Spin-Offs“, die aber direkt in die Handlung mit einspielen: „The Golden Age“ ist eine Art Prequel und bereitet die Ereignisse von Staffel 3 vor und „Left of the Dial“ führt die Handlung aus Staffel 3 für eine bestimmte Figur weiter.

Staffel 1 und 2 drehen sich aber um Dan, der ähnlich wie in der Netflix-Serie von einer mysteriösen Organisation gebeten wird, alte Tonaufnahmen (in der Serie sind es natürlich passenderweise Videoaufnahmen) zu archivieren. Die stammen aus den 90er Jahren und sind von der jungen Melody, die im alten Visser-Gebäude Menschen interviewt. Das geht dann natürlich auch alles sehr ins Übernatürliche und Fantastische, bleibt aber in weiten Teilen das, was man aus der Serie geht… nur hatte die Serie dann leider im Finale nicht die Eier in der Hose den weiteren Werdegang des Podcasts zu übernehmen. Denn Staffel 2 wird absolut fantastisch: Die Handlung wandert in eine andere Welt, eine unheimliche, von Monstern und merkwürdigen Kreaturen bewohnte Welt und liefert einen verrückten Mix aus Fantasy und Bodyhorror, der selbst als Podcast echt nervenzerfetzend ist. Staffel 3 erzählt dann die Geschichte der Halbgeschwister Nicholas Waters und Christine Anderson, die ein altes Ritual ihres Vaters durchführen wollen und dabei ebenfalls wirres Zeug erleben… hier gibt es dann spannende Überschneidungen mit den Ereignissen aus Staffel 2.

Ich weiß nicht, wie man „Archive 81“ am besten beschreiben sollte. Für mich ist es eigentlich kein richtiger Podcast im üblichen Sinne (wobei ich dabei natürlich immer eher an die Laber-Podcasts denke). Eigentlich ist „Archive 81“ ein Hörspiel. Wir haben unterschiedliche Sprecher für die einzelnen Charaktere. Da das Konzept darauf aufbaut, dass alles aufgezeichnet und besprochen werden muss, braucht es auch keinen Erzähler, da die Charaktere uns selbst gut schildern, was gerade alles passiert. Staffel 1 ist da, wie gesagt, noch etwas an der Serie selbst dran… ist aber auch wesentlich drastischer und dramatischer, als sich das die Serie traut.

Für mich das Highlight war dann wirklich die Weiterführung in Staffel 2, die einfach mal so perfekt den Geist von H.P. Lovecraft einatmet, dass ich mir fast schon wünschen würde, dass man das mal auf Film bannt. Aber dann wiederum lieber nicht. Denn das Kopfkino, das „Archive 81“ in Staffel 2 erschafft, ist eh besser als jedes „echte“ Bild. Diese neue, merkwürdige Dimension, die wie eine Art Fegefeuer für was auch immer wirkt, ist bedrückend, unheimlich und voller Mysterien, die es zu entdecken gilt. Dan ist hier aber auch wieder auf Geheiß dieser mysteriösen Organisation, die ihn zu einem Rekorder ummodifiziert (daher dann auch der Bodyhorror, was selbst im auditiven Bereich ziemlich eklig rüberkommt und woran ein Meister wie Cronenberg wahrscheinlich auch viel Spaß gehabt hätte). Dazu werden zwei Agenten der Organisation damit beauftragt, diese Zwischenwelt zu erforschen und die bringen uns dann mehr und mehr Infos über alles, was da draußen vor sich geht. Gleichzeitig bleibt sich „Archive 81“ aber auch treu: Dan muss weiterhin alte Tapes abhören, um mehr Informationen zu sammeln. Dadurch wird diese neue Welt durch Archivaufnahmen, Interviews, alte Werbespots, Telefonate und andere Beschreibungen so stark ausgebaut, dass dieses schon erwähnte Kopfkino einfach die verrücktesten Bilder erschafft. „Archive 81“ nutzt hier einfach das volle Programm des auditiven Genres, um diesen Horror perfekt zu inszenieren.

Dieses ganze Konzept wird einfach so unglaublich kreativ und spannend als „Hörspiel-Podcast“ umgesetzt. Diese Welt voller Rituale, Verschwörungen, versteckter Hinweise, alten Kulten ist so vielfältig und reichhaltig, dagegen stinkt das, was Netflix uns da geliefert hat, echt komplett ab.

Ich hab die drei Staffeln und die beiden Zusatz-Mini-Serie wirklich wahnsinnig gerne gehört und kann sie wirklich nur jedem empfehlen. Das ist einfach gut geschrieben, gut umgesetzt und baut eine Welt auf, die es wirklich eher verdient hätte, als Serie so auch genau umgesetzt zu werden. Wer weiß, vielleicht lässt man David Cronenberg einfach Staffel 2 von „Archive 81“ machen… dann würde es passen.

6 Kommentare leave one →
  1. 3. April 2022 19:59

    Hach, das lindert meinen Schmerz über dieses verkappt unkreative Ende der Serie. 🙂 Freut mich sehr, dass dir der Podcast auch so gut gefallen hat. Ich mochte auch die zweite Staffel und die mit den Anderson-Geschwistern unheimlich gern. Da ist die erste wirklich noch relativ zahm dagegen. Allein die Kreaturen in der „City“, dem Museum usw. klasse!
    Aber es stimmt schon, dass es vielleicht besser so ist, das nicht adaptiert zu sehen. Der „Dan“ aus dem echten Leben, einer der Schöpfer des Podcasts, arbeitet tatsächlich auch als Folley Artist und Sounddesigner für was namhaftes.

    Hast du Bock auf weitere solche „Storyteller-Podcasts“? Ich hab da mal eine zeitlang haufenweise davon gehört. Z.B. „Welcome to Nightvale“ oder „Within the Wires“. Die machen echt Spaß. WtNightvale ist halt irre lang, aber irgendwann kann man dann halt mal abbrechen, wenn man keine Lust mehr hat. Die waren glaube ich so einer der großen Durchbrüche in dem Podcast-Genre. Von Nightvale gab es dann Liveshows, sogar in DE.

    • donpozuelo permalink*
      3. April 2022 20:56

      Die erste Staffel ist definitiv die harmloseste, das stimmt. Die Anderson Geschwister fand ich auch super. Gerade diese Traumreise Episode, in der sie einfach mal 6 Jahre (waren es Jahre?) unterwegs ist. Dazu hätte ich gerne mehr gehört.

      Und ja, nach „Archive 81“ habe ich definitiv Bock auf mehr. „Welcome to Nightvale“ höre ich tatsächlich gerade auch. Macht auch echt Spaß… aber wenn du nen Tipp hast, was eher so in Richtung Archive geht und ne zusammenhängende Story (gerne auch mit mehreren Charakteren), immer her damit.

      • 3. April 2022 21:14

        Warens nicht sogar 10? Das ist aber gefährliches Halbwissen. Und die Crew!! Hab die total ins Herz geschlossen. Das war so bitter als sie zurückkam. Ich dachte nur „bitte mach, dass sie sich erinnert bitte bitte“

        Ach wie witzig 😀 Nightvale brauch eigtl auch keine Serie, aber es wäre witzig eine zu sehen. Wie gefällts dir bis jetzt?

        Ich kenne leider nichts was so abgefahren ist wie Archive 81 UND in die Richtung Horror geht. Aber „Within the Wires“ spielt auch echt gut mit Audio als Format und ist genre bending. Das denkst du gar nicht wohin sich das entwickelt.

        Was ich auch sehr mochte, aber mehr so Verschwörungskrimi mit bissl Scifi ist: Limetown. Das wurde tatsächlich von Facebook(!) als Serie adaptiert mit Jessica Biel. Kannste dir nicht ausdenken. Habs leider noch nicht gesehen.

        Aus der Horrorecke gibts noch irre viel. The Black Tapes bspw. Auch mit mehreren Sprecher*innen. Aber die haben häufig so ein unangenehmes „Zappel-lassen-Muster“. Immer neue Twists am Staffelende, nie Auflösungen. Aber … durchaus spannend und gruselig.
        Besser fand ich dann nochmal „The White Vault“. Habe ich gerade erst gehört. Thema Forschungsstation im Eis, mehrere WissenschaftlerInnen, plötzlich Tote. Klassisch … aber auch klassisch gut.

        • donpozuelo permalink*
          4. April 2022 19:26

          Nightvale ist super. Gefällt mir echt gut. Dieses Radio-Konzept ist super, Cecil ist ein toller Radiomoderator 🤣👍

          Genre bending klingt gut. „Within the wires“ höre ich mir mal an. The White Vault klingt auch interessant. Gibt ja also doch sehr viel in diese Richtung. Wenn das so weitergeht, höre ich als nächstes noch Hörbücher 🤣🙈

        • 4. April 2022 20:29

          Oh, wenn es soweit ist, müssen wir auch nochmal reden 😉 Ich hab das früher alles nicht gehört, aber dann bei so „Kopf ausschalt“-Dingen für mich entdeckt. Sauber machen, Unterlagen abheften, so’n Mist.

          Aber bis ich „Laber-Podcasts“ gehört habe, verging dann nochmal viel Zeit. Da komme ich auch nicht mit und lasse mich meistens immer noch lieber von solchen Storyteller-Podcasts berieseln oder von Hörbüchern. Gerade bei Inhalten, bei denen ich nicht 100%ig sicher bin, dass sie mir gefallen könnte, ich aber irgendwie neugierig bin, greife ich Audible-Abo sei Dank nun immer zum Hörbuch. Aber auf Spotify und Youtube sind halt auch wahnsinnige viele Hörbücher.

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