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Im Rausche Hollywoods

23. Januar 2023

Damien Chazelle ist für mich ein bisschen schwierig. „Whiplash“, sein Spielfilm-Debüt, fand ich wirklich unglaublich stark. Danach kam mit „La La Land“ ein Film, dessen Hype ich nie so ganz verstanden habe. Der Film hat seine Stärken (die gerade in der Chemie zwischen Ryan Gosling und Emma Stone liegen), aber so wirklich umgehauen und begeistert hat mich das Ganze schlussendlich nicht. Sein nächster Film war dann „Aufbruch zum Mond“, ein Film über Neil Armstrong, in dem mir die Person Armstrong aber viel zu kurz kam und Ryan Gosling auch sehr fehl am Platz wirkte. Deswegen gestehe ich, dass ich auf Chazelles neuen Film „BABYLON“ gar nicht so viel Bock hatte – zumal die Kritiken, die aus den USA kamen, auch nicht sonderlich positiv gestimmt waren. Ich hab mir den Film dennoch angeschaut und war hellauf begeistert.

Manny Torres (Diego Calva) kommt 1926 nach Hollywood und möchte am Film mitarbeiten. Durch einen glücklichen Zufall gerät er an Schauspiellegende Jack Conrad (Brad Pitt), der Manny ins Film-Business einführt. Gleichzeitig erstrahlt mit Nellie LaRoy (Margot Robbie) ein neuer Stern am Hollywood-Himmel. Die aufstrebende Schauspielerin lernte Manny kurz bei einer wilden Party kennen und verliebte sich direkt in sie… doch bevor er sich darauf einlassen kann, wird das alte Hollywood durch das Aufkommen des Tonfilms aufgewirbelt und bringt die Leben von Manny, Jack und Nellie ordentlich durcheinander.

Ich will nichts beschönigen, deswegen sage ich es gleich vorweg: „Babylon“ ist eigentlich nichts anderes als „Singing in the Rain“ von 1952. Oder „The Artist“ von 2011. Chazelle nimmt sich ein Stück Hollywood-Geschichte und zeigt uns, wie der Stummfilm von Tonfilm abgelöst wurde und wie sehr die Stars der alten Zeit damit zu kämpfen hatten, in dieser neuen Welt klarzukommen. Das funktioniert in „Babylon“ am besten anhand von Brad Pitts Jack Conrad, der hier zu einer wirklich tragischen Figur wird – ist er doch zu Beginn des Films sogar auf Innovationen aus und scheitert dann an genau diesen. Brad Pitt war nie besser als in dieser Rolle. Er ist wirklich absolut großartig, zeigt sein komödiantisches Talent, zeigt sich verletzlich. Seine Performance allein ist schon super.

Dazu kommt aber noch die ganze Manny-Story, die sich anfühlt wie ein Scorsese-Film. Man nehme Henry Hill aus „GoodFellas“ oder Sam Rothstein aus „Casino“ oder auch Jordan Belfort in „The Wolf of Wall Street“ – das ist Manny, der sich aus dem Dreck hocharbeitet. Diego Calvas steht hier neben den ganzen großen Namen des Business echt seinen Mann und muss sich nicht verstecken. Gerade durch Manny erleben wir alle Untiefen des Filmgeschäfts, sehen die schönen und die dreckigen Orte der Traumfabrik. Und mit Margot Robbie, die sich hier die Seele aus dem Leib spielt, haben wir dann die klassische Aufsteiger-Story.

Damien Chazelle verknüpft in „Babylon“ diese drei Schicksale mit einem historischen Hintergrund und präsentiert das, als wenn Baz Luhrmann zu viele Drogen genommen hätte. Allein die Eröffnungssequenz ist grandioser Overkill. Chazelle lässt uns eine Hollywood-Orgie in den schrillsten Farben, mit den wildesten Kamerafahrten und One-Takes erleben, in der sich alles dem Rhythmus der Musik ergibt. Das ist ein Einstieg, bei dem man mit schwitzigen Händen im Kino hockt und sich einfach nur willenlos diesem perfekt orchestrierten Chaos ergibt. Hier in diesen ersten dreißig Minuten wird sich dann wahrscheinlich auch schon das Publikum spalten… weil das ist schon ein gewagter Einstieg, der tatsächlich auch ein klein wenig plakativ wirkt, wenn man sich den Rest des Films dann anschaut.

Nach dieser Orgie geht nämlich die eigentliche Handlung erst los. Die Orgie ist quasi nur der Punkt, an dem die Schicksale unserer drei Protagonisten kurz zusammenlaufen und Schicksal / Zufall sie einander vorstellt. Danach zelebriert Chazelle dann das Filmemachen, und sowas liebe ich ja eh immer. Wenn er uns zeigt, wie Jack Conrad als großer Star epische Schlachtensequenzen dreht oder wie Nelly an einem Ort, wo sechs Filme gleichzeitig gedreht werden, klarkommen muss, atmet das diesen besonderen „Behind the scenes“-Flair. Später kommen dann die Probleme des Tonfilms dazu und hier zeigt sich dann, wie gekonnt Chazelle das in Szene setzt. Hier gibt es viel Slapstick, viel Comedy – durch Bilder, aber auch durch den Ton an sich. Wo ich auch direkt sagen muss: „Babylon“ ist ein wirklich audio-visuelles Erlebnis mit tollen Bildern und einem großartigen Sounddesign und Soundtrack. Gerade der Soundtrack, der Swing und Jazz mit modernen Mitteln verbindet, ist grandios… störend ist da nur dieses Liebesthema aus „La La Land“, das Komponist Justin Hurwitz hier einfach wiederverwertet und was mich jedes Mal ein bisschen aus der Story gerissen hat.

Davon aber mal abgesehen ist „Babylon“ wirklich ein Monster von einem Film, das wirklich alle Höhen und Tiefen seiner Charaktere auslotet. Was anfängt, als rasante Hollywood-Komödie wird im Verlauf des Films immer ernster und düsterer… vielleicht auch etwas zu pessimistisch, wenn man sich die einzelnen Schicksale so anschaut, aber es funktioniert in der Welt von Chazelle und es passt.

Darstellerisch ist „Babylon“ von vorne bis hinten großartig besetzt (Tobey Maguire liefert eine Performance ab, die nur recht kurz ist, aber definitiv im Gedächtnis bleibt). Visuell ist „Babylon“ ein Highlight, weil die Kameraarbeit, die Sets, die Kostüme – all das ist einfach nur der Hammer. Der Sound ist großartig, der Soundtrack spitze. Die 3 Stunden verfliegen wie Nichts und man hat auch gar keine Zeit, mal Luft zu schnappen, weil Chazelle wie ein Wirbelwind durch diese Ära fliegt. „Babylon“ ist ein beeindruckender Film über Film, über Hollywood, der Spaß macht, der bedrückt, der nachdenklich macht. Chazelle liefert endlich mal wieder so richtig ab.

Wertung: 9 von 10 Punkten (Damien Chazelle liefert Kino fürs Kino übers Kino)

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