Hextech
Ich bin mal wieder etwas spät zu einem 2021-Serien-Hype gekommen… was aber auch wirklich daran lag, dass mich „ARCANE“ schon allein deswegen nicht ansprach, weil es scheinbar als Plattform dafür genutzt wurde, um ein neues Handy-Spiel von „League of Legends“ zu promoten. Als ich das hörte, dachte ich nur: „Okay, die lassen sich das aber ganz schön was kosten.“ Und gleichzeitig konnte ich mir nicht vorstellen, dass die Macher sich da jetzt sonderlich große Mühe gemacht haben… wenn das Ganze mehr so als neuer Köder für zukünftige LOL-Zocker dienen sollte. Aber dann kamen die Kritiken und lobten „Arcane“ förmlich in den Himmel. Dann kamen die Zuschauer und lobten „Arcane“ förmlich in den Himmel. Als mein bester Freund, der für gewöhnlich nur selten Serien guckt, damit anfing, die Serie ebenfalls zu loben… wartete ich noch ein paar Wochen, bevor ich mich dann doch dazu entschied, dem Ganzen mal eine Chance zu geben. Tja… und was soll ich sagen, ich habe es am Ende auch nicht bereut.
Piltover ist eine Stadt, die wortwörtlich alles hat. In der Oberstadt floriert das Leben, schwelgen die Menschen in Luxus, wird von genialen Wissenschaftlern an neuen Technologien geforscht, die Piltover zu einer noch erfolgreicheren und reicheren Stadt machen. Zu diesen Wissenschaftlern gehören Jayce und Viktor, die Hextech entwickeln, eine Mischung aus Technologie und Magie. In der Unterstadt dagegen regiert das Verbrechen, es ist düster und gefährlich. Hier wachsen die beiden Schwestern Vi und Powder auf… doch durch die Umstände – und vor allem den Unterweltboss Silco und dessen Machenschaften – kommt es zum Bruch zwischen den Beiden.
Kommen wir erstmal zum wichtigsten Punkt: Ich habe absolut keinerlei Berührungspunkte mit der Welt von „League of Legends“, abgesehen jetzt von „Arcane“. Von daher kann ich nicht sagen, ob die Serie dieser Welt gerecht wird, ob alles akkurat nach Lore gegangen wurde oder ob die Figuren so sind, wie sie sein sollen. Aber das ist mir in diesem Fall auch herzlich egal. Als Außenstehender kann ich nur sagen, ich war ziemlich schnell sehr gefangen von dieser Welt und ihren Figuren.
Nehmen wir allein nur mal diese Welt, diese riesige Stadt Piltover, die eines der besten Steampunk-Erlebnisse gewesen ist, die ich in letzter Zeit hatte. Es hat mich ein bisschen an das Spiel „Dishonored“ erinnert, aber nur ein bisschen. Denn „Arcane“ treibt diesen Steampunk noch sehr viel weiter. Ich konnte mich an dieser Stadt allein schon nicht satt sehen… zumal hier auch so unglaublich gut mit Kontrasten gespielt wird. Die Oberstadt ist Luxus pur, in hellen Farben, mit verspielten Designs und was nicht noch alles, während die Unterstadt ein düsteres Etwas ist, wo hinter jedem Schatten eine Gefahr lauern könnte.
Wie dieser „bauliche“ Kontrast dann durch die Figuren weiterausgebaut wird, gehört zu den großen Stärken von „Arcane“. Wir lernen eine Vielzahl von Bewohnern Piltovers kennen, aber die Serie vermeidet es tunlichst, die Ober- oder die Unterstadt in eine Schublade zu stecken. Es gibt Gut und Böse auf beiden Seiten, Schwarz und Weiß verwäscht sich ziemlich schnell zu Grau und so erlebt man unter all diesen Charakteren extrem spannende Entwicklungen. Man nehme mal nicht nur die beiden Schwestern, die im Mittelpunkt der Handlung stehen, sondern allein nur Jayce und Viktor, die Erfinder von Hextech. Allein diese Beiden durchlaufen interessante Phasen. Mit Jayce erleben wir den politischen Konflikt in der Stadt, die unterschiedlichen Ansichten, was Fortschritt angeht und wer hier wie tickt. Mit Viktor begeben wir uns tiefer in die Mysterien von Hextech und bauen gleichzeitig einen Gewissenskonflikt zwischen ihm und Jayce auf.
Diese Ambivalenz innerhalb der Figuren findet sich bei JEDEM einzelnen Charakter und macht deren ganze Entwicklung innerhalb der Serie so spannend. Die ersten drei Episoden wirken dabei wie eine Art Prolog, bevor wir dann einen Zeitsprung haben, der das alles noch weiter vorantreibt. Erzählerisch ist „Arcane“ echt so viel komplexer und vielschichtiger, als ich es anfangs für möglich gehalten hätte.
Dazu kommt ein visueller Stil, der sehr aufregend und vor allem aufwendig ist. Offensichtlich haben sich die Macher ein Beispiel an „Spider-Man: Into the Spiderverse“ genommen und testen die Grenzen der Animation bis zum letzten aus. Das ist spannend und sieht dann vor allem in den grandiosen Action-Sequenzen (die natürlich auch nicht fehlen dürfen) absolut fantastisch aus.
Das Einzige, was mich dann immer ein wenig irritiert hat, war die Liebe der Serie zur Band „Imagine Dragons“, die nicht nur den Titel-Song liefern, sondern die sogar einen richtigen Cameo als Unterstadt-Band bekommen, was für meinen Geschmack etwas zu viel des Guten war, aber okay… 😀
„Arcane“ hat aber auf jeden Fall echt wahnsinnig viel Spaß gemacht. Es hat mich jetzt nur leider nicht dazu gebracht, mich mehr mit der „League of Legends“-Welt zu befassen. Ich will einfach nur ne zweite Staffel. Das reicht mir schon.
Wertung: 9 von 10 Punkten (erzählerisch packend, Action geladen und faszinierend…)
Hypes schrecken mich oftmals ab. Ich weiß nicht, ich hab da manchmal einfach keine Lust drauf und wurde zu oft enttäuscht, wenn ich einem Hype folge (Haus des Geldes bspw.) Noch schlimmer, wenn das der Ableger von etwas ist, von dem ich keinen blassen Schimmer habe. In dem Fall League of Legends.
Bisher hat mir allerdings auch noch niemand erklärt, worum es in Arcane geht. Wobei Unter- und Oberstadt erstmal sehr nach Battle Angel Alita für mich klingt.
Aber bei Steampunk hattest du mich schon etwas …
Ich sehe das mit Hypes wie du. Nur selten werden Sachen ihrem Hype wirklich gerecht. Arcane ist aber wirklich sehr, sehr gut. Allein die Geschichte der zwei Schwestern ist für sich schon stark ausgebaut und emotional. Und das Ganze funktioniert halt auch ohne das Vorwissen ziemlich gut. Dem solltest du echt mal ne Chance geben…