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Der Spinnenmörder von Maschhad

20. Januar 2023

True Crime ist schon seit einiger Zeit ein Dauerbrenner, und ich muss gestehen, so ganz habe ich diese Faszination nie verstanden. Aber zig Serien (wie zuletzt ja auch „Dahmer“ auf Netflix), zig Doku-Serien (die vor allem das TV-Abendprogramm regelrecht beherrschen) als auch Podcasts und Zeitschriften zelebrieren das Interesse der Menschen an dem „unscheinbaren Menschen von nebenan“, der auf einmal zur Bestie wird. Für alle True-Crime-Fans gibt es jetzt tatsächlich auch mal wieder einen guten Film im Kino mit einem besonders absurd wirkenden Twist: „HOLY SPIDER“.

Der Film erzählt die Geschichte von Saeed Hanaei, der im Iran in der heiligen Stadt Maschhad vom August 2000 bis July 2001 16 Frauen, vorwiegend Junkies und Prostituierte ermordet hat. Weil er sie zu sich nach Hause lockte und dort tötete, nannte man ihn den Spinnenmörder. Angeblich wollte der Veteran des Iran-Irak-Krieges die Stadt säubern… und wurde dafür sogar von einigen Menschen gefeiert. „Holy Spider“ erzählt nun seine Geschichte aus der Sicht der Journalistin Arezoo Rahimi (Zar Amir Ebrahimi), die in Maschhad Nachforschungen anstellt, um den Spinnenmörder dingfest zu machen.

Saeed Hanaeis Geschichte wurde schon 2020 im iranischen Film „Killer Spider“ erzählt, doch über die Landesgrenzen hinaus kam der Film nicht. „Holy Spider“ ist da ein größeres Projekt und wird wohl für Dänemark auch an den Start bei den Oscars gehen (Regisseur Ali Abbasi ist Iraner, der in Dänemark lebt). Seine Premiere feierte der Film in Cannes 2022 und Ebrahimi wurde dort als Beste Schauspielerin ausgezeichnet.

Ali Abbasi erzählt in „Holy Spider“ erstmal alles eigentlich recht nach Schema F. Wir haben unsere Ermittlerin und wir haben unseren Täter. Wir erfahren viel von diesem vermeintlichen Monster, das im „normalen“ Leben ein Familienvater und Ehemann ist. Abbasi zeigt uns einen Mann, der trotz seines guten Lebens verzweifelt wirkt. Er wünscht sich, dass er im Krieg gestorben wäre und dass er mehr für sein Land hätte tun können. Doch schon hier verfehlt „Holy Spider“ den Moment, mehr in die Psyche dieses Mannes einzutauchen. Was treibt ihn wirklich an? Woher kommt diese Wut, warum der Glaube, seine Stadt reinigen zu müssen? Es ist zwar letztendlich sehr offensichtlich, allein wegen des Handlungsortes, verallgemeinert aber auch ein wenig diesen religiösen „Wahn“. Der Kontrast zwischen Killer und Normalo hätte „Holy Spider“ in meinen Augen etwas besser ausarbeiten können.

Dabei hätte man natürlich auch gut die Rolle von Ebrahimi ausnutzen können, um mehr über ihn zu erfahren. Doch Abbasi erzählt mit seiner taffen Journalistin auch noch eine andere Rolle – nämlich die der Frauen im Iran und von deren Unterdrückung in so ziemlich allen Lebenslagen. Direkt am Anfang will man Rahimi ihr Hotelzimmer verweigern, weil sie allein reist. Erst als sie ihren Journalisten-Ausweis zückt, gewährt man ihr ein Zimmer. Sie wird immer wieder angefeindet, belästigt und nicht für ernst genommen. Dadurch bekommt „Holy Spider“ auch noch eine zweite Ebene, auf der der Film dann auch noch mehr das Setting ausnutzt. Allerdings geht Abbasi auch hier wieder relativ plakativ vor, ohne in die Tiefe zu gehen.

„Holy Spider“ ist trotz des Nörgelns hier und da ein wirklich spannender Thriller. Das Ganze lebt von der düsteren Atmosphäre, dem Hin und Her zwischen Jägerin und Gejagtem und deren unterschiedlichen Welten. Es ist irgendwie eine Wohltat mal wieder einen halbwegs guten Serienkiller-Thriller im Kino gesehen zu haben, der tatsächlich eine stringente Story zu erzählen weiß. Dass man hier und da hätte in die Tiefe gehen müssen, bleibt aber trotzdem. Gerade in den Charakterzeichnungen hätte „Holy Spider“ ruhig noch etwas intensiver sein können… und das gerade Spannende, nämlich der Prozess gegen Saeed, hätte viel mehr ausgebaut werden müssen. Dann hätte Abbasi mehr als nur einen Serienkiller thematisiert… aber gut, das waren jetzt viele Konjunktive… trotzdem ist ein „Holy Spider“ ein guter Film.

Wertung: 7 von 10 Punkten (ein Thriller, der allen Klischees folgt, aber trotzdem die Spannung halten kann)

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