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Die Beobachteten im Wald

14. Juni 2024

A.M Shines Roman „The Watchers“ ist wirklich gut. Fängt wie ein Horror-Kammerspiel an und bekommt dann mehr und mehr fantastische Facetten. Im Buch funktioniert das alles sehr gut (auch wenn ich dabei bleibe: Sein zweiter Roman „The Creeper“ ist besser), und natürlich musste das irgendwann verfilmt werden. Dieser Aufgabe hat sich nun Ishana Night Shyamalan angenommen, ihres Zeichens Tochter von M. Night Shyamalan. Ihr „THE WATCHERS“ (bei uns „THEY SEE YOU“) ist leider mal wieder der Beweis, dass selbst sehr „filmische“ Bücher manchmal einfach nicht wirklich gut zu Filmen gemacht werden können (und ja, natürlich wird das eine Review des genervten Lesers, der den Roman mochte – deswegen lese ich die meisten Romane, die zu Filmen werden, auch vorher).

Mina (Dakota Fanning) soll einen wertvollen Papagei bei seinem Käufer abliefern. Der Weg dorthin führt sich durch einen großen Wald, in dem plötzlich ihr Auto stehen bleibt. Nur mit dem Vogel im Käfig kämpft sich Mina durch den dichten Wald und verliert schnell die Orientierung. Nur durch Zufall stößt sie auf Madeline (Olwen Fouéré), die mit Daniel (Oliver Finnegan) und Ciara (Georgina Campbell) in einem Betonkastenhaus mit riesigem Fenster lebt. Dieses Fenster wird nachts für die Bewohner drinnen zu einem gigantischen Spiegel. Die mysteriösen Watchers, die in der Dunkelheit lauern, können von draußen aber reinschauen…

Auf dem Papier klingt „The Watchers“ wie ein gutes Horror-Kammerspiel: Vier Leute hocken in einem Haus und werden von etwas Unheimlichen bedroht. Im Buch sind die teilweise echt schon verdammt lange dort. Selbst Mina verbringt über ein halbes Jahr in diesem Wald… und dadurch hat A.M. Shine natürlich die Chance, die Figuren auszubauen: Daniel lief von zuhause fort, weil sein Vater ein Alkoholiker war, der ihn brutal geschlagen hat. In Ciara, die ihren Mann betrauert, findet er eine Verbündete, einen Mutter-Ersatz. In Madeline findet er eine Tyrannin, die ihn an seinen Vater erinnert, weil sie ihn herumkommandiert und runtermacht. Wenn Mina dazu kommt, gerät sie in eine dysfunktionale Konstellation und bringt ihre eigenen Probleme natürlich auch noch mit.

Der Film hat das alles nicht. Irgendwie scheinen die sich alle ziemlich gut zu verstehen. Es ist am Ende der Wald, „der dir Visionen zeigt und dich wahnsinnig machen kann“. Ein Mittel, das dreimal dazu benutzt wird, dass Mina irgendwen durch die Bäume hindurch laufen sieht – das war’s. Mehr nicht. Ishana Night Shyamalan, die auch das Drehbuch geschrieben hat, verpasst hier ihre Chance, die Figuren interessant auszubauen. Am Ende hocken hier einfach vier Leute in einer Art Bunker. Das war’s… so machen dann bestimmte Entscheidungen der Figuren, wie zum Beispiel Daniel, der irgendwann Madeline überwältigt und an einen Baum fesselt, überhaupt keinen Sinn. Aus Buch-Kenner-Sicht schon, aber im Film passt das nicht rein… zumal Daniel auch erst zu einem sehr späten Zeitpunkt überhaupt von seiner Vergangenheit und seinem Vater erzählt.

„The Watchers“ hätte ein schöner Psychothriller im Wald mit unbekannten Monstern werden können – und hätte hier sogar stoppen können. Denn die zweite Hälfte des Films wirkt so absurd, das ich verstehen kann, warum so viele, die das Buch nicht kennen, sich über den Film beschweren. Glaubt mir, im Buch ist das alles einfach stimmiger. Aber der Film hätte das nicht einmal zwingend gebraucht… weil es sich hier noch mehr so anfühlt, als würde man einen Film gucken, der eigentlich mal zwei Filme sein sollte. Und bei dem die erste Hälfte deutlich effektiver ist als die zweite.

Denn ja, das lasse ich „The Watchers“ ein paar Einstellungen und gerade auch der Umgang mit den Watchers an sich, sind schon gut. Es gibt ein paar schöne Bilder, es wird auch ein bisschen atmosphärisch, aber es bleibt alles sehr oberflächlich…

… was einfach daran liegt, dass die Figuren so bescheiden geschrieben sind. Mina geht zu Beginn mal mit Perücke in einen Pub und lässt sich von einem Typen anquatschen. Das soll uns was über sie sagen. Was genau… bleibt leider aus. Shines Mina ist da viel besser geschrieben – auch gerade mit allem, was sie so quält. Und das lässt sich leider auf alle Figuren beziehen. Da hätte „The Watchers“ sich viel mehr an den Roman halten sollen – was der Film in den groben Story-Abläufen auch absolut macht. An diesem Punkt gibt es nichts zu meckern… letztendlich fühlt sich das Ganze aber sehr unfertig und sehr unüberlegt an. Schauspielerisch wirkt da kaum etwas nach. Dakota Fanning wirkt die ganze Zeit extrem gelangweilt. Olwen Fouréré ist gut, hätte aber mit der richtigen Madeline viel besser sein können und auch Barbarians Georgina Campbell kommt kaum zur Geltung – von Oliver Finnegan sprechen wir gar nicht erst.

Ist einfach schade, weil – wie schon erwähnt – „The Watchers“ als Roman sich schon so anfühlt, dass es als Film (oder Mini-Serie) gut funktioniert hätte. Naja, haben wir wieder so einen Fall von „Ich bleibe lieber beim Buch!“.

Wertung: 4 von 10 Punkten (hätte so viel besser sein müssen)

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