Die Schwarze Witwe
Nein, das hier hat jetzt mal nichts mit „Black Widow“ zu tun. Schwarze Witwen gab es auch schon vor Marvel. Und genau so einer widmet sich Ridley Scott mit „HOUSE OF GUCCI“. Damit liefert der Regisseur ein ziemlich krasses Kontrastprogramm zu seinem zweiten Film, den er in diesem Jahr in die Kinos brachte. Während „The Last Duel“ ja wirklich sehr an die Nieren geht, ist „House of Gucci“ eine Mischung aus Biopic, Cinderella-Story, Soap Opera und „Game of Thrones“ – nur eben in der Welt der Mode.
Ende der 70er Jahre lernt Mauricio Gucci (Adam Driver), angehender Anwalt und Erbe des Gucci-Modehauses, die junge Patricia (Lady Gaga) kennen. Jene Frau, in die er sich unsterblich verlieben und die sein Leben auf den Kopf stellen wird. Nicht nur wird Patricia Mitte der 90er Jahre einen Attentäter auf ihren Mann ansetzen, sondern zu dem Zeitpunkt dafür gesorgt haben, dass das Haus Gucci von innen zerfressen und zerstört wird.
Aber bevor das alles losgeht, erzählt uns Ridley Scott erst einmal ein wunderschönes Märchen… von dem Mädchen, das einen reichen Prinzen trifft und in dessen Welt eintaucht. „House of Gucci“ serviert uns Pomp, Luxus und Glamour ohne Ende, garniert mit italienischen Opern-Arien und Popsongs der 70er und 80er. Das Ganze fühlt sich von Anfang an wie ein stylischer Gucci-Werbespot… der schon damit anfängt, dass Adam Driver perfekt gestylt mit seinem Fahrrad durch Rom fährt. Doch das Ridley Scott das Ganze nicht als Werbeveranstaltung betrachtet und alles mit einem recht schmunzelnden Auge betrachtet, wird einem auch relativ schnell deutlich… wenn man denn diesen Film im Original-Ton guckt, was ich hier ganz besonders empfehle.
Die Darsteller des Films haben sich nämlich alle italienische Akzente zugelegt… was im ersten Augenblick irgendwie befremdlich wirkt. Allein diese Akzente lassen „House of Gucci“ wie eine Parodie wirken, zumal die dann auch so sprechen, als wäre Englisch eben nicht ihre Muttersprache. Was aber die Akzente noch verstärkt, ist die Art und Weise, wie die Schauspieler vor der Kamera agieren. Allen voran Jared Leto, der in seiner Aufmachung als Paolo Gucci nicht wiederzuerkennen ist. Leto spielt in seiner ganz eigenen Welt, sein Paolo ist ein wirres, weinerliches, exzentrisches Etwas und genau so spielt Leto ihn auch. In Perfektion gebracht wird dieses Schauspiel, wenn Paolo in Einklang mit seinem Vater Aldo Gucci ist. Der wiederum wird gespielt von einem bestens aufgelegten Al Pacino, den ich schon lange nicht mehr so gut erlebt habe. Pacino hat hier den Spaß seines Lebens und dreht den Akzent und seine Darstellung auch ein klein wenig weiter auf als sonst.
Zu all dem kommt dann eine Lady Gaga, die das gesamte „House of Gucci“ zusammenhält, denn dieser Film ist sowas von ihr Film. Und Ridley Scott lässt ihre Patricia hier auch in einem interessanten Licht erscheinen. Er ergreift ein wenig Partei für die Frau, die ihren Mann umbringen ließ… und lässt sie dabei nicht unbedingt wie eine gemeine Schwarze Witwe aussehen, sondern wie eine Frau, die verzweifelt versucht, ihren Platz zu behaupten. Gagas Patricia ist wundervoll: Man verliebt sich von Sekunde 1 in sie, man bewundert sie für ihre Art und Weise, wie sie sich gegen alle Widrigkeiten behauptet; wie sie versucht, ihren Weg zu gehen, dabei aber doch auch immer an ihren Mauricio denkt. Sie wird zu einer tragischen Figur in „House of Gucci“ – womit man halt diesen Film eben doch nicht als reines Biopic betrachten sollte, sondern eben wirklich ein bisschen als Soap Opera.
Lady Gaga ist unfassbar in dieser Rolle. Ich mochte sie ja schon in „A Star is born“, aber wenn man gemein ist, könnte man sagen: „Da hat sie ja eigentlich ‚nur‘ eine Musikerin gespielt.“ Jetzt in „House of Gucci“ kann sie zeigen, was sie kann – und ähnlich wie Leto und Pacino dreht sie völlig frei – und ist so gut darin. Da erstaunt es fast, dass ein Adam Driver der Ruhigste in diesem ganzen Film ist, der wirkt, als wäre er nicht eingewiesen gewesen oder der einfach keine Lust hatte. Trotzdem ist er, damit keine falschen Eindrücke entstehen, auch super.
„House of Gucci“ ist ein Ensemble-Film, bei dem das Ensemble einfach perfekt ist. Trotzdem hat der Film ein paar Längen und überspringt manchmal ein paar Charakter-Entwicklungen – fast so, als hätte Ridley Scott irgendwann gemerkt, dass er ja noch mehr Geschichte erzählen muss. Wenn man aber den Zeitraum von gut 20 Jahren abgrasen will, geht leider hier und da ein bisschen was verloren. Immerhin befasst sich „House of Gucci“ insgesamt auch mit dem Zerfall des Modehauses und nicht nur mit Patricia – und hier hat der Film dann Züge von „The Founder“, wirkt nur leider nicht immer ganz so strukturiert. Gerade in der zweiten Hälfte, wenn Lady Gaga auch nicht mehr in jeder Szene im Vordergrund steht und Ridley Scott seine Pflicht-Geschichten über das Geschehen hinter den wirtschaftlichen Kulissen von Gucci abliefert, wirkt das Ganze manchmal etwas lahm.
Nichtsdestotrotz hatte ich wahnsinnig viel Spaß mit diesem Film, der eine wilder Seifen-Oper über die Schönen und Reichen ist.
Wertung: 8 von 10 Punkten (Lady Gaga beweist sich einmal mehr als großartige Schauspielerin und wir bekommen einen verrückten Film)
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