Zum Inhalt springen

Das Korsett der Kaiserin

22. Juli 2022

Jetzt kann ich es endlich mal sagen: Ich habe noch nie einen der „Sissi“-Filme mit Romy Schneider gesehen. Hat mich, wenn ich ehrlich bin, nie so wirklich interessiert. Natürlich bin ich mir der Beliebtheit dieser Filme bewusst, aber mein einziger Berührungspunkt mit der berühmten Kaiserin Österreichs war die „bullyparade“, wenn Bully und Co. sich über Sissi und Franz lustig gemacht haben. Aber jetzt habe ich es doch geschafft, darüber hinaus mal mehr über die Kaiserin zu erfahren… auch wenn Marie Kreutzers „CORSAGE“ in eine ganz andere Kerbe schlägt als die Filme mit Romy Schneider.

Österreichs Kaiserin Elisabeth (Vicky Krieps) feiert ihren 40. Geburtstag – und gilt damit 1877 als alte Frau. Für sie, die aber immer auch (und vor allem wegen) ihres Aussehens bewertet wurde, ein schwerer Schlag. Mit den unmöglichsten Diäten und sportlichen Aktivitäten versucht die Kaiserin, ihre Wespentaille auch mit 40 noch in das Korsett quetschen zu können. Elisabeth wird immer unsicherer, was noch ihre Bedeutung für den Kaiser (Florian Teichtmeister) ist und läuft immer wieder vor ihren Aufgaben am Hof davon. Erst verbringt sie Zeit mit dem englischen Reitmeister Bay Middleton (Colin Morgan), dann versteckt sie sich in Ungarn und versucht, sich irgendwie selbst zu finden.

Regisseurin und Autorin Marie Kreutzer liefert mit „Corsage“ einen sehr interessanten Sissi-Film. Während in den Romy-Schneider-Filmen die junge, schöne und von allen verehrte Kaiserin gezeigt wurde, sehen wir jetzt die „alte Frau“, die den gesellschaftlichen Sichtweisen auf ihre Person irgendwie versucht weiterhin gerecht zu werden und dabei nicht mehr weiß, wer sie selbst überhaupt noch ist. In der Rolle der Kaiserin, die ja – wie ihr Mann ihr selbst sagt – eine rein repräsentative ist, ist sowas natürlich noch schwieriger. Du sollst halt nur das schöne Aushängeschild des Kaisers sein, nett lächeln und den Mund halten, wenn die Herren reden. Und es ist echt sehr faszinierend zu sehen, wie Kreutzer die Kaiserin hier durch diese Sinnkrise steuert… zuerst ist es noch dieses verzweifelte Festhalten an dem Schönheitsbild des jungen Ichs (zumal ihr ja auch ständig der Klatsch und Tratsch zugetragen wird), dann kommt das Weglaufen, die Angst… bevor dann irgendwann auch eine Art Befreiungsschlag erfolgt. Der bezieht sich hier im Film dann nicht nur auf die hochgepriesenen Haare der Kaiserin, sondern auch (und vor allem) auf ihre eigene Einsicht, dass sie sich selbst anders sehen muss. Dabei eckt sie natürlich überall an…

… und gerade dieses Anecken untermalt Kreutzer auf eine sehr interessante Art und Weise: Immer wieder besucht die Kaiserin nämlich eine Anstalt für Frauen, die dort wegen ihrer Hysterie, ihrer Melancholie oder wegen Ehebruch behandelt werden. Alles Dinge, die man der Kaiserin so auch diagnostizieren könnte, aber weil sie eben die Kaiserin ist, bleibt ihr das Leid der Frauen in der Anstalt erspart. Dass sie dort trotzdem immer wieder auftaucht, führt ihr auch nochmal vor Augen, dass sie in ihrem Leid nicht allein ist – nur eben durch ihre Stellung ganz anders damit umgehen muss.

Marie Kreutzer geht unglaublich feinfühlig mit der Kaiserin um, gleichzeitig wirkt das Geschehen auch immer leicht surreal, weil Kreutzers spätes 19. Jahrhundert wirkt manchmal zu vertraut. So kümmert sich die Regisseurin nicht darum, wenn die Türen und Lampen in manchen Szenen doch recht modern wirken. So hört man zwischendurch auch mal die Stones, gesungen von einer Harfen-Spielerin… und immer wieder hat man so diese Momente, in denen „Corsage“ einfach nur das Setting irritiert, wobei „irritieren“ das falsche Wort ist. Es ist einfach so ein Gefühl, dass das hier alles irgendwie anders ist. Als würde man einen Blick in ein anderes Universum werfen – was Kreutzer ja eigentlich auch bezweckt. Schließlich wird Sissi eher als die jugendliche, schöne Kaiserin gefeiert. Sie zeigt uns die alternde Kaiserin, die ihrer eigenen Schönheit nicht mehr traut – und es deswegen lieber hat, wenn ihre Liebhaber sie einfach nur angucken.

Dabei verliert sich der Film zwar manchmal in seiner eigenen Melancholie, manche Handlungsstränge werden sehr in die Länge gezogen und manchmal erliegt der Film der Lethargie der Kaiserin und kommt nicht so richtig in Gang.

Vicky Krieps, die hier in der Rolle der Kaiserin Elisabeth zu sehen ist, ist aber wunderbar in der Rolle. Sie verleiht dieser von außen und selbst gebeutelten Frau eine Gravitas, das man sich eigentlich ständig fragt: „Wie kann eine Frau wie du nur an sich selbst zweifeln? Wie kann ein Tornado wie du sich Gedanken darum machen, was andere denken?“ Aber das ist dann halt eben auch genau das, was „Corsage“ uns zeigen will… und Kreutzer und Krieps vermitteln das und erzählen uns die andere Geschichte der Kaiserin.

Wertung: 7 von 10 Punkten (der Sissi-Film, den ich eher bevorzuge)

4 Kommentare leave one →
  1. kathl7 permalink
    24. Juli 2022 16:34

    Ich hätte nie damit gerechnet, hier von einem Film von einer steirischen Filmemacherin über die österreichische Kaiserin zu lesen. Das freut mich als Steirerin, die seit jeher von Kaiserin Elisabeth fasziniert ist, so sehr, dass ich jetzt mal meine Rolle als bloß stille Mitleserin verlasse und auch hier meinen Senf dazugebe:
    Dieser Film wirft einen in die Gefühlswelt einer unverstandenen Frau. Das Verlieren in Melancholie und Lethargie, wie du es beschreibst, und die oft bewusst eingesetzte, unangenehme Stille sind meiner Meinung nach das stärkste am Film, weil man hier spürt, wie sich Sisi wirklich gefühlt hat. Die Leistung von Vicky Krieps ist grandios.

    Kleine Anmerkung am Rande:
    Ich liebe die Sissi-Filme mit Romy Schneider. Gehören zum Pflichtprogramm an Weihnachten.

    • donpozuelo permalink*
      25. Juli 2022 09:37

      Hallo stille Mitleserin 😅 freut mich, dass ich dich aus der Reserve locken konnte. Und ja, der Film ist echt super.

      Irgendwann werde ich mir auch mal die alten Sissi-Filme geben… habe die ja, wie gesagt, nie gesehen.

      • kathl7 permalink
        27. Juli 2022 07:51

        Da bin ich dann echt auf deine Meinung gespannt. Wenn hier dazu dann etwas von dir veröffentlicht wird, gibts sicher wieder einen Kommentar von mir😊.

Trackbacks

  1. 2022 | Going To The Movies

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..

%d Bloggern gefällt das: