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Hirschjunge sucht Mama

20. Oktober 2021

Ich war echt skeptisch. Ich war auch, ehrlich gesagt, kurz davor, mir die Serie überhaupt nicht anzuschauen. Aber meine Neugier hat dann doch gesiegt und so gab ich „SWEET TOOTH“ auf Netflix eine Chance. Warum ich skeptisch war??? Weil die Vorlage zur Serie, die gleichnamige Comic-Reihe von Jeff Lemire, zu einer meiner absoluten Lieblingscomic-Reihen zählt… und allein schon beim ersten Trailer zur Serie war ich skeptisch. Lemires Comic ist ziemlich düster und dreckig, der Trailer kam sehr bunt und fröhlich daher. Aber gut, nörgeln kann man ja immer… und ich versuche mir ja auch immer zu sagen: Adaption heißt nicht, dass man die Vorlage 1:1 umsetzen muss… vielleicht war es mein zu kritischer Blick, aber so richtig überzeugen konnte mich Netflix mit dieser Serie nicht.

Die Welt ist mal wieder untergegangen. Ein mysteriöses Virus (oh oh) rafft einen Großteil der Weltbevölkerung dahin. Zeitgleich werden auch die Hybriden geboren: Mensch-Tier-Mischwesen… von denen der junge Gus (Christian Convery) eines ist – ihm wächst ein Geweih und seine Ohren sind die eines Hirsches. Der wächst mit seinem Papa (Will Forte) in einer kleinen, abgeschiedenen Hütte auf. Als sein Vater jedoch stirbt, muss der Junge die Welt, vor der ihn sein Vater beschützen wollte, erkunden… um seine Mutter zu finden. Widerwillige Hilfe bekommt er dabei von „Big Man“ Jepperd (Nonso Anozie). Doch die Reise für den Süßigkeiten liebenden Gus (deswegen „Sweet Tooth) und Jepperd ist voller Gefahren.

Ich könnte jetzt anfangen, eine Liste zu führen, was in der Serie alles anders ist: Gus‘ Vater ist in den Comics schon fast ein religiöser Fanatiker, der seinen Sohn nach einer neuen Bibel, die er prophetisch selbst geschrieben hat, erzieht. Jepp hat früher mal für General Abbott gearbeitet, weil der dessen Frau entführte (eine Story, die man in der Serie einfach an Dr. Singh abgibt). Jepperd liefert Gus sogar in den Comics an Abbot freiwillig aus. Diese „Lost Boys“-ähnliche Gruppe, die Bear (Stefania LaVie Owen) in der Serie anführt, ist in den Comics eine unheimliche Sektenartige Truppe, deren Anführer sich Hund-Mensch-Hybriden als Haustiere hält. Singh (Adeel Akhtar) verliert seine ganze Familie an die Plage und kämpft nicht erst noch für das Überleben seiner Frau. Auch die Geschichte von Wendy (Naledi Murray) und Aimee (Dania Ramirez) wird so nicht in den Comics erzählt… und wenn ich ein Vollidiot wäre, würde ich auch noch sagen, dass Jepp in den Comics kein Schwarzer ist.

Aber mit sowas will ich nicht anfangen 😀 Wie gesagt, es ist eine Adaption. Und während sich die Comics wirklich sehr stark auf Gus konzentrieren, muss so eine Serie einfach ein bisschen breiter gedacht sein, muss mehr Figuren deutlicher ausbauen. Dass Dr. Singh seine eigene Story bekommt, fand ich noch ganz cool. Das zeigt uns doch , wie die Welt da draußen versucht, Ordnung ins Chaos zu bringen. Auch die ganze Aimee-Story fand ich niedlich…

Das Ding ist nur, das alles hat mich nie so richtig abgeholt. „Sweet Tooth“ hat das gleiche Serien-Problem, wie so viele Netflix-Produktionen. Aber hier ist es mir (wahrscheinlich wegen meines kritischen Blickes) besonders aufgefallen. Der Anfang ist extreeeeeeem langsam. Dieser Roadtrip von Gus und Jepperd war nicht sonderlich spektakulär und ich fand diese Apokalypse auch einfach zu nett, wenn ich das mal so sagen darf. Das ist alles in so hellen, kräftigen Farben gedreht, das war ich überhaupt nicht gewohnt. Die Apokalypse hat doch entsättigt und düster auszusehen. Oder etwa nicht??? Abgesehen davon fand ich auch die vielen Geschichten rund um Aimee und Singh zwar nett, aber mehr auch irgendwie nicht.

Ich finde, „Sweet Tooth“ hätte viel früher General Abbot (Neil Sandilands) als großen Big Bad, der Hybriden jagt, einführen sollen. So hat mir ehrlich gesagt auch immer eine Bedrohung gefehlt.

Was mich übrigens einfach nur genervt hat, war James Brolin als Erzähler, der in weisen Worten mit seiner tiefen Stimme kluge Dinge erzählt. Boah, das ging mir so auf den Keks und hat auch nicht so richtig zu all dem gepasst.

Die Darsteller sind aber stark. Das muss ich der Serie lassen. Ich mag auch, dass Gus und Jepp Bear als Neuzugang bekommen. Stefania LaVie Owen stiehlt den Beiden manchmal die Show. Nonso Anozie als Jepp mag ich aber auch. Sein Jepperd ist etwas zugänglicher als in den Comics, wo er ja wirklich ein sehr wortkarger Typ ist… und Christian Convery ist einfach das Herz dieser Serie. Deswegen mochte ich auch alle Sachen, die sich um ihn und seine Truppe drehen sehr viel mehr.

Etwas übertrieben fand ich dann im Finale, wie die Serie versucht, alles auf mysteriöse, schicksalshafte Weise miteinander zu verbinden. Das hätte ich jetzt nicht dringend gebraucht, aber okay…

Ich will ehrlich sein: Staffel 1 hat mich erst in den letzten beiden Folgen mehr überzeugt… und ich habe das Gefühl, mit Staffel 2 könnte ich mich mehr anfreunden. Jetzt sind nämlich erst alle Schachfiguren aufgestellt und die Partie kann losgehen.

Wertung: 5 von 10 Punkten (etwas lahmer Start, der aber Potenzial für Besserung hat)

2 Kommentare leave one →
  1. 2. November 2021 20:26

    Aaach Netflix. Das hatten wir ja vor einer Weile schon Mal, dass die Schere bei Netflix gefühlt so weit auseinander geht. Manchmal finden sich da absolute Perlen, aber die Masse an serien scheint zu sehr dem Mainstream genügen zu wollen. Die Muste sind so oft dieselben. Ein bisschen mehr weichspülen, lieber nicht zu edge oder düster, damit man eine breitere Masse ansprechen kann und dann die Adaptionen auch direkt auf mehr Staffeln auslegen als man müsste.
    Dabei ist Netflix was nicht die Eigenproduktionen, sondern Einkäufe betrifft, mehr um Nischen bemüht. Ich denke da an die Anime-Fraktion beispielsweise. Schon echt seltsam das … aber ich möchte es auch nicht mehrwegdenken, selbst wenn ich in letzter Zeit vor den Adaptionen eher ausreiße. Bei Locke & Key war es auch ähnlich wie du es bei Sweet Tooth beschreibst.
    Um Cowboy Bebop habe ich ja etwas Angst. Ich binge ja sonst nicht, aber das Datum ist im Kalender markiert.

    • donpozuelo permalink*
      4. November 2021 11:31

      Locke and Key habe ich nach 3 Episoden abgebrochen. Das ging irgendwie gar nicht. Bei allem zu Netflix gebe ich dir absolut Recht. Vor allem ist das auch echt komisch, weil die als eigenständige Marke doch wirklich auch ein Zeichen setzen könnten. Gerade auch Serien wie Dark oder Mike Flanagans Horrorserien haben es doch gut gezeigt.

      Sweet Tooth aber nicht. Bei Cowboy Bebop bin ich auch noch etwas skeptisch. Den neuen Trailer fand ich aber nicht schlecht. Gucke die Anineserie gerade nochmal in Vorbereitung und bin echt sehr gespannt. Hoffentlich versauen sie das nicht…

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