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Hamlet, der Berserker

22. April 2022

Robert Eggers hat sich mit „The VVitch“ einen Namen gemacht und uns einen bedrückenden, aber unglaublich starken Horror-Film geliefert, der mehr den psychologischen Horror innerhalb einer Familie zeigte, die sich alle gegenseitig hinterfragen, als dass es offensichtlicher Horror war (so wie es der Trailer fälschlicherweise zeigen wollte). Danach legte er mit „The Lighthouse“ nach und schuf ein atmosphärisch dichtes Psychogramm zweier Leuchtturmwärter, die mehr und mehr dem Wahn (oder dem Gesang der Meerjungenfrauen?) verfallen. Auch dieser Film war ein starkes Stück Kino… mit dem Eggers zeigte, dass sein Erstling keine Eintagsfliege sein würde. Jetzt kommt mit „THE NORTHMAN“ der dritte Film von Eggers in die Kinos – und der ist mainstreamiger als seine Vorgänger, aber nicht weniger aufregend.

Der Junge Amleth (Oscar Novak) muss mit ansehen, wie sein Vater, Wikingerkönig Aurvandil (Ethan Hawke) von seinem Onkel Fjölnir (Claes Bang) ermordet und seine Mutter Gudrun (Nicole Kidman) entführt wird. Amleth kann fliehen, schwört aber, seinen Vater zu rächen, seine Mutter zu befreien und seinen Onkel zu töten. Jahre ziehen ins Land, Amleth (jetzt Alexander Skarsgard) ist mittlerweile ein gefestigter und brutaler Wikinger geworden, wird der Krieger an seinen Schwur erinnert und beginnt mit der Sklavin Olga (Anya Taylor-Joy), seine endgültige Rache an Fjölnir zu planen.

Man merkt „The Northman“ sofort an, dass sich Eggers (der das Drehbuch gemeinsam mit dem isländischen Autoren Sjón geschrieben hat) wirklich sehr intensiv mit der Wikinger-Kultur beschäftigt hat. „The Northman“ fühlt sich in seiner Darstellung (für jemanden wie mich, der sich mit nordischen Sagen und Riten ungefähr so gut auskennt wie mit seinem Auto-Motor) authentisch an – und zeigt die tiefe religiöse Verbundenheit der Wikinger zu ihren Göttern. Wenn Amleth und sein Vater sich in Trance begeben, um ihren Bund als Könige zu stärken, wird das sehr trippy. Wenn der erwachsene Amleth mit seinen Kriegern ums Lagerfeuer tanzt und alle dabei heulen wie die Wölfe, wird das richtig martialisch…

Und „martialisch“ ist irgendwo auch das richtige Wort für diesen Film. „The Northman“ ganz platt beschrieben ist nämlich genau das: halbnackte Männer brüllen bestialisch wie die Wölfe und prügeln sich anschließend das Leben aus dem Leib. Das wird dann alles vermischt mit einer ordentlichen Prise nordischer Mythologie und beeindruckenden Fantasy-Elementen und fertig ist „The Northman“.

Dabei würde man aber vernachlässigen, dass die Geschichte rund um den nordischen Prinzen Amleth tatsächlich die Inspiration für Shakespeares „Hamlet“ gewesen ist und sich der Vater-Mord, die Intrigen am Hof und Hamlets schwerer Weg in dieser Wikinger-Geschichte wiederfinden. Oberflächlich ist „The Northman“ einfach nur ein Wikinger-Metzelfest, aber die Geschichte und die Figuren sind zu gut geschrieben, um den Film einfach nur als solches abzutun. Gerade in den Figuren zeigen sich die Stärken eines Eggers. Neben der brutalen Action (und die ist wirklich ordentlich brutal) baut Eggers hier sein vor-shakespearisches Drama auf und hat dafür natürlich auch die passenden Darsteller gefunden.

Alexanders Skarsgard ist ein Tier. Anders kann man das nicht sagen. Er passt perfekt in diese Rolle – gerade natürlich auch optisch ist er ein Berserker, wie man ihn sich nur vorstellen kann. Anya Taylor-Joy ist eh immer großartig, selbst wenn sie hier nicht so stark gefordert wird wie noch in „The VVitch“. Nicole Kidman ist stark in der Rolle der Mutter. Ethan Hawke in seiner kurzen Rolle ist wunderbar… und wie gesagt, ich könnte die Liste so weiter durchgehen. Die Figuren funktionieren, sind gut ausgearbeitet – selbst wenn einige von ihnen wirklich nur kleinere Nebenrollen sind. Aber Eggers hält hier die Zügel straff und hat wirklich alles unter Kontrolle.

Dazu liefert uns Kamera-Mann Jarin Blaschke tolle Bilder aus Island und so entsteht ein tolles Gesamtkunstwerk, bei dem einfach so ziemlich alle Punkte abgehakt werden, die ich bei so einem Wikinger-Epos brauche: Es gibt Drama, es gibt Fantasy, es gibt brutale Fights und Action, es gibt große Landschaftsaufnahmen, die die Menschen schrumpfen lassen. Man friert förmlich mit den Leuten, man fiebert mit Amleth mit und hat einfach wirklich das Gefühl, vollkommen in diese Welt der Wikinger hineingezogen zu werden.

Eggers beweist einfach einmal mehr, dass er ein grandioser Autor und Filmemacher ist, der auch in einer etwas mainstreamigeren Story etwas besonderes findet und es uns zeigt. Kann gerne so weitergehen.

Wertung: 9 von 10 Punkten (tolles Wikinger-Shakespeare-Drama mit viel Blut, Intrigen, Verrat und Fantasy)

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