Te adoro, Maria!
Braucht man 2021 noch eine Verfilmung von „WEST SIDE STORY“, ist vielleicht durchaus eine berechtigte Frage. Aber wenn schon überall alles mit Neuauflagen versehen wird, warum sollte man das im Musical-Genre anders machen? Zumal: Wenn ein Steven Spielberg dahinter steht, der ja bislang noch kein Musical auf seiner stetig wachsenden und vielfältigen Filmographie hat, wollen wir doch mal nicht so sein, oder? Richtig… und deswegen habe ich mich auch ein bisschen auf dieses Remake gefreut, in der Hoffnung, Spielberg würde dem Ganzen einen neuen und interessanten Anstrich verpassen. Was soll ich sagen? Ich wurde nicht enttäuscht.
An der Story hat sich auch 60 Jahre nicht viel geändert. Wir sind immer noch in New York, irgendwann in den 50er Jahren. Ein Bezirk soll platt gemacht werden, um Platz für neue Wohnhäuser zu schaffen. Dieser Bezirk ist aber von den Jets und Sharks hart umkämpft. Die Jets, angeführt von Riff (Mike Faist), hassen die Sharks, angeführt von Bernardo (David Alvarez), mit Inbrunst. Die Sharks erwidern dieses Gefühl mit ebenso großer Inbrunst. Und es kommt natürlich auch bei Spielberg zur scheinbar unmöglichen Liebe zwischen Tony (Ansel Elgort) und Maria (Rachel Zegler)… wie soll es auch anders sein.
Man merkt die „Andersartigkeit“ von Spielbergs Version schon direkt zu Beginn. Wenn bei ihm die Jets und Sharks sich durch die Straßen tanzend jagen, leben diese Straßen, lebt das ganze Bild. Die Kamera wirbelt wie ein unsichtbarer Tänzer um das Geschehen und zeigt uns eine Welt, die sehr viel lebendiger ist als im Original. Selbst wenn die Jets ins Gebiet der Sharks kommen, verändert sich dieses New York allein durch das Licht, das Spielberg einsetzt. Die Welt der Sharks wirkt fröhlicher, heller, viel gefüllter mit Menschen.
Man merkt der Spielberg-Version einfach an, dass hier ein Mann nicht nur eine Vision, sondern auch die Mittel hatte, diese umzusetzen. Alles wirkt sehr viel dynamischer, die „America“-Version wandert aus der engen Wohnung von Anita (Ariana DeBose) raus in den Flur, die Treppen hinunter und durch die Straßen des Viertels. Wenn Tony das erste Mal zu seiner Maria aufsteigt, ist das wie ein Tanz der Verliebten auf einer Feuerleiter. Aber ein wirkliches Highlight ist bei Spielberg – wie schon im Original – dieser Kampf-Tanz in der Sporthalle. Nur wirkt der bei Spielberg fantastischer, opulenter, rasanter und – um das Wort mal wieder zu verwenden – lebendiger.
Die Tanznummern bestechen durch eine Kreativität und eine atemberaubende Kamera-Führung, die einen wirklich mitten ins Geschehen reißt. Da hat mich Spielbergs „West Side Story“ sehr viel mehr noch mitgenommen als das Original. Spielberg spielt mit Sets, mit Schnitten, mit Licht, mit der Kamera wie der Profi, der er nun einmal ist. Schließlich kann er an der Story nicht groß viel verändern… und dennoch traut er sich das auch ein bisschen. Er verschiebt einen sehr wichtigen Song und rückt ihn dadurch in ein sehr viel dramatischeres Licht. Eine Entscheidung, die wirklich gut ist und lange nachwirkt. Da merkt man halt, dass ein Spielberg weiß, wie man bei den Zuschauern Emotionen hervorruft.
Die Story finde ich aber auch bei ihm einfach ein wenig gestreckt – halt genau so wie ich es schon ein wenig beim Original bemängelt habe. Aber auch da weiß Spielberg am Ende ein wenig hervorzustechen. Sein Cast ist nämlich wunderbar eingespielt… und das Faszinierende ist: Sein „West Side Story“ wird zu einem bilingualen Erlebnis. Denn alle Sharks wechseln ständig zwischen Spanisch und Englisch hin und her. Dabei unterhalten die sich manchmal sehr lange auf Spanisch… aber Spielberg verliert dadurch seine nicht-spanisch sprechenden Zuschauer nicht. Denn dank der wunderbaren Darsteller wird auch so klar, worüber die gerade reden. Durch einzelne englische Wortfetzen, durch die Emotionen und die Gesten wird auch das absolut verständlich und fühlt sich einfach sehr viel organischer an.
Der Cast rund um Ansel Elgort ist wirklich super… und kommt ja auch komplett aus dem Musical-Bereich. Highlight war für mich Ariana DeBose als Anita, die einfach eine unglaubliche Präsenz hat. Mike Faist als Riff hat mich immer an einen Peter Pan erinnert und war ebenfalls verdammt stark. Neuankömmling im Film-Geschäft Rachel Zegler hat das passende zarte Wesen und Stimmchen für die Maria und auch wenn ein Ansel Elgort jetzt kein Musical-Mensch ist, hält er sich ziemlich wacker. Schon in „Baby Driver“ hat man ja gesehen, dass er sich rhythmisch bewegen kann. Hier macht er es endgültig fest.
Spielbergs „West Side Story“ zelebriert Hollywood Nostalgie, liefert fantastische Bilder, die perfekt fürs Kino gemacht sind und zeigt, dass diese Geschichte und diese Songs auch nach 60 Jahren nichts von ihrem Glanz verloren haben… genauso wenig wie eine Rita Moreno, die hier eine wunderbare kleine Nebenrolle hat.
Wertung: 8 von 10 Punkten (frischer Farbanstrich für einen alten Klassiker)
Schaue ihn gleich und das klingt doch sehr vielversprechend
Ich bin gespannt, was du zum Film sagst.
Ohne zu viel zu sagen: Nach der Sichtung bin ich der Meinung, dass das der Film mit den meisten Oscar-Nominierungen sein wird.