Geschichten aus dem Horror-Nähkästchen
Guillermo del Toro hat eine Horror-Netflix-Serie produziert. Das allein wäre ja schon interessant genug. Aber nein, er produziert sie wirklich nur und lädt sich für jede einzelne Episode einfach namenhafte Regisseure ein, die Kurzgeschichten oder eigene Stories verfilmen. So wird aus „CABINET OF CURIOSITIES“ ein interessantes Sammelsurium aus verschiedenen Stilen und Geschichten, bei denen mich dann vor allem die beiden Lovecraft-Verfilmungen brennend interessiert (und dann leider beide enttäuscht haben). Ich geh jetzt hier mal im Schnelldurchlauf einfach alle acht Episoden durch.
In „Lot 36“ von Guillermo Navarro spielt Tim Blake Nelson ein rechtes Veteranen-Arschloch, das in einem Lagerraum auf etwas Interessantes stößt. Diese Folge hat sich sehr gezogen, weil wir gefühlt Nelson die Hälfte der Zeit dabei zusehen, wie er Zeug aus dem Lagerraum schleppt. Im Finale, wenn der Horror dann losgeht, wird das Ganze wirklich sehr aufregend (und hat sogar auch leichte Anlehnungen an Lovecraft)… aber gereicht hat das für mich nicht. Da steckte die viel spannendere Geschichte einfach am Ende und daraus wurde nicht viel gemacht. Tim Blake Nelson ist zwar super in der Rolle, ein wirkliches Arschloch, aber das reicht leider nicht aus. (Wertung: 5 von 10)
„Cube“-Regisseur Vincenzo Natali ist als nächstes dran mit „Graveyards Rats“. David Hewlett spielt einen Grabräuber, der es mit fiesen Monsterratten zu tun bekommt. Auch diese Folge fängt etwas schleppend an, wird dann aber doch ganz interessant. Natali überzeugt mit sehr klaustrophobischen Bildern, die mich teilweise fast ein bisschen an „The Descent“ erinnert haben. Seine Monsterratten sind scheinbar viel mit praktischen Effekten unterlegt, was deutlich zum „Spaßfaktor“ der Episode beisteuert… und einen netten Twist hat das Ganze am Ende auch. War auf jeden Fall eine unterhaltsamere Folge, die nur etwas braucht, um in die Gänge zu kommen. (Wertung: 6 von 10)
Auf die Episode von David Prior habe ich mich dann sehr gefreut. Immerhin hat er mich mit „The Empty Man“ einfach sehr von sich überzeugen können. Bei ihm in „The Autopsy“ soll F. Murray Abraham mehrere Leichen untersuchen, die bei einem merkwürdigen Vorfall in einer Mine ums Leben kamen. F. Murray Abraham ist einfach toll, Prior baut zudem eine ziemlich düstere und unheimliche Atmosphäre auf… und die Auflösung der ganzen Geschichte fand ich ziemlich unterhaltsam. Dazu kommen sehr blutige und herrlich schräge Effekte, die Folge 3 zu meinem ersten vorsichtigen Highlight der Serie machten. (Wertung: 7 von 10)
Mit ihrem Debüt „A Girl Walks Home Alone At Night“ hat mich Ana Lily Amirpour damals echt umgehauen. Ein fantastischer, stylischer Vampir-Film, den man gesehen haben muss. Ihren Netflix-Film „The Bad Batch“ mit Jason Momoa fand ich dann eher mau. In dieser Serie liefert sie aber wieder richtig ab. Ihre vierte Episode „The Outside“ ist die beste Folge der gesamten Serie. Kate Micucci verfällt einem merkwürdigen Schönheitsprodukt, das ihr der Mann aus dem Fernseher (Dan Stevens aus „Legion“) anpreist. Micucci spielt sich die Seele aus dem Leib und ist absolut fantastisch. Diese Folge ist super schräg, gleichzeitig sehr charmant und liebenswürdig. Dann aber auch einfach nur bitterböse und hart. Man durchläuft in dieser einen Stunde echt alle Emotionen… das Ganze hat sich angefühlt, als hätte es auch von einem Tim Burton zu seinen Hochzeiten kommen können. Dabei ist das Ganze natürlich auch ein fiese Abrechnung mit dem Schönheitswahn… (Wertung: 8 von 10)
Kommen wir jetzt zu den beiden Folgen, auf die ich mich eigentlich am meisten gefreut habe: Die Lovecraft-Episoden. Zuerst ist Regisseur Keith Thomas mit „Pickman’s Model“ dran… Ben Barnes spielt einen Küsntler, der auf Pickman trifft, einen Maler, der alptraumhafte Bilder zeichnet. Pickman wird von einem sehr überzeichneten Crispin Glover gespielt (den ich seit „Back to the Future“ in nichts mehr wirklich gesehen habe)… aber das war’s auch schon. Mir fehlte in dieser Folge einfach diese dunkle Stimmung, die in Lovecrafts Geschichte aufkommt. Ja, die Bilder, die wir sehen, sind schon gut gemacht, die Visionen, die ausgelöst werden, sind stimmig… aber so richtig wollte das Ganze einfach nicht auf mich wirken. Es wirkte alles sehr konstruiert. Schön konstruiert, aber nicht wirklich effektiv. (Wertung: 4 von 10 Punkten)
Danach ist dann Regisseurin Catherine Hardwicke dran mit „Dreams in the Witch House“. „Harry Potter“-Star Rupert Grint versucht Kontakt mit dem Geist seiner Schwester aufzunehmen und lockt dabei eine unheimliche Hexe aus einer anderen Dimension an. Für sich allein ist diese Episode ganz okay. Grint spielt gut, diese Hexen-Dimension ist auch ganz interessant und Hardwicke liefert auch ein paar tolle Schockmomente ab, die Gruselspaß liefern. Wenn man aber die tatsächliche Story kennt, die viel mehr mit Cthulhu-Mythos und den Alten Göttern von Lovecraft verwurzelt ist, ist das Ganze eine ziemliche Enttäuschung. Schließlich nimmt man sich nur die Namen aus der Story und macht was ganz, ganz anderes draus. Da waren meine Erwartungen sehr viel höher… trotzdem für sich eine „okaye“ Folge. (Wertung: 5 von 10)
Die vielleicht merkwürdigste Folge der Serie kommt von Panos Cosmatos. Gleichzeitig habe ich von der aber auch viel erwartet… immerhin finde ich seinen Film „Beyond the Black Rainbow“ fantastisch. In „The Viewing“ versammelt „Robocop“ Peter Weller ein paar herausragende Leute um sich, um ihnen etwas besonderes zu zeigen. Die Episode sieht verdammt stylisch aus (hat mich tatsächlich vom Look sehr an „Black Rainbow“ erinnert), hat einen tollen Synthie-Soundtrack und einen tollen Cast („The Mummy“ Sofia Boutella ist unter anderem auch dabei). Aber das war’s. Die meiste Zeit sitzen diese Leute einfach nur im Kreis, rauchen, kiffen, trinken und reden. Bis das tatsächliche „Viewing“ stattfindet, muss man lange warten. Dann wird es kurz blutig und sehr merkwürdig… und am Ende fragt man sich, was man hier eigentlich gerade geguckt hat. Irgendwie ist es cool, irgendwie zündet es aber auch nicht so richtig. (Wertung: 5 von 10)
Den Abschluss liefert dann „The Babadook“-Regisseurin Jennifer Kent mit „The Murmuring“. Essie Davis aus „The Babadook“ und „The Walking Dead“-Star Andrew Lincoln spielen ein Ornithologen-Ehepaar, die auf einer einsamen Insel in einem einsamen Haus Vögel beobachten. Dabei wird vor allem sie von unheimlichen Erscheinungen geplagt. Folge 8 kommt sehr langsam daher, ist aber durch Kent sehr wirkungsvoll inszeniert. Sie setzt auf ruhigen Horror, gepaart mit ein paar schönen jump scares und lässt vor allem das Drama des Ehepaares zu einem der Punkte werden, die einen immer wieder treffen. Kent zeigt hier wirklich gut, was sie kann… und so liefert sie die zweite Highlight-Folge der Serie ab. (Wertung: 7 von 10)
Insgesamt ist „Cabinet of Curiosities“ auf jeden Fall ein interessantes Projekt, von dem gerne auch noch eine zweite Staffel kommen darf. Del Toro versammelt einfach sehr viele interessante Menschen um sich und lässt sie ihr eigenes Ding durchziehen. Dadurch entsteht natürlich viel, was vielleicht einem nicht so gefällt, aber eben auch ein paar Sachen, die wirklich im Gedächtnis bleiben.
Wertung insgesamt: 6 von 10 Punkten
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Eigentlich mag ich diese Kurzfilme sehr gerne, aber ich hatte noch keine Zeit hier reinzusehen und eigentlich auch kein Netflix mehr, falls sie endlich geschnallt haben, dass ich gekündigt habe :))
😅😅😅 Vielleicht bis sie es checken, noch schnell ein paar davon gucken 🙈
Uuuund wieder jemand, bei dem ich lese/höre, dass die Lovecraft-Adaptionen Grütze waren. 🙂 Habe ich auch so empfunden. Da ich die Vorlagen kenne, verstehe ich auch nicht so ganz, warum geändert werden musste, was geändert wurde. Beide wurde mit Lebens- und Familiengeschichten ausgeschmückt, ich weiß nicht, ob es das gebraucht hat.
Meine Highlights waren auch „The Autopsy“ und „The Murmuring“, aber auch „The Viewing“. Ich mochte wie der Sammler von seiner „Sammlung“ überwältigt wird. Der Anfang war mir zwar auch zu gemächlich, aber dafür hatte der Style. Zusammen mit der Eskalation am Ende erkennt man Panos Cosmatos darin sehr gut …
Ja, Lovecraft haben sie nicht gut getroffen. Das war übel. The Viewing war sehr Panos Cosmatos, aber mir dann doch zu drüber 🤣 Autopsy und Murmuring fand ich aber auch toll.