Der Mut einer Frau
Seit 2017 ist es ein wenig ruhig um Ridley Scott geworden. Den letzten wirklich großen Hit hatte er 2 Jahre davor mit „The Martian“, aber „Alien: Covenant“ war jetzt nicht gerade ruhmreich. Und ich habe das Gefühl, dass man über „Alles Geld der Welt“ nur redet, weil Kevin Spacey durch Christopher Plummer ersetzt wurde. Doch in diesem Jahr meldet sich Scott mit gleich zwei Filmen zurück: „House of Gucci“ kommt noch, aber „THE LAST DUEL“ läuft schon seit einiger Zeit in den Kinos. Und den wollte ich unbedingt sehen… nicht zuletzt auch deswegen, weil viele Kritiker diesen Film als „den wichtigsten Film des Jahres“ bezeichneten. Das macht gerade jemanden wie mich natürlich schon sehr neugierig.
Wir schreiben das Jahr 1386. Marguerite de Carrouges (Jodie Comer) beschuldigt Jacques Le Gris (Adam Driver), sie vergewaltigt zu haben, als ihr Mann, der Ritter Jean de Carrouges (Matt Damon) gerade im Krieg für seinen König kämpfte. Le Gris weist alle Anschuldigungen von sich, woraufhin Jean ihn zu einem Duell herausfordert. Wer am Ende überlebt, der hat vor Gott und allen die Wahrheit gesagt. Also muss Marguerite ihr Wohl in den Kampf zweier Männer legen, die einst sogar mal beste Freunde gewesen sind.
„The Last Duel“ ist ein historischer belegter Fall über das letzte gesetzlich untermauerte Duell in Frankreich. Ridley Scott erzählt uns dabei die Geschichte aus der Perspektive der drei Hauptfiguren, was viele Vergleiche mit Akira Kurosawas „Rashomon“ hervorgerufen hat, was hier aber nur so bedingt passt. „Rashomon“ erzählte eine Geschichte über die Wahrheiten, die Menschen für sich selbst bauen, um sich selbst in ein besseres Licht rücken zu können. In „The Last Duel“ ist das doch ein wenig anders. Da trifft das maximal noch auf Le Gris zu, der seinen Übergriff auf ein gegenseitiges Verlangen stützt. Marguerites Geschichte schmerzt dann umso mehr, wenn wir hier fast die gleichen Bilder wie bei Le Gris sehen, nur mit einer zu Tode erschrockenen und leidenden Frau, die sich nicht wehren kann. Als Kontrast dazu kommt dann die Geschichte ihres Mannes Jean etwas zu lang daher, weil er erst nach diesem Akt für all das von Bedeutung wird. Hier, finde ich, hätte Ridley Scott seinen Film auch etwas straffen können. Denn die wahre Geschichte liegt in der zwischen Marguerite und Le Gris… nur das Marguerite in einer Welt und in einer Zeit lebte, in der sie als Frau nichts mehr als eine Zuchtstute gewesen ist (was im Film auch sehr plakativ mit eben einer Zuchtstute deutlich gemacht wird) und auf die Hilfe ihres Mannes angewiesen ist. Erst hier hätte man auch dessen Perspektive näher beleuchten können.
Denn wo Marguerite als Frau in einem System gefangen ist, dass ihr keinerlei Rechte einräumt, ist auch ihr Mann in einem gefangen, in dem er durch die Willkür anderer alles verlieren könnte. Das beleuchtet Scott hier ziemlich gut. Gerade auch, wie gut Marguerite eigentlich wirtschaftet, wenn ihr Mann im Krieg ist, wie viel besser sie ist als er, sich dann aber doch wieder beugen muss. Spannend wird dann auch die Verhandlung, bei der Männer über Dinge entscheiden, während anwesende Frauen nur mit den Augen rollen und sich über die merkwürdigen Aussagen still ärgern müssen. Ridley Scott bringt es zustande, dass hier selbst Blicke mehr sagen als tausend Worte. Trotzdem wäre es vielleicht auch hier ein spannenderer Ansatz gewesen, die weibliche Perspektiven in dieser Welt an einigen Stellen noch deutlicher auszubauen.
Nur Blick reichen Ridley Scott aber nicht, er muss auch zeigen, dass er mehr kann als das… und liefert uns zwischendurch Schlachtengemetzel und am Ende natürlich auch das Titel gebende Duell. Beides wird ziemlich brutal und blutig in Szene gesetzt, wobei ich mich auch frage, ob das wirklich hätte sein müssen… das Drama und der Kampf Marguerites, ihre Wahrheit auch als solche akzeptiert zu bekommen, hätte in meinen Augen vollkommen ausgereicht. So wird „The Last Duel“ einfach etwas sehr lang, der Fokus hätte erst auch wirklich nur auf Le Gris und Marguerite liegen sollen… und dann erst Matt Damons Jean einbinden sollen.
Nichtsdetotrotz ist der Film sehenswert: Adam Driver ist eh immer super in seinen Rollen, Matt Damon wirkt manchmal etwas sehr angestrengt, dafür überstrahlt eine grandiose Jodie Comer alles. Ich habe sie jetzt erst durch „Free Guy“ kennengelernt und war da ja auch schon direkt ein Fan, aber „The Last Duel“ zeigt nochmal mehr ihre Stärken. Wer in diesem Film aber auch absolut seinen Spaß hatte, ist Ben Affleck als Orgien feiernder, saufender Fürst Pierre.
„The Last Duel“ ist ein starker Film, der ein spannendes Thema aufgreift, das natürlich gerade auch viele Bezugspunkte zur #metoo Bewegung hat, aber natürlich in seiner Erzählweise sehr in seinem historischen Kontext gebunden ist. Nichtsdestotrotz regt auch dieser Film über eine gute Diskussion zu diesem Thema an.
Wertung: 7 von 10 Punkten (starkes Thema, dass erzählerisch etwas ausgefeilter hätte sein können)
Erinnert von der Machart her sehr an „The Affair“ – wenn auch ein vollkommen anderer geschichtlicher Kontext. Jetzt wünsche ich, dass ich den doch gesehen hätte 🙂
Gibt es auf Disney+, falls du das hast
Ne, leider nicht. Ich weiß nicht, was es ist, aber ich kann mich einfach nicht dazu durchringen Disney+ zu abonnieren. Zwar taucht immer mal wieder eine Serie oder ein Film (wie der hier) auf, den ich gern sehen würde, aber der Eindruck, dass ich da nicht genug spannendes finde, hält sich hartnäckig.
Wie gefällt dir die Plattform bis jetzt?
Ich bin halt auch total abgeturnt von dem MCU im Moment. Der Hype bleibt gar nicht mehr bei mir haften … ansonsten sähe das wahrscheinlich anders aus.
Ja, ich kann dich da verstehen. Disney+ ist noch nicht so die Plattform, die auf eigenen Füßen steht. Zu wenig wirklicher Original Content… abgesehen halt von Marvel oder Star Wars. Das ist echt ein bisschen schade, weil nur dafür ist es auch echt ein bisschen mau.