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Die Braut Jesu

20. Mai 2022

Paul Verhoeven hat uns Klassiker wie „Total Recall“, „RoboCop“ oder auch „Starship Troopers“ geliefert. Mit Filmen wie „Basic Instinct“ oder „Showgirls“ sorgte er für kleinere und größere Skandale (und wahrscheinlich die Abnutzung des Pause-Knopfs auf früheren VHS-Rekordern)… aber das war’s. Es wurde ein wenig still um den Mann… und ich muss gestehen, auf seinen neuesten Film „BENEDETTA“ hatte ich nie so richtig Bock. Ein Film über eine lesbische Nonne, die Visionen hat, klang für mich damals, als der im Kino läuft, jetzt nicht sonderlich aufregend. Doch dann hörte ich von so einigen, wie toll und verrückt dieser Film doch sei… und wollte der guten Bendetta mal eine Chance geben. Immerhin ist es ein Paul Verhoeven Film.

Benedetta Carlini (Virginie Efira) wird als junges Mädchen in das Kloster der Stadt Pescia gesteckt, wo sie von nun an leben soll. Hier lernt sie nicht nur die junge Bartolomea (Daphné Patakia) kennen und auch lieben… nein, hier wird sie auch immer wieder von Visionen heimgesucht. Visionen, in denen sie Jesus persönlich trifft… und durch ihn sogar die Stigmata bekommt. Ihre Geschichte verbreitet sich im ganzen Land, das gerade von der Pest heimgesucht wird – und ihr Mythos macht sie sogar zu Äbtissin. Sehr zum Ärger der alten Äbtissin Felicita (Charlotte Rampling)… die zudem noch beobachtet, wie Benedetta und Bartolomea sich lieben. Also wendet sich Felicita an die kirchliche Obrigkeit.

Die Nonne Benedetta Carlini hat es wirklich gegeben, ihre Geschichte, die Verhoeven hier erzählt, hat sich so in etwa tatsächlich abgespielt. Allerdings wurden Aufzeichnungen über sie und den Prozess gegen sie erst sehr spät entdeckt. Die Geschichte selbst bleibt dabei natürlich eine spannende, gerade, wenn man die Zeit bedenkt, in der sie spielt. Verhoeven lässt es in seinem Film zum Beispiel gekonnt offen, ob Benedetta wirklich die Stigmata erfahren oder sie sich möglicherweise selbst gemacht hat, um aufzusteigen. Gerade auch ihre Visionen spielen damit, sehen wir in ihnen Jesus doch wie eine Art Actionheld, der die arme Schwester, seine Braut, vor Schlangen und Banditen bewahrt, in dem er sich mit Macheten und Schwertern zermetzelt. Hier kommt dann auch der klassische, die Brutalität liebende Verhoeven zum Einsatz…

… die setzt er aber tatsächlich auch nur in diesen Visionen ein. Wenn es später zu Folterungen durch die Obrigkeit der Kirche kommt, erspart uns Verhoeven das. Die Schreie und das vorherige Erklären, wie welches Folterinstrument funktioniert, reichen auch vollkommen aus. Kopfkino ist halt immer noch ein sehr starkes Instrument für Filmemacher.

Verhoeven konzentriert sich dann doch lieber auf die Ereignisse innerhalb des Klosters, baut seine Benedetta als vom Glück gesegnetes Kind auf, das wie durch ein Wunder überlebt, als eine schwere Marienstatue auf sie fällt… schon früh mal Verhoeven hier ein Wunderkind, aber lässt es – wie gesagt – immer offen, ob sie einfach möglicherweise nur verdammt clever ist und berechnend durch die Ränge des Klosters geht, um für sich ein besseres Leben zu bekommen. Die dadurch entstehenden inneren Intrigen und Anschuldigungen geben „Benedetta“ dann noch eine besondere Würze.

Als ich hörte, dass Verhoeven einen Film über eine lesbische Nonne machen würde, hatte ich schon die Befürchtung, das Ganze würde sexuell sehr ausarten… aber erstaunlicherweise geht der Regisseur diese Liebe zwischen Benedetta und Bartolomea sehr behutsam an. Das ist jetzt nicht plakativ einfach nur die männliche Sichtweise auf lesbischen Sex, auch wenn ich irgendwie zwangsläufig an „Porträt einer jungen Frau in Flammen“ denken musste und wie viel harmonischer und gefühlvoller eine Celine Sciamma so eine Beziehung erzählt hat. Am Ende hat mir bei Verhoeven nämlich so das kleine, gewisse Etwas gefehlt, warum sich ausgerechnet jetzt diese Beiden so schwer ineinander verlieben. Das hätte der Film in meinen Augen ein wenig stärker thematisieren können…

… aber dank toller Schauspielerinnen kann man das auch als Kritikpunkt vernachlässigen. Gerade Virginie Efira als Benedetta ist großartig… sie schafft es, dieser Figur genau das richtige Maß an Geheimnisvollem zu geben, bei dem man sich halt den ganzen Film über fragt, wie viel sie von all dem einfach eiskalt geplant hat. Charlotte Rampling als Mutter Oberin ist ebenfalls stark und liefert die nüchterne Seite zu all dem.

Insgesamt ist „Benedetta“ als ein Film von Paul Verhoeven fast schon handzahm, aber gut… mit dem Alter ist das vielleicht so. Und gleichzeitig merkt man, dass Verhoeven an dieser Geschichte gelegen war, die er ganz ohne große Skandale erzählen will.

Wertung: 7 von 10 Punkten (Verhoeven mal etwas anders)

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