Walgesänge von Pandora
13 Jahre ist es nun her, seit wir das erste Mal mit James Cameron auf den fernen Mond Pandora gereist sind und dort die Na’vi kennengelernt haben, die von den bösen Menschen brutal ausgebeutet wurden und die nur dank einiger guter Menschen doch noch einen Weg finden konnten, sich zur Wehr zu setzen. Camerons „Avatar“ ist der erfolgreichste Film aller Zeiten… und sollte natürlich dann auch sehr bald fortgesetzt werden. Doch Cameron wäre nicht er, wenn er ambitioniertere Pläne an den Tag legen würde. Also sagte er, er will gleich vier Fortsetzungen machen. Gewagt, aber okay… er ließ direkt erstmal alle Drehbücher schreiben, bevor er auch nur eine Kamera aufstellte. Immer wieder wurden die einzelnen Kinostarts verschoben, aber jetzt ist es endlich soweit: „AVATAR: THE WAY OF WATER“ läuft in den Kinos (und da „Avatar 3“ gleich mitgedreht wurde und da „nur noch“ die Post-Produktion gemacht werden muss, könnte der Film auch wirklich 2024 in die Kinos kommen). Aber hat sich das lange Warten jetzt wirklich gelohnt? Naja…
Jake Sully (Sam Worthington) lebt jetzt schon länger in seinem Avatar-Körper unter den Na’vi. Gemeinsam mit seiner Partnerin Neytiri (Zoe Saldana) hat er mittlerweile viele Kinder, darunter auch seine Adoptiv-Tochter Kiri (Sigourney Weaver). Als ein alter Bekannter wieder auftaucht und Jagd auf die Sullys macht, flüchtet die Familie zu den Metkayina – einem Stamm der Na’vi, die am Meer im Einklang mit den Tieren des Ozeans leben. Doch auch diese Idylle hält nicht lange an.
Das ist eigentlich auch schon die ganze Story… und trotzdem schafft es James Cameron, das Ganze auf über DREI Stunden zu strecken. Und das bricht seinem „Avatar 2“ in meinen Augen echt das Genick. Denn die Story ist noch anstrengender als in Teil 1. Das geht erstmal damit los, das wir 40 Minuten Prolog bekommen (falls irgendjemand doch nicht mehr weiß, was im ersten Teil so passiert ist). In dieser Zeit passiert aber nicht sonderlich viel, außer das eben Stephen Langs Quaritch wieder eingeführt wird, obwohl er ja im ersten Teil umgebracht wurde. Aber ist halt Sci-Fi, da lässt sich sowas ganz einfach klären. Ab dem Zeitpunkt ist „Avatar 2“ eigentlich nichts weiter als eine persönliche Vendetta von Quaritch, sich an Jake und Neytiri zu rächen.
Nach diesem Prolog geht es dann zu den Metkayina… und hier kommt dann der Techniker James Cameron zum Tragen. Die Unterwasser-Aufnahmen sind der Wahnsinn. Die Tatsache, dass er einen Weg gefunden hat, seine Schauspieler in ihren Motion-Capture-Anzügen unter Wasser zu filmen, macht sich bezahlt. Wenn die Na’vi unter Wasser schwimmen, sahen Unterwasser-Aufnahmen nie besser aus. Hier ist dann auch der Moment im Film, wo dieses „Wow-Gefühl“ aufkommt, weil man einfach über diese neue Welt im Ozean staunen kann. Cameron liefert eindrucksvolle Bilder, die auch wirklich nur im Kino so richtig ihre Epik entfalten. „Avatar 2“ ist ein Film fürs Kino…
… nur nicht für drei Stunden. Das trägt die Story einfach nicht. Leider merkt man auch, dass hier in Franchise gedacht wird. Bei den Metkayina geraten nämlich erstmal Jake und Sully komplett in den Hintergrund. Selbst neu eingeführte Figuren wie Ronal (Kate Winslet) und ihr Mann, der Häuptling Tonowari (Cliff Curtis) haben kaum was zu tun. Viel lieber serviert uns Cameron ein Coming-of-Age-Sci-Fi-Märchen, in dem es um die Kinder geht. Das wäre ja okay, wenn er die dann auch alle gut ausbauen würde. Aber von der ganzen Horde an Kindern schickt Camerons Geschichte auch viele einfach auf die Ersatzbank. Sigourney Weavers Kiri bekommt ein paar interessante Andeutungen, deren Aufklärung man sich aber wohl für Teil 3 aufspart… wodurch sie auch nicht so richtig zur Geltung kommt. Dazwischen kommt noch eine an „Free Willy“ erinnernde Story, in der James Cameron sich um die Wale Pandoras kümmert und gleichzeitig einen scharfen Appell gegen das Jagen dieser Tiere ausspricht. Nur sind das alles Minuten, die man eigentlich auch hätte streichen können, weil sie nicht wirklich viel zur eigentlichen Handlung beitragen.
Cameron scheitert in „Avatar 2“ wirklich an zu vielen Charakteren, dadurch leidet dann irgendwann auch der Wow-Faktor. Das Ganze wird nämlich einfach nur ein wildes Gewusel mit schönen Bildern. Im dritten Akt des Films fällt Cameron dann plötzlich ein, dass er ja noch Jake und Neytiri irgendwo rumschwirren hat und versucht dann wieder etwas mehr Familien-Dramatik zu etablieren. Aber zu dem Zeitpunkt rutschte ich schon von einer Arschbacke auf die andere und hoffte inständig, dass das Ganze endlich vorbei ist.
Jetzt werden natürlich alle sagen: „Aber Sebastian, die Story im ersten Teil war doch auch schon nicht so dolle.“ Und diesen Leuten gebe ich recht. Aber in Teil 1 haben wir mit Jake Sully gemeinsam diese neue Welt erkundet, jetzt ist sie eigentlich schon bekannt und die Unterwasser-Welt hat sich leider im Film auch schnell aufgebraucht. Ich muss wirklich sagen, ich hatte eine emotionalere Bindung zu den Figuren im ersten Teil als jetzt im zweiten… einfach, weil ich irgendwann auch ein bisschen den Überblick verlor.
„Avatar 2“ ist zwar technisch auf dem neuesten Stand und sieht wirklich beeindruckend aus, aber dieses Mal kann das alles nicht so sehr darüber hinweg täuschen, dass die Story diese drei Stunden einfach nicht trägt. Was echt schade ist… aber genau so schade finde ich es, dass James Cameron den Rest seines Lebens Pandora verschrieben hat und so vermutlich nie wieder was anderes machen wird. Denn so schön dieser Mond auch ist, ich hätte diese Fortsetzung jetzt nicht gebraucht…
Wertung: 6 von 10 Punkten (optisch ist es fürs Kino geschaffen, erzählerisch hinkt das Ganze aber stark)
Oh, das ist bisher eine der „härtesten“ Kritiken, die ich gelesen habe. Umso gespannter bin ich, wie der Film denn bei mir ankommt, zumal in den ersten Teil wirklich toll finde.
Noch eine Frage zur Technik: Hast du den Film in HFR 3D gesehen? Falls ja, wirkt HFR wirklich besser als bei „Der Hobbit“ und Co.? Weil das ging für mich gar nicht und hat den Film für mich kaputt gemacht. Befürchte nur, eh kein Non-HFR-Vorstellung zu finden.
Ich mag den ersten Film auch, aber gerade deswegen fällt meine Kritik vielleicht auch etwas härter aus. Man merkt dem zweiten Teil einfach zu sehr an, dass hier auf Franchise gedacht wird… deswegen verschwinden so viele Figuren erstmal im Nichts, damit man sie dann aber für später hat.
Das 3D ist super. Die HFR ist hier nicht so sehr ins Gewicht gefallen wie noch bei Hobbit. Das funktioniert hier einigermaßen, wie ich finde.
Super, danke für dein Feedback 🙂
Gerne. Ich bin gespannt, was du sagst, wenn du den Film gesehen hast.