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Rise Roar Revolt

14. Oktober 2022

Ich habe ein kleines Faible für das indische Kino. Vielleicht ist es bekannt, vielleicht nicht mehr so, aber ich habe damals meine Magisterarbeit zu Bollywood-Filmen geschrieben und bin dabei in diese wunderbare Filmwelt versunken, die uns Indien beschert (und habe nebenbei natürlich auch gelernt, dass nicht alles aus Indien gleich Bollywood ist). Aber seit dieser Zeit meiner Abschlussarbeit habe ich das Thema ein bisschen schleifen lassen… wirklich Neues habe ich kaum geguckt, sondern meist höchstens mal einen der alten Filme, die damals auf meiner Liste standen, erneut geguckt. Doch jetzt schwirrt ja schon seit längerem ein indischer Film auf Netflix rum, der ziemlich gefeiert wurde… und das nicht nur auf Netflix. „RRR“ ist nicht nur einer der teuersten Produktionen des Landes, sondern auch einer der erfolgreichsten des Jahres. Und der Erfolg bezieht sich nicht nur auf indische Kinokassen… ich muss schon echt sagen, es ist schade, dass ich „RRR“ nur bei Netflix gesehen habe, dieses Machwerk hätte ich gerne auf der großen Leinwand gesehen.

Als ein junges Mädchen aus dem Gond-Stamm durch den indischen Gouverneur Scott (Ray Stevenson) entführt wird, macht sich Bheem (N.T. Rama Rao Jr.) auf nach Delhi, um sie zu befreien. Doch sein geplanter Angriff auf den Herrscher wird publik und ein Kopfgeld wird auf ihn ausgesetzt. Der ambitionierte indische Polizist Raju (Ram Charan) setzt alles daran, den Täter zu schnappen. Nur weiß er nicht, nach wem er sucht. So lernt er Bheem kennen und die Beiden werden beste Freunde… bis zu jenem Tag, an dem sich ihre gegenseitigen Interessen überschneiden und Raju sich entscheiden muss, ob er seinen besten Freund verrät oder nicht. Denn für Raju steht weit mehr auf dem Spiel, als es den Anschein hat.

„RRR“ (steht für „Rise Roar Revolt) spielt vor der indischen Unabhängigkeit und stellt sich die Frage, was wohl passiert wäre, wenn zwei bekannte (und auch sehr reale) Freiheitskämpfer wie Bheem und Raju Freunde gewesen wären. Das Ganze wird dabei zelebriert, als wären diese Männer Superhelden gewesen… weswegen wir Bheem in einer seiner ersten Szenen auch beim Kampf gegen einen Tiger erleben dürfen, den er mit Hilfe von ein paar Fallen und seinen bloßen Händen erlegt. Aber auch Raju ist ein Tier… in seiner ersten Szene prügelt er sich einfach mal durch Tausende von Menschen, um einen Mann gefangen zu nehmen. Hier merkt man schon: Dieser Film wird wild. Grandiose Kamera-Fahrten, Zeitlupen, verrückte Action-Sequenzen, bei denen der Schauspieler förmlich durch die Luft fliegt – all das ist dafür da, diese beiden Männer in grandios übertriebene cineastische Bilder zu pressen, um ihren Heroismus noch mehr abzufeiern. Wer nach diesen ersten Bildern noch nicht das Gefühl hat, hier würden zwei Götter auf der Erde wandeln, der hat nicht richtig hingeguckt. Diese bombastische Bildsprache (anders kann man das nicht nennen) behält der Film seine drei Stunden gut bei… und überspitzt es im großen Finale sogar noch, wenn die beiden Männer wirklich zu Sinnbildern der Götter werden und in noch krasseren Zeitlupen kämpfen (ob nun der eine auf den Schultern des anderen sitzt oder sie gekonnt mit Pferd und Motorrad auf ihre Feinde zu preschen – hier wird alles bis ins Größte ausgereizt).

Diese Bilder bringen einen zum Schmunzeln, zum Lachen, aber sie ziehen einen auch echt in ihren Bann, weil sie eben so gut inszeniert sind. Was zur Story natürlich gut beiträgt ist die Chemie zwischen N.T. Rama Rao Jr. und Ram Charan. Hier haben wir möglicherweise die beste Bromance des Jahres. Und diese Freundschaft wird auch auf die härteste Probe gestellt… die ersten anderthalb Stunden bauen all das schön auf. Es gibt natürlich ein paar schöne Tanznummern, in denen beide Schauspieler auch zeigen, dass sie nicht nur gut kämpfen können. Es gibt die üblichen Komplikationen und dann das erste Mini-Finale von der Intermission. Danach wird der Film ein bisschen politischer, geht mehr noch auf die Unterdrückung der Inder durch die britischen Besatzer ein und findet dann einen Weg aus der Geschichte einer Freundschaft den Freiheitskampf eines ganzen Volkes zu machen. Sprich: dieser Film fängt episch an und wird einfach nur noch epischer.

Und ja, möglicherweise bin ich beeinträchtigt durch meine Liebe zu diesen Filmen, aber ich mag sie einfach auch. Die Charaktere in diesem Film sind liebevoll gezeichnet, sympathisch und ehrlich (selbst in ihrer Unehrlichkeit). Die bösen Besatzer sind richtige Biester, damit man auch direkt weiß, wen man von Anfang an hassen muss. Diese Welt von „RRR“ ist bunt, schön, aber auch brutal und gemein. Dadurch, wenn man sich auf den Film einlässt, erlebt man auch eine wilde Achterbahnfahrt der Gefühle. Klar, das ist alles sehr überspitzt, aber es funktioniert… ich liebe es.

„RRR“ ist ein geiler Film, der Spaß macht, der einen zum Lachen bringt, der einen zum Weinen bringt, der im Kern eine wunderschöne Freundschaft thematisiert und dazu Action liefert, die bekloppter ist als das, was wir teilweise bei „Fast and Furious“ mittlerweile zu Gesicht bekommen, aber in dieser Beklopptheit viel mehr aufgeht, das Ganze auch ernst genug nimmt und uns einfach einige der unterhaltsamsten Action-Sequenzen des Jahres liefert.

Wertung: 9 von 10 Punkten (Gewalt, Gesang, Tanz, Liebe, Freiheit – dieser Film hat einfach alles)

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  1. 2022 | Going To The Movies

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