Te adoro, Tony!
Stephen Sondheim ist vor kurzem verstorben. Und wenn es nicht wegen Netflix wäre, wüsste ich (schändlicherweise) nicht einmal, wer Stephen Sondheim überhaupt ist. Doch vor kurzem hatte ich ja „Tick, tick… Boom“ geguckt, dieses wirklich sehr empfehlenswerte Musical von Jonathan Larson über Jonathan Larson, von Lin-Manuel Miranda mit Andrew Garfield in der Hauptrolle. Und darin taucht ja auch ein von Bradley Whitford gespielter Stephen Sondheim auf. Sondheim wiederum ist derjenige, der die Texte für Leonard Bernsteins Musik zu „WEST SIDE STORY“ geschrieben hat. Doch nicht deswegen habe ich mir das ORIGINAL VON 1961 noch einmal angeschaut, sondern natürlich auch wegen Steven Spielberg, der sein Remake auch bald in die Kinos bringt.
Wir befinden uns in den 50er Jahren. Ein kleiner Bezirk in New York ist vom Kleinkrieg zweier Gangs geplagt: Die Jets, angeführt von Riff (Russ Tamblyn), und die Sharks, angeführt von Bernardo (George Chakiris). Die Jets hassen die puerto-ricanischen Sharks und umgekehrt. Und doch entwächst diesem Streit eine zarte Knospe der Liebe… zwischen Tony (Richard Beymer) von den Jets und Maria (Natalie Wood), Schwester von Bernardo.
„Romeo und Julia“ mitten in New York. Das zeigt mal wieder, dass die Geschichte des alten Barden wirklich zeitlos ist und immer noch gut funktioniert. 1961 wurde aus dem gefeierten Broadway-Musical dieser Klassiker, der insgesamt 10 Oscars einsackte und immer noch eines der erfolgreichsten Musicals überhaupt ist.
Es war schon ein bisschen her, dass ich diesen Film das letzte Mal gesehen hatte, aber er hat kaum was von seiner Faszination eingebüßt. Es ist immer noch grandios, wie dieser Film die Enge und das Gefängnisartige dieses kleinen, umkämpften Bezirks darstellt. Ständig steht irgendwer vor einem Maschendrahtzaun und versucht diese „Mauer“ irgendwie zu überbrücken. Natürlich merkt man dem alten Film sehr an, dass er rein im Studio entstanden ist, aber die beiden Regisseure Robert Wise und Jerome Robbins (für die Choreografien verantwortlich) lassen dieses New York dennoch lebendig werden… und halt gleichzeitig wie einen riesigen Käfig wirken, in dem sich diese „Tiere“ gegenseitig an die Gurgel gehen wollen. Auch wenn der Film vom Set hier und da eingeengt wird, schaffen die Macher schöne Szenarien, in denen sich die Handlung abspielt.
Leider ist es mir hier mal wieder aufgefallen, dass die Handlung für einen Film doch ziemlich schleppend ist. Das hangelt sich zwischen den einzelnen Musikstücken doch etwas langatmig durch die Geschehnisse und hätte vielleicht hier und da filmisch etwas gestrafft werden können. Zumal ja auch einfach viel über die Songs vermittelt wird, was nicht nochmal zwingend erzählt werden muss. Ich bin kein Fan vom ewigen Gesinge (wie bei „Les Miserables“), aber „West Side Story“ zieht sich doch ganz schön.
Dafür wird man dann aber durch Stephen Sondheims Songs entschädigt, die immer noch absolut fantastisch sind. Kernstück ist für mich persönlich immer noch „America“, diese musikalische Diskussion, ob Amerika nun so viel besser ist oder nicht. Der Tanz in der Sporthalle ist auch immer wieder ein schönes visuelles Highlight und definiert quasi den Begriff „dance battle“ auf die bestmögliche Art und Weise. „Gee, Officer Krupke“ ist ein komödiantisches Meisterstück, das auch seine Darsteller doppelt fordert und einfach nur Spaß macht. Aber gut, ich könnte jetzt einfach alle Songs auflisten und irgendwas dazu sagen: Sie sind alle toll. Daran hat sich nichts geändert, und daran wird sich auch bei Spielberg nichts ändern. Die sind zeitlos.
Schauspielerisch ist „West Side Story“ vor allem auf der Frauenseite stark besetzt: Natalie Wood ist toll als Maria, aber Rita Moreno als Anita ist ein bisschen scene stealer für mich. Sie hat einfach viel mehr Wumms in ihrer Performance (und wurde dafür ja auch mit dem Oscar als beste Nebendarstellerin ausgezeichnet). Richard Beymer liefert als Tony eine gute Performance als der all-american-boy ab und passt optisch schön zu Wood. Ein bisschen überrascht bin ich ja dann doch gewesen, dass die meisten Darsteller in diesem Film dann doch die Bollywood-Richtung eingeschlagen sind und nicht selbst gesungen haben. Was aber zum Glück im fertigen Film nicht weiter auffällt.
Das alte „West Side Story“ mag vielleicht ein bisschen statisch wirken, weil es natürlich stark an klassische Studio-Sets gebunden ist, aber dank der Musik und der Songs ist es immer noch ein Erlebnis.
Wertung: 8 von 10 Punkten (ein Klassiker des Musicals)
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