Fürchte dich vor den Wolken!
Ich bin ja mit „Akte X“ groß geworden. Keine andere Serie hat mich so sehr beeinflusst wie diese. Ich meine, ich habe wirklich alles zu den Fällen gelesen, bin voll aufgegangen in den Verschwörungstheorien, habe mich für UFOs und das Weltall interessiert, wollte unbedingt endlich meinen ersten Anzug haben, um wie Fox Mulder durch die Gegend zu laufen. Gillian Anderson als Scully war mein erster Celebrity-Crush. Ich fing wegen Mulder an, Sonnenblumenkerne zu essen und besorgte mir diese fette Taschenlampe, mit der Mulder und Scully sehr oft unterwegs waren (denn nur mit ordentlicher Taschenlampe ist man ein ordentlicher Ermittler). Gleichzeitig fing ich auch an zu überlegen, ob ich ebenfalls fürs FBI arbeiten kann. Also zu behaupten, keine Serie hätte mich mehr beeinflusst als „Akte X“, ist damit wirklich keine Übertreibung. Jetzt ist ein Film in den Kinos, der meinen inneren Fox Mulder wieder erweckt hat und dabei aber gleichzeitig verdammt gekonnt mit meinen Erwartungen, was UFOs angeht, gespielt hat: „NOPE“ von Jordan Peele.
OJ (Daniel Kaluuya) und Em Haywood (Keke Palmer) haben die Pferde-Ranch ihres Vaters übernommen, auf der sie Pferde für Film und Fernsehen trainieren. Angegrenzt an ihre Ranch betreibt Ricky „Jupe“ Park (Steven Yeun) einen Cowboy-Themenpark, der dank Jupes‘ Vergangenheit als Kinderstar ziemlich erfolgreich verläuft. Doch irgendwas stimmt hier nicht… Pferde verschwinden, der Strom geht immer wieder aus. OJ und Em sind sich sicher, ein UFO ist für all das verantwortlich – und wollen damit groß abräumen, in dem sie das Ganze filmen. Leider ist das nicht so einfach wie gedacht.
Jordan Peele ist zurück. Nach „Get Out“ und „Wir“ beschert uns der einstige Comedy-Star nun also eine Sci-Fi-Horror-Geschichte, die es wirklich in sich hat… und vielleicht, aber ganz vielleicht sein bisher bester Film sein könnte.
Peele liefert in der ersten Hälfte ein Horror-Drama, in dem es unheimliche Momente gibt, in denen der Regisseur aber auch perfekt mit den Stilmitteln des Genres spielt – und Jump Scares so gekonnt dekonstruiert, dass sie auf der einen Seite verdammt effektiv sind, auf der anderen aber auch ironisch betrachtet werden. Man könnte diese erste Hälfte durchaus einen Slow-Burner nennen, aber das klingt irgendwie immer so negativ… denn Peele baut hier einfach erstmal seine Charaktere auf.
Keke Palmer und Daniel Kaluuya spielen ein wunderbar gegensätzliches Geschwister-Paar. Sie ist die Aufgeweckte, die Extrovertierte, die gut mit Menschen kann, die reden wie ihr der Schnabel gewachsen ist. Er ist der Ruhige, der Introvertierte, der Menschen nicht mal so richtig in die Augen schauen kann, der sich in der Einsamkeit der Ranch mit den Pferden viel wohler fühlt. Und so ergänzen sich die Beiden und Palmer und Kaluuya liefern eine unglaublich gute Performance ab. Kaluuya hat so eine Schwere in seinem Spiel, die durch Palmers Leichtigkeit konteragiert wird. Diese Zwei passen einfach perfekt in diese Story. Dazu kommt dann noch ein Steven Yeun, der nach „Burning“ und „Minari“ mal wieder zeigt, dass es echt gut für ihn war, „The Walking Dead“ hinter sich zu lassen. Sein Jupe bekommt aber auch eine krasse Geschichte aufgedrückt, bei der Peele in seine Vergangenheit als Kinderstar geht und mit einem ziemlichen Schocker aufwartet, den ich hier einfach nicht spoilern kann. Seid euch nur gewiss: Jupe ist vielleicht die tragische, fehlgeleitete Figur in diesem Film.
Nachdem Peele also die Figuren so gut ausgearbeitet hat, ist er ja auch immer noch ein Experte für Horror. Und da wäre ja noch dieses UFO, das sich hinter den Wolken versteckt. Hier verneigt sich Jordan Peele dann würdig vor einem Meister – nämlich Steven Spielberg. Das Ganze wird hier zu einem Mix aus „Unheimliche Begegnung der dritten Art“ und „Der Weiße Hai“ (und natürlich gewürzt mit einer guten Prise „Akte X“, weil alle UFO-Vorfälle, die in „Nope“ geschehen, haben Mulder, Scully und ich schon zu genüge erfoscht). „Cloud Watching“ bekommt in „Nope“ definitiv eine ganz neue Bedeutung. War da jetzt schon was in den Wolken? Wo könnte das UFO als nächstes ausbrechen? Wie der Hai in Spielbergs Klassiker sehen wir das UFO nur selten, spüren aber die Auswirkungen und werden gemeinsam mit Em und OJ zu UFO-Jägern.
Dabei huldigt Peele nicht einfach nur den alten UFO-Mythen, nein… das wäre für einen Jordan Peele nicht die richtige Herangehensweise. Ich sagte ja schon, er spielt hier mit unseren Erwartungen und lässt sich für seinen Film ein Konzept einfallen, das ich hier jetzt auch nicht verraten werde, aber es ist einfach nur genial. Das habe ich so nicht kommen sehen und auch in anderen Filmen so noch nicht gesehen. Es ist aber eine wirklich coole Idee, die Peele hier dann auch mit einer Bildgewalt und einem Sound präsentiert, die einen einfach nur umhaut.
„Nope“ ist definitiv ein „Yes“-Film. Unbedingt gucken. Dieser Mix aus Drama, Horror und Science-Fiction ist einfach nur grandios und macht wahnsinnig viel Spaß.
Wertung: 9 von 10 Punkten (yes, yes, yes)
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