Kleiner Junge aus Holz
Wenn ich so zum Ende des Jahres mal schaue, stelle ich mit Erschrecken fest, dass ich auch dieses Jahr kaum Animationsfilme gesehen habe. Das ist ein unheimlicher Trend, der mir schon seit ein paar Jahren auffällt. Disney zieht mich schon längst nicht mehr ins Kino, bei Pixar braucht es ja auch immer ein bisschen, bis mal wieder was läuft (oder ich habe es verpennt, weil die Filme dann doch direkt bei Disney+ landen). Somit habe ich, abgesehen von „Belle“ und „The Deer King“, gar nichts weiter im Kino gesehen, was aus dem Animationsbereich kommt. Doch zum Glück kommt zum Jahresende noch ein Guillermo del Toro um die Ecke und zeigt endlich mal wieder, dass man ihn doch noch für gutes Kino gebrauchen kann. „The Shape of Water“ und „Nightmare Alley“ waren jetzt nicht so meine Filme, aber was er jetzt ausgeheckt hat, ist schon wirklich sehr del Toro und auch sehr schön. Der mexikanische Regisseur liefert nämlich auf Netflix seine eigene Version von „PINOCCHIO“ ab… und zwar als wunderschönen Stop-Motion-Film, jedoch in abgewandelter Form.
Italien, während des Zweiten Weltkriegs: Der Tischler Geppetto (David Bradley) verliert bei einem feindlichen Luftangriff seinen Sohn. In seiner Verzweiflung, angefeuert durch Alkohol, fertigt er eine Holzpuppe an. Nachts erscheint dann die Blaue Fee (Tilda Swinton) und schenkt Pinocchio (Gregory Mann) Leben. Dieses Leben wird aber durch den fahrenden Künstler Count Volpe (Christoph Waltz) durcheinander gebracht… und so begibt sich der kleine Junge aus Holz auf eine lange, beschwerliche Reise, geplagt von Zweifeln und dem großen Krieg.
Guillermo del Toro liefert uns eine unglaublich düstere Version von „Pinocchio“, fest verankert im schrecklichen Alltag inmitten des faschistischen Italiens. Dadurch verändern sich auch die Strukturen der Geschichte, wie man sie zum Beispiel aus dem alten Disney-Klassiker kennt. Pinocchios Reise als Star mit Volpe ist noch in etwa gleich, aber zum Beispiel wird bei del Toro aus „Pleasure Island“, wo sich bei Disney die Kinder ja dem Alkohol, dem Rauchen und der Rauferei hingeben, einfach mal eine Kaserne für Kindersoldaten. Guillermo del Toro erspart seiner jungen Holzpuppe nichts, liefert so aber wirklich eine spannende Neuerzählung des schon längst bekannten Stoffes.
Das Einzige, was del Toro nicht lassen konnte, war es, auch dieser Version Songs zu liefern… und da muss ich wirklich sagen: Die waren alle Mist. Sorry, aber es ist so. Keiner hat für mich richtig funktioniert. Die hätte man sich sparen können, zumal sie auch nie zum Ton des Films, der doch sehr erwachsen rüberkommt, passen. Nur der Running Gag, dass Grille Sebastian J. Cricket (Ewan McGregor) nie seinen Song singen kann, war wirklich gut.
Abgesehen davon ist das aber auch schon so ziemlich alles, was man bemängeln kann. Klar, anfangs ist Pinocchio ein richtig nerviges Kind, aber gut… er ist ein Holzjunge, der zum ersten Mal alles für sich entdeckt. Anstrengend war das trotzdem. Aber allein die Optik und die Geschichte des Films entschädigen einen sofort. Guillermo del Toro, der übrigens nicht allein Regie geführt hat, sondern mit Mark Gustafson zusammen, liefert wirklich wunderschönes Stop-Motion ab. Dabei merkt man direkt seine Liebe für das Skurrile, für verrückte, aber auch liebevolle Details. Dieser Film sieht einfach unfassbar toll aus… und hat mich schmerzlich daran erinnert, dass Studio Laika (also die hinter „Kubo“ und Co.) auch schon lange keinen Film mehr gemacht haben.
Dazu kommt ein Voice-Cast, der sich sehen bzw. hören lassen kann… vor allem möchte ich unbedingt Behind-the-Scenes-Material von Cate Blanchett sehen. Die „spricht“ Volpes Affen Spazzatura, aber macht halt nur Affengeräusche 😀
Insgesamt ist del Toros „Pinocchio“ wirklich eine schöne Version dieser Geschichte, die definitiv zusammen mit dem Disney Klassiker und Spielbergs „A.I.“ auf eine Stufe gestellt werden kann.
Wertung: 8 von 10 Punkten (tolles Stop-Motion-Märchen für Erwachsene)
Ein toller Film und die eindeutig bessere Pinocchio-Filmumsetzung in diesem Jahr.
Auf deiner Animationsfilm – „Liste“ fehlt mir „Minions 2“!?
Minions 2 habe ich jetzt erst vor kurzem nachgeholt… den fand ich nett, aber hat mir nicht so viel Spaß gemacht wie der erste Teil 😅🙈