Das etwas andere Star Wars
Es wird bei Marvel viel darüber lamentiert, dass bei den Fans die „Marvel-Müdigkeit“ eintritt, dass viele Serien und auch Filme längst nicht mehr so viel Begeisterung auslösen wie früher. Schließlich war früher ja immer alles besser. Bei Star Wars ist das nochmal ein ganz anderes Thema, was schon mit den Prequels anfängt und durch die Sequels seinen Höhepunkt erreicht hat. Spätestens mit „The Last Jedi“ fetzen sich Star-Wars-Fans und seit dem Verkauf der Rechte von George Lucas an Disney versucht der Mauskonzern irgendwie mit den Fans wieder auf einen grünen Zweig zu kommen. „The Mandalorian“ schien da ein guter Start zu sein… doch es folgten „The Book of Boba Fett“ und „Obi-Wan Kenobi“, zwei Serien, die auch nicht die gewünschten Freudenschreie auslösten. Ich bin mittlerweile an dem Punkt angekommen, wo ich von Star Wars gerne mal was wirklich Neues sehen will. „Star Wars Visions“ war sowas… aber es hat nicht wirklich viele interessiert. Es scheint fast so, als würden alle immer noch zu sehr an dem Alten festhalten wollen. Deswegen hat auch die neue Disney-Star-Wars-Serie „ANDOR“ mit der ersten Staffel nicht so richtig ein Publikum finden können… und das obwohl so ziemlich alle Kritiker es als „das beste Star Wars“ seit den 80er Jahren bezeichnen. Ich kann es mir nicht erklären, mich aber nur dem Abfeiern von „Andor“ anschließen.
Cassian Andor (Diego Luna) tötet auf der Suche nach seiner Schwester zwei Sicherheitsbeamte, weswegen der zuständige Inspektor Syril Karn (Kyle Soller) ihn mit allen Mitteln jagt. Bei seiner Flucht gerät Andor an Luthen (Stellan Skarsgard), der ihm zur Flucht verhilft und ihn direkt für eine Mission gegen das Imperium rekrutiert. Denn Luthen arbeitet mit der Senatorin Mon Mothma (Genevieve O’Reilly) zusammen, um den Widerstand gegen den Imperator auszubauen. Es ist also eher unfreiwillig, dass Andor in all das verwickelt wird, was dann irgendwann in „Rogue One: A Star Wars Story“ im geplanten Diebstahl der Pläne des Todessterns endet. Dabei gerät er dann auch ins Visier des Imperiums… und die Beamtin Dedra Meero (Denise Gough) beginnt ebenfalls mit der Jagd auf ihn.
„Andor“ ist wie „Rogue One“ – nicht nur in der Hinsicht, dass Andor ja ein Charakter aus eben diesem Film ist, sondern dass ich mich null für diese Serie interessiert habe. Als man mir damals das Konzept hinter „Rogue One“ erklärte, dachte ich mir: „Wer braucht den Mist?“. Am Ende stellte sich heraus: „Ich brauche diesen Mist, weil es einer der besten Star-Wars-Filme überhaupt geworden ist.“ Ähnlich skeptisch war ich auch gegenüber „Andor“, weil ich in dem Charakter Cassian Andor jetzt auch nicht viel Potenzial gesehen habe. Aber Showrunner Tony Gilroy (der als Autor für die Bourne-Filme verantwortlich war und auch an „Rogue One“ gearbeitet hat) hat etwas gesehen… und präsentiert uns wirklich grandioses Star Wars, das sich nur nicht wie Star Wars anfühlt.
Die 12 Folgen von „Andor“ Staffel 1 sind in vier Blöcke a drei Episoden geteilt… und erzählen so eine wirklich stark durchdachte Geschichte, in der wir die Anfänge der Rebellion auf subtile und clevere Art und Weise erleben. Dabei verzichtet „Andor“ auf dreitausend Easter Eggs, auf zig Anspielungen, sondern erzählt eine eigenständige Geschichte, die natürlich verwurzelt ist in der Star-Wars-Mythologie, aber sich nicht darauf ausruht. Das ist so erfrischend.
Grandios sind in „Andor“ aber auch die Figuren. Ich hätte nie gedacht, dass Mon Mothma mich interessieren würde. Aber wie sie hier hinter dem Rücken des Imperiums Pläne schmiedet, wie sie in ihrer eigenen Familie für Ordnung sorgen muss, wie sie selbst immer wieder in die Enge gedrängt wird und dann teilweise auch echt unangenehme Entscheidungen treffen muss, all das baut sie als Charakter unglaublich stark aus. Mit einer Figur wie Skarsgards Luthen zeigt man uns, wie unterschiedlich Widerstand verstanden werden kann… und wie man im Geheimen es überhaupt schafft, sich Zugang zu wichtigen Strukturen im Imperium zu verschaffen. Goughs Meero liefert uns den Blick ins Imperium und zeigt uns hier, wie sie durch die Ränke steigt und an ihren Ansichten und Plänen festhält. Die Charaktere sind unglaublich vielfältig und vielschichtig geschrieben, sind wunderbar gespielt… und ja, natürlich ist auch Diego Luna als Andor wunderbar.
Die Serie zeigt uns Heists, zeigt uns Gefängnisausbrüche, Widerstände, politische Intrigen, Zweifel in den eigenen Reihen, Betrügereien. Leute werden eiskalt ausgenutzt, Leute werden gemein hintergangen. Man weiß selbst als Zuschauer irgendwann nicht mehr, wem man noch vertrauen kann und wem nicht. „Andor“ zeigt uns ein dreckiges Star-Wars, aber auch ein sehr greifbares Star-Wars-Szenario. Hier kann man sich nicht durch die Macht aus der Misere retten. Hier helfen einem keine Jedi, sondern nur der eigene Verstand. „Andor“ ist episch auf kleinem Raum und übertrumpft damit so vieles von dem, was wir bisher gesehen haben.
Diese Serie muss man aber wirklich im Ganzen genießen. Hier hat sich Disney das erste Mal keinen Gefallen mit den wöchentlichen Veröffentlichungen getan, weil diese Dreier-Blöcke doch echt zusammenbleiben sollten. Aber davon mal abgesehen, ist „Andor“ wirklich einfach eine der besten Star-Wars-Serien überhaupt.
Wertung: 9 von 10 Punkten (diese Richtung sollte Star Wars in Zukunft häufiger eintreten)
Deine Kritik hätte nahezu 1:1 von mir stammen können. Hatte zu Beginn auch kein wirkliches Interesse an der Serie, doch letztendlich bin ich begeistert. Habe noch zwei Episoden vor mir und freue mich jetzt schon, dass es weitergeht.
Das Finale ist der Hammer. Die Serie ist einfach fantastisch… unglaublich, dass Star Wars sowas auch mal kann. Ich hoffe, so geht das bei denen weiter.
Da bin ich mittendrin stecken geblieben. Nicht, dass sie mir nicht gefällt, aber irgendwie ist die Serie auch deprimierend und so weit weg vom ursprünglichen Weltraummärchen.
Ja, das stimmt. Vom Märchen-Charakter ist das wirklich sehr weit weg. Aber ich finde es okay. Mit so vielen Stoffen kann man auch mal was un-märchenhaftes machen. Passt halt gut zu Rogue One.