Noahs Taube und die Schattenfische
Ich muss gleich eins vorweg sagen: Ich werde diesem wunderbaren, schrägen, hypnotischen, absurden Meisterwerk „ANGEL’S EGG“ von Mamoru Oshii wahrscheinlich nicht gerecht werden können. Es ist schwer in Worte zu fassen, was ich da gesehen habe… diesen Film, dieses filmische Kunstwerk muss man echt selbst gesehen haben (und das könnt ihr zum Glück auch, denn der Film ist einfach auf YouTube zu finden). Was der Macher von „Ghost in the Shell“ hier auf die Beine gestellt, ist wirklich was Eigenes, Verrücktes und Faszinierendes.
Ein junges Mädchen lebt in einer düsteren Welt und bewacht ein Ei. Auf ihrer Wanderschaft begegnet sie einem jungen Soldaten, mit dem sie dann gemeinsam durch eine verlassene Stadt zieht.
Das ist alles, was ich zur Story sagen kann und will. Das Ganze bezieht sich dann auch noch irgendwie auf die Legende von Noahs Arche, ist gespickt mit religiösen Anspielungen und von einer bedrückenden Atmosphäre, die zusätzlich dadurch getragen wird, dass in dem ganzen Film, der knapp 70 Minuten lang ist, vielleicht 10 Minuten insgesamt was gesagt wird. Ansonsten schmeißt uns Mamoru Oshii einfach in diese Welt voller leerer Häuser, verwinkelter Gassen und einem bedrückenden Wolkenhimmel.
Man begreift hier nichts so richtig… das Ganze beginnt mit einer riesigen mechanischen Kugel, die aussieht wie ein Auge, das aufsteigt und auf dem hunderte von Statuen stehen. Durch dieses Auge wird dann später auch das Mädchen wach und zieht eben mit ihrem Ei durch die Gegend. Sie trifft auf riesige Panzer, die die Straßen der Ruinenstadt durchqueren, überall stehen Statuen von Fischern herum, die irgendwann im Laufe des Films zum Leben erwachen, um Jagd auf riesige Urzeitfische zu machen, die aber nur noch als Schatten existieren.
Wenn man sich zu „Angel’s Egg“ beliest, taucht immer wieder auf, dass Mamoru Oshii zu dem Zeitpunkt wohl sehr mit seinem eigenen Glauben gekämpft hat… und das spürt man im Film auch sehr: diese Verzweiflung und vor allem das Hinterfragen von einem ja schon blinden Glauben an etwas, was man nicht einmal versteht. Da kommt dann das Ei ins Spiel. Das Mädchen scheint zu wissen, was es damit auf sich hat. Der Soldat hinterfragt es immer wieder… man kann „Angel’s Egg“ mit Sicherheit in all seine Metaphern aufbröseln und stundenlang über diesen Film philosophieren… genau das will Mamoru Oshii auch. Deswegen erklärt er uns nichts, sondern wirft uns einfach nur in dieses wunderschöne gezeichnete Bild von Depression und Verzweiflung.
„Angel’s Egg“ ist durch die Sprachlosigkeit ein Film, der wirklich wie ein Kunstwerk durch seine Bilder getragen wird. Dadurch, dass Oshii uns hier grandiose Bilder liefert, die uns durch diese mysteriöse Geschichte führen, war ich wie gebannt von all dem. Es hat einfach etwas Faszinierendes, etwas Hypnotisches. Man erwartet, dass hinter der nächsten Häuserwand vielleicht etwas kommt, was einen näher zu einer Erkenntnis bringt. Die minimalistische Musik von Yoshihiro Kanno trägt zu dieser bedrückenden Stimmung dieser düsteren Welt nur noch mehr bei… und dank dieser eigenen Ratlosigkeit, dem eigenen Rätseln um die Schattenfische, die Fischer, das merkwürdige Auge, geriet ich mehr und mehr in den Bann dieses Films.
Wie gesagt, Worte werden diesem Film nicht wirklich gerecht. Man muss ihn wirklich selbst gesehen haben. Diese Bilder sind aber auf jeden Fall beeindruckend. Diese Schwere dieser Welt legt sich einem aufs Haupt, diesen ständigen Wind und die Nässe spürt man irgendwann auch in den eigenen Knochen. Es ist sehr körperlich, diesen Film zu schauen… Mamoru Oshiis Bilder, diese Musik, diese ganzen Rätsel: all das wird zu einem faszinierenden Erlebnis, wie ich es schon lange nicht mehr bei einem Film hatte.
Wertung: 9 von 10 Punkten (verwirrend, hypnotisch und einzigartig)
Es gibt ja Fressneid – gibt es auch Filmneid? Ich wollte den schon ewig sehen, lasse mich aber scheinbar zu oft mit irgendwas ablenken und vergesse es. Danke für die Erinnerung! Mich überkam etwas Neid, dass du den schon gesehen hast. Aber gut zu wissen, dass der auf YT ist. Da vergesse ich immer nachzuschauen, weil dort auch soviel Schrott und Fakes unterwegs sind.
Hahaha… nein, da muss kein Filmneid sein. Aber ja, hol den mal unbedingt nach… und ja, gerade bei diesen alten Filmen gucke ich immer gerne mal auf YouTube. Ist zwar wirklich oft viel Mist, aber manchmal findet man auch was. 😅