Mit der Hex‘ in der Hex
Nach „Avengers: Endgame“ bin ich eigentlich so ein bisschen durch mit dem Marvel-Universum. Nach drei Staffeln gab es das große Finale und fertig. Das war gut, das war befriedigend – Schluss. Man sollte aufhören, wenn es am schönsten ist. Und viele Marvel-Gegner behaupten ja gerne mal, dass es schon lange nicht mehr schön war. Ich bleibe Fan der Reihe, kann aber auch sagen, dass vieles einfach nur noch Schema F gewesen ist, hinter dem keine große Kreativität mehr zu erkennen war. Auch was bislang für die vierte Phase angekündigt wurde, lässt mein Fan-Herz jetzt nicht sonderlich ausrasten. Noch skeptischer wurde ich allerdings, als es auf einmal hieß, ab jetzt würden auch die Serien eine wichtige Rolle spielen. Disney will uns also dazu zwingen, auch wirklich Disney+ zu abonnieren, damit wir als Fans wirklich immer auf dem neuesten Stand bleiben können. Fand ich eine blöde Entscheidung, zumal mich die meisten Serien nicht so wirklich interessierten. Doch auf eine Serie freute ich mich doch von Anfang an… „WANDAVISION“, die mit verschiedenen Sitcom-Szenarien teaserte und als Vorspiel für „Doctor Strange in the Multiverse of Madness“ dienen sollte. Da wollte ich dann doch mal einen vorsichtigen Blick drauf werfen… und war am Ende wie erschlagen.
Wanda (Elisabeth Olsen) und Vision (Paul Bettany) leben in einem kleinen Häuschen in den 60er Jahren ein glückliches Leben in dem kleinen beschaulichen Örtchen Westview. Doch irgendwas stimmt hier nicht. Denn immer wieder verändert sich das Geschehen… die Situationen springen von Sitcom-Szenario zu Sitcom-Szenario und dabei auch durch die unterschiedlichen Jahrzehnte. Wanda wird schwanger, bekommt auf einmal Kinder und Vision kann sich an nichts vor seiner Zeit in Westview erinnern. Irgendwas geht hier nicht mit rechten Dingen zu… und nur wir Zuschauer erfahren irgendwann, dass eine magische Barriere um Westview errichtet wurde und eine neue Organisation namens S.W.O.R.D. versucht, hinter das Geheimnis dieser Hex, wie das Ganze genannt wird, zu kommen. Mit dabei sind Monica Rambeau (Teyonah Parris) in erwachsener Form nach ihrem Auftritt in „Captain Marvel“, Jimmy Woo (Randall Park) aus „Ant-Man“ und Darcy Lewis (Kat Dennings) aus „Thor“.
Ich könnte hier wahrscheinlich eine ewig lange Lobeshymne an diese Serie schreiben, doch ich versuche mal, mich so kurz wie möglich zu fassen, um den Rahmen nicht zu sprengen. „WandaVision“ ist das kreativste, was Marvel seit Jahren herausgebracht hat. Auch wenn das Ganze im Finale von Folge 9 etwas zu sehr in die übliche Marvel-Formel rutscht und damit den ganzen tollen Aufbau etwas herunterspielt, ist das ganze Konzept dieser Serie einfach nur ein Traum.
Zu allererst muss man einfach loben, wie gut die Macher rund um Regisseur Matt Shakman mit den Sitcoms umgehen. Von „I love Lucy“ über „Bewitched“, „Full House“, „Malcolm mittendrin“ und „Modern Family“ ist wirklich alles mit dabei. Von den Kamera-Settings, über die Kostüme bis hin zum Humor und der Bildsprache kopiert „WandaVision“ perfekt seine Vorbilder und das mit einer unglaublichen Liebe zum Detail. Allein das war schon immer ein Highlight (auch wenn ich die Vergleiche wirklich erst mit den mir bekannten Sitcoms wirklich gut anstellen konnte – alles aus den 60er, 70er Jahren kannte ich halt nicht ansatzweise so gut).
Dazu kommt, dass die Serie es schafft, hier wirklich gekonnt ein spannendes Mysterium aufzubauen, bei dem man Woche für Woche die verrücktesten Theorien und Fragen aufstellen konnte. Was ist dieses Hex? Warum Sitcoms? Was bedeuten diese merkwürdigen Werbeunterbrechungen? Wer ist die Nachbarin Agnes wirklich? Allein wegen des Rätselns hat „WandaVision“ verdammt viel Spaß gemacht. Das Ganze erinnerte an die guten alten „Akte X“-, „Fringe“- und „LOST“-Zeiten. Endlich hat Marvel mal wieder so ein bisschen unsere grauen Fan-Zellen strapaziert und mit diesen neun Folgen ein paar unterhaltsame Theorien aufgestellt, die für den weiteren Verlauf des MCU noch wichtig werden könnten (siehe Monica Rambeau, siehe Jimmy Woo, siehe eine mögliche Verbindung zu den X-Men, siehe so ziemlich alles andere).
Marvel wagt mit „WandaVision“ wirklich mal etwas Neues und es geht auf. Es hilft natürlich auch enorm, dass Olsen und Bettany einfach so eine unglaubliche Chemie haben. Ich hätte denen ewig beim Durchspielen verschiedener Sitcom-Szenarien zuschauen können. Aber auch der Rest des Casts war einfach toll: Kathryn Hahn als Nachbarin Agnes stiehlt im weiteren Verlauf gekonnt allen die Show, Teyonah Parris ist ein toller Neuzugang zum MCU (und wird in „Captain Marvel 2“ dann hoffentlich auch für etwas mehr Unterhaltung sorgen) und Park und Dennings fand ich eh schon immer super.
Alles in allem hat mich Marvel mit „WandaVision“ echt mehr als nur positiv überrascht. Die Serie hatte echt alles: starke Performances, kreative Ideen, viele Rätsel und Mystery, gekonnte Überleitungen zum weiteren Verlauf des MCU und ein emotionales Finale (in dem nur der Endkampf halt wieder etwas sehr Marvel-Formel gewesen ist). Wer bei Marvel wirklich mal Kreativität sehen will, sollte sich „WandaVision“ nicht entgehen lassen.
Wertung: 10 von 10 Punkten (toller Einstieg in Phase 4 – hoffentlich kann der Rest da mithalten)
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Ich bin ja dem MCU gegenüber sehr kritisch eingestellt und hab das ganze nur wegen dem Sitcomaspekt angefangen, aber das ist ein wunderbares Kreativfest, was nahezu allen Belangen die bisherigen MCU Filme (abgesehen von Guardians und Captain America 2) überragt, wenn man von Folge 8 absieht, die zu sehr darunter leidet, Dinge erklären zu müssen, die nicht unbedingt so klar erklärt werden müssen.
Ja, die Erklärbär-Folge hätten sie echt besser machen können. Auch im Finale verfallen sie in ein paar viele Marvel-Klischees… davon abgesehen fand ich die Serie aber auch wirklich, wirklich stark…
Jaaaa, wären die finalen beiden Folgen nicht gewesen, ich würde unwidersprochen in deine Lobeshymne einstimmen. So war es mir am Ende dann leider doch wieder zu generisch mit diesem Krachbumm-Finale…
Da gebe ich dir auch absolut Recht. Gerade das Finale war wieder so urtypisch Marvel… inklusive Skybeam und was nicht noch alles. Aber insgesamt fand ich die ganze Serie trotzdem mal erfrischend anders.