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Random Sunday #104: The Dark Tower 4 – Wizard and Glass

5. März 2023

Stephen King ist für mich schon immer auch ein Autor der Ausschweifungen und vor allem der Abschweifungen gewesen. Manchmal verliert er sich gerne in kleineren Nebenstories, die seine eigentliche Geschichte eher aufhalten. Das war in „Der Anschlag“ so, als Lehrer Jake erstmal noch einem fiesen Hausmeister das Handwerk legen muss, bevor er sich um das Attentat auf John F. Kennedy kümmern kann. Das ist in „Revival“ gefühlt der komplett Roman, wo der eigentliche spannende Twist auf den letzten 30 Seiten passiert… und das findet sich ja auch in Klassikern wie „Es“ wieder. King schreibt viel und verliert sich gerne mal… das musste ich jetzt auf besonders frustrierende Art und Weise bei der Reise zum Dunklen Turm feststellen. Meine Güte, was zur HÖLLE war denn bitte das? „WIZARD AND GLASS“ (oder bei uns einfach nur „Glas“) macht einen gewaltigen Schritt zurück und bringt wieder ein paar merkwürdige King-Vorlieben mit sich, die nun wirklich kein Mensch braucht.

Den großen Cliffhanger von Band 3 „The Waste Lands“ auflösend erfahren wir direkt zu Beginn, wie Roland, Eddie, Susannah, Jake und Oy den Fängen des Rätsel liebenden und leicht verrückt gewordenen Blaines entkommen. Danach landen sie in Kansas… nur ist es nicht wirklich das Kansas, das sie eigentlich kennen. Eine Plage hat die Menschen vernichtet, sogenannten „thinnys“ zerreißen die Realitäten… der perfekte Ort also, damit Roland mal ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern kann. So erfahren wir dann (auf 600 von 700 Seiten – zumindest bei meiner Ausgabe) wie der 14-jährige Roland von seinem Vater vor dem gefährlichen Rebellen John Farson in Sicherheit gebracht wird. Dafür reisen Roland und seine beiden Freunde Alain und Cuthbert nach Mejis und landen in der Stadt Hambry. Hier geraten sie an viele Probleme: eine korrupte Regierung, die fiese Söldnertruppe der Big Coffin Hunters und Rolands erster großer Liebe, Susan Delgado, die aber dem Bürgermeister der Stadt versprochen ist. Ach ja… und dann gibt es noch eine böse Hexe, die von einer Kristallkugel besessen ist.

Die Rahmenhandlung von „Wizard and Glass“ ist wirklich noch interessant. Die Auflösung des ganzen Blaine-Plots ist zügig durchgeführt (da verschwendet King zum Glück keine Zeit). Spannend ist dann für King-Leser auch die Ankunft in dieser Version von Kansas… hier überschneiden sich nämlich wieder die King-Welten und wir erleben das Virus, das in Kings postapokalyptischen Roman „The Stand“ eine wichtige Rolle spielt und wo auch ein gewisser Randall Flagg von großer Bedeutung ist. Das hat Spaß gemacht, weil King so der ganzen Multiverse-Thematik noch mal einen ganz eigenen Touch gibt und so wirklich das King-Universum noch stärker ausbaut. Man kommt mit diesen Passagen auch gut klar, wenn man „The Stand“ nicht kennt, aber gerade am Ende gibt es Verweise (wie zum Beispiel auf Abigail), die mehr Sinn machen, wenn man sich bei King etwas auskennt.

Charmant fand ich im großen Finale auch die Verweise auf „The Wizard of Oz“, in dem King sich einfach fröhlich und frei an der Geschichte von L. Frank Baum bedient… aber mit einer ordentlichen Wucht (wo dann auch ein dramatisches Erlebnis aus Rolands Kindheit in Bezug auf seine Mutter auf schmerzliche Weise wiedergegeben wird). Da merkt man die Stärken, da ist der Weg zum Turm auch noch Thema.

Nur leider sind das wirklich nur die ersten und die letzten Kapitel des Romans. Dazwischen versucht sich King dann damit, uns seine Western-Version von „Romeo und Julia“ zu präsentieren… und hat mich damit teilweise echt zu Tode gelangweilt. Die Story kommt nämlich nicht so richtig zu Potte. Dabei kann sich King zwar auf seine großen Stärken ausruhen (unterschiedliche und auch durchaus interessante Charaktere zu erschaffen und in ein interessantes Gefüge zu packen), aber er macht erzählerisch kaum was daraus. Wenn man ehrlich ist, hätte man diese Roland-Rückblende auch in 200 Seiten erklären können (wenn sie einem denn so wichtig ist). Das größte Problem dabei ist nämlich: Wirklich relevant ist das alles nicht für die Hauptgeschichte. Ob ich nun weiß, wer Rhea, die Hexe oder Eldred Jonas ist, ist eigentlich egal. Der Hauptreise zum Turm bringt das nicht viel (okay, Rhea vielleicht ein winzig kleines bisschen, aber das war’s…).

Die Konflikte, die Mid-World betreffen, werden hier am Rande erwähnt. Es geht halt hauptsächlich um die verbotene Liebe zwischen Roland und Susan… und hier wird’s echt creepy. Man muss sich hier dann bitte immer noch mal vor Augen führen, dass Roland zu diesem Zeitpunkt 14 Jahre alt sein soll. Also ist Susan auch etwa in dem Alter… so taucht dann hier wieder Kings unangenehme Vorliebe für Sex unter Jugendlichen vor. Das wäre ja irgendwie noch halbwegs vertretbar, immerhin sind Susan und Roland gleich alt, wir haben dieses mittelalterliche Western-Setting, bla bla bla… aber wo es wirklich „weird“ wird, ist die Eröffnungssequenz: Susan wird von Rhea auf ihre Jungfräulichkeit untersucht und King lässt uns leider ganz genau (und leider auch zu ausführlich) wissen, wo Rhea alles ihre Finger in den Körper des jungen Mädchens steckt. Ich saß beim Lesen nur da und habe mich gefragt, warum ich das jetzt gerade lese. Dieses Gefühl wird später nochmal aufgegriffen, wenn sich Susan vom Bürgermeister als Selbstbefriedigungsmittel hergeben muss (weil er sie erst am Ende des Sommers wirklich „haben“ kann). King und das Thema Sex ist echt schwierig… und es passt einfach nie wirklich in die Geschichte. Das war schon bei „Es“ einfach nur bescheuert und es ist auch in „Wizard and Glass“ komplett fehl am Platz.

Die eigentliche Liebesgeschichte ist zwar an bestimmten Stellen wirklich nett, aber mehr eben auch nicht. Der große Konflikt mit den Big Coffin Hunters hat ein paar witzige Momente, fühlt sich aber auch nie wirklich rund an. King spult hier einfach ein paar Western-Klischees ab, hat seine Standard-Schurken, fertig… und das in einer Reihe, die mir den Mann in Schwarz nun schon als Marten, als Randall und was nicht noch alles präsentiert. Den kriegt King gut hin, aber die anderen in Band 4 nicht wirklich.

Ich habe mich wirklich sehr gequält und war am Ende auch einfach enttäuscht. Band 3 suggeriert, dass die Reise zum Turm jetzt wirklich endlich Fahrt aufnimmt (nachdem in Band 1 und Band 2 „nur“ das Team aufgestellt wurde)… und jetzt macht King nochmal eine richtig lange Pause. Ich weiß jetzt wieder warum ich damals (noch dazu nach der langen Wartezeit zwischen Band 3 und 4) nach „Wizard and Glass“ ausgestiegen bin. Jetzt bleibe ich tapfer und mache weiter… bin aber erstmal wieder recht skeptisch. Band 4 war nämlich ein Schuss in den Ofen.

5 Kommentare leave one →
  1. 23. März 2023 20:45

    Nach Band 4 brauchte ich erstmal eine Pause … von einem Jahr oder so. Ich fand das alles furchtbar abgedroschen. Die Frauenrolle, die ja nun wirklich fast nur sexuell objektifiziert wird – das war schwer zu ertragen. Wenn ich vorher meine Zweifel hatte, hier hab ich gedacht, dass die Reihe irgendwie eine kleine Katastrophe ist. So gut an vielen Stellen und an anderen so schräg.
    Ich frage mich, ob King das heute immer noch so schreiben würde.

    Was mich aber neben den ganzen seltsamen Sex-Fantasien und Plattitüden rund um „die eine große Liebe“ am meisten stört ist das lieblose Ende, in dem (soviel Spoiler erlaube ich mir) der Mann schicksalsergeben seinem Weg folgt und es ihn einen Dreck interessiert wie das ausgeht.
    Vielleicht habe ich es nicht kapiert, vielleicht wollte es etwas anderes erzählen. Aber ich fand, dass das einfach nur Rotz war, dessen Pathos ich rückblickend noch weniger verstehe. Ich muss gleich mal nachschauen, ob ich in meiner Review damals auch so böse war..

    • donpozuelo permalink*
      24. März 2023 08:33

      Gebe ich dir mit allem zu hundert Prozent Recht. Dieses Ende ist so Müll… soll pathetisch und schwer sein, fühlt sich aber einfach irgendwie falsch an. Sie wird als Hexe verbrannt und er reitet halt einfach los. Dafür, dass das so lange aufgebaut wurde, echt traurig. Dann hätte die ganze Susan-Sache auch in 100 Seiten erzählt werden können.

      Band 4 ist definitiv der Tiefpunk der Reihe… und dazu so komplett, komplett unnötig. Rolands Charakter wird dadurch nicht mehr ausgebaut, die Welt auch nicht… hätte man sich eigentlich alles sparen können.

      Und sowas in einer großen Fantasy-Reihe zu sagen, ist echt bitter.

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