Kinderspiele
Wir sind mal wieder bei einem Serien-Hype angekommen, der gerade das Internet erobert. Und eigentlich will ich mich immer noch so vom Hype leiten lassen, weil zu häufig steckt dann doch nicht so wirklich was dahinter. Aber die Tatsache, dass ich „SQUID GAME“ ohnehin auf meiner Watchlist hatte (und zwar noch lange bevor der Hype losging – ja, so einer bin ich, ich erkenne den Hype schon vorher… hahaha, als ob), ließ mich dann doch dazu übergehen, der Serie eine Chance zu geben. Ich finde es zwar nach wie vor faszinierend, wie diese Serie weltweit so im Ansehen gestiegen ist, aber sie ist nichtsdestotrotz sehr unterhaltsam – auch wenn sie eigentlich eine Story erzählt, die nun wirklich nichts Neues ist.
Seong Gi-hun (Lee Jung-jae) ist hochverschuldet. Seine Frau hat sich vor langer Zeit von ihm getrennt, seine Tochter sieht er kaum noch. Da bekommt er ein merkwürdiges Angebot, bei einer Reihe von Spielen mitzumachen, bei denen dem Gewinner eine Menge Geld winkt. Dem Glücksspiel nicht abgeneigt stimmt Gi-hun zu. Er wird an einer bestimmten Stelle von einem Van abgeholt, betäubt und wacht mit 455 anderen Menschen in einer riesigen Halle wieder auf. Jeder von ihnen bekommt eine Nummer und sie müssen sich nach und nach verschiedenen Spielen stellen, die allesamt eigentlich Kinderspiele sind – mit dem großen Unterschied: Wer verliert, stirbt. Für jeden Toten wächst der Jackpot…
Filme wie „13 Sins“, „Battle Royale“, „Tribute von Panem“, Arnies „Running Man“, „Nerve“ oder auch zuletzt „Guns Akimbo“ mit Daniel Radcliffe in der Hauptrolle haben schon lange vorher das gemacht, was „Squid Game“ uns jetzt präsentiert: Menschen in tödlichen Spielen gegeneinander antreten lassen. Das Konzept ist altbekannt, aber nach wie vor auch eines, dass die Zuschauer immer wieder anzieht. Wahrscheinlich ködert das den inneren Spieltrieb in jedem von uns. Wie schätzen wir uns ein? Wie weit würden wir kommen? Wie weit würden wir gehen, um zu gewinnen? Was zählt in solchen Extrem-Situationen noch Loyalität und Ehre?
„Squid Game“ fängt genau das alles ziemlich gut ein. Mit Nr. 456, also Gi-hun, haben wir eine gute Identifikationsfigur, den Otto-Normalbürger, der einfach nur irgendwie überleben will. Aber es bleibt nicht bei ihm. Die Serie von Auto und Regisseur Hwang Dong-hyuk liefert uns aus den Teilnehmern eine Bandbreite an verschiedenen Charakteren, von denen uns eine gute Auswahl näher vorgestellt wird. Darin liegt dann letztendlich auch eine der großen Stärken von „Squid Game“: Die Charaktere jucken einen, man fiebert mit ihnen mit, man leidet mit ihnen mit und die Serie gibt uns genug Zeit mit ihnen, um eben auch genau diese Art von Gefühlen aufzubauen.
Gleichzeitig überrascht das Konzept der einfachen, aber tödlichen Aufgaben und verführt einen als Zuschauer noch mehr dazu, sich selbst zu überlegen: „Könnte ich das schaffen?“. Ob nun ein Spiel um Murmeln oder Tauziehen oder oder oder… „Squid Game“ hat Kinderspiele, die man so noch nicht erlebt hat. Dabei geht es dann dementsprechend auch ziemlich brutal zur Sache (aber das ist man ja vom koreanischen Kino auch schon gewöhnt). Aber die Spiele verkommen nicht zu billigen Show-Effekten, sondern spielen auch nur wieder auf das Menschliche an. Hier zeigt sich dann, wie viel Vertrauen letztendlich wert ist, wie wichtig Loyalität sein oder nicht sein kann. Das sind dann auch die Momente, in denen einen „Squid Game“ mehr zu schocken weiß als in den „klassischen“ Mörder-Szenen.
Dazu streut Autor und Regisseur Hwang gekonnt auch Einblicke in die Welt hinter den Kulissen des Spiels ein. Die Mitarbeiter in ihren roten Overalls und ihren Masken erinnern einen ein wenig an „Haus des Geldes“, aber da hört dieser Vergleich auch schon wieder auf. Die Serie weiß das Mysterium der Spiele selbst gut auszunutzen und auch auszukosten. Wir werden hier und da (Folge 5 und Folge 7 sind da besonders wichtig) mit interessanten Informationen gefüttert, die aber längst nicht alle komplett auserzählt werden. Für eine mögliche zweite Staffel ist so noch genug Stoff.
„Squid Game“ hat wirklich Spaß gemacht. Es war aufregend, bewegend und spannend bis zur letzten Folge. Das Konzept ist halt wirklich nichts Neues, aber die Umsetzung macht es dann doch zu etwas empfehlenswertem.
Wertung: 8 von 10 Punkten (ein neues Spiel erobert die Welt – unheimlich gut)
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