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Filmreise Etappe #26: Citizen Dildo

10. April 2020

Ich habe es ja schon letzte Woche angekündigt: Diese Woche werde ich ein wenig schummeln, wenn es um die nächste Etappe der Filmreise geht. Aber als es darum ging, Filme übers Träumen zu gucken, da konnte ich nicht widerstehen. Das war der perfekte Grund, um zum gefühlt tausendsten Mal „Vanilla Sky“ zu gucken (und ja, ich brauche eigentlich keinen besonderen Grund, um diesen Film zu gucken). Ich liebe diesen Film. Der steht auf der Liste meiner absoluten Lieblingsfilme ganz weit oben. Deswegen nehmt es mir nicht übel, wenn ich hier mal eine Rewatch-Kritik zu meiner alten schreibe…

David Aames (Tom Cruise) hat alles: Er hat ein Verlagsimperium von seinem Vater geerbt, schmeißt die wildesten Parties, hat eine wunderschöne Freundin in Julie (Cameron Diaz). Bei seiner Geburtstagsparty lernt er durch seinen besten Freund Brian (Jason Lee) die Tänzerin Sofia (Penelope Cruz) kennen und verliebt sich in sie. Nach einer gemeinsam verbrachten Nacht (ohne Sex, wohl gemerkt… David ist ein „pleasure delayer“) trifft er auf Julie, die ihn in ihrem Auto mit ihrer unerfüllten Liebe konfrontiert und gemeinsam mit David einen Suizid-Unfall begeht. Sie stirbt, er überlebt – entstellt. Sofia wendet sich von dem unzugänglich gewordenen David ab, doch nach einer durchzechten Nacht steht sie auf einmal wieder zu ihm. Die Ärzte können sein Gesicht wieder richten… und alles scheint perfekt zu sein. Leider ist alles zu perfekt, und schnell merkt David, dass dieses Leben nicht der Realität entspricht.

Ach Cameron Crowe… der Mann hat hier einen wunderbaren, geheimnisvollen, sexy Thriller über Liebe, Sex, Rache, Glück, Realität und Träume gemacht. Ich habe diesen Film, als er ins Kino kam, direkt zweimal hintereinander gesehen und kann seit dem nicht mehr aufhören, diesen Film nicht regelmäßig zu gucken. Ich liebe die Story, die manchmal so widerlich oberflächlich ist (David Aames ist das Paradebeispiel für einen ekligen, verwöhnten Schnösel), dann wieder so wunderbar verspielt und „kompliziert“ ist. Allein das Intro zum Film, wenn Tom Cruise durch einen leer gefegten Time Square läuft, deutet schon so viel wunderbar Verrücktes an. Crowe baut diese Traumwelt clever und schön verschachtelt auf… auf zwei Zeitebenen: einer, mit einem inhaftierten Aames, der seinem Anwalt (Kurt Russell) seine Geschichte erzählt – die wir dann auf der zweiten Ebene erfahren: Die Geschichte von Liebe, Verrat und Eifersucht.

Was ich an Crowe so liebe, ist die Tatsache, wie „musikalisch“ seine Filme sind. Gerade „Vanilla Sky“ ist zugeballert mit einem Soundtrack aus Songs von den Beach Boys, R.E.M., Radiohead, Bob Dylan, Paul McCartney und und und… zu viel möchte man meinen. Mit so einem Soundtrack könnte ein unfähiger Regisseur schnell Gefahr laufen, es zu kitschig, zu albern, zu überladen wirken zu lassen. Nicht dagegen Cameron Crowe. Jeder Song sitzt, unterstreicht die Szene besser als es ein normaler Score könnte. „Vanilla Sky“ hat einen perfekten Klangteppich aus Songs… was sich dann am Ende auch noch perfekt erklärt, wenn man erfährt, was es mit David Aames und seinem neuen Leben wirklich auf sich hat.

Ich will jetzt nicht zu viel verraten, natürlich geht es um Träume, um luzides Träumen – also darum, seine eigenen Träume zu beeinflussen. Und so entwickelt seine Vorliebe zu einem Film wie „Jules und Jim“ ein skurriles Eigenleben. Der Suizid von Julie ist inszeniert wie der tödliche Unfall am Ende von Truffauts Klassiker. Die Dreiecksbeziehung ist ja sowieso gegeben – nur dieses Mal erleben wir sie doppelt: Einmal zwischen David und Sofia und Julie, zum anderen zwischen David, Brian und Sofia. Dazu kommt dann noch Kurt Russells wohlwollender Charakter, der an Gregory Peck aus „Wer die Nachtigall stört“ angelehnt ist. Alles in diesem Film ist mit Davids Erinnerungen und Gedanken verknüpft… und so fordert der Film seinen Zuschauer dazu auf, jedes Wort von David genauestens unter die Lupe zu nehmen. Die Grenze zwischen Realität und Fiktion fließen immer wieder ineinander über. Leider kommt Crowe am Ende nicht drumherum eine etwas zu lange Erklärbär-Szene zu liefern, die dann auch dem letzten klarmacht, worum es in „Vanilla Sky“ wirklich geht… aber das verzeihe ich ihm.

Seine Geschichte ist einfach zu faszinierend, seine Erzählweise spannend, hypnotisch und fordernd und seine Darsteller perfekt ausgewählt: Cruise ist der perfekte Schnösel – klingt jetzt fieser als es ist, aber er passt so gut in diese Rolle. Penelope Cruz ist dieses naive, zarte Wesen mit seinen esoterisch-philosophisch angehauchten Weisheiten, die auch perfekt als Wandtattoo bei irgendwem kleben könnten („Every passing minute is another chance to turn it all around.“). Cameron Diaz spielt ihr nicht weniger bezauberndes Gegenstück, die von Eifersucht zerrissen ist… und naja, Jason Lee ist auch irgendwie da und darf auch ein paar weise Worte sagen („Just remember, the sweet is never as sweet without the sour“).

Es könnte alles zu viel und zu kitschig sein (und ich verstehe jeden, der das auch genau so sieht), aber ich liebe das – vor allem in diesem Film. „Vanilla Sky“ ist sexy, kitschig, schnulzig, spannend, aufregend und mysteriös. Wie gesagt, einer meiner Lieblingsfilme… deswegen musste ich den hier unterschummeln. Gerade, weil er auch so toll mit diesem Thema des Träumens spielt.

Wertung: 10 von 10 Punkten (Cameron Crowe zeigt einfach, wie man ein richtig gutes Remake macht)

14 Kommentare leave one →
  1. 10. April 2020 10:56

    Oh den würde ich auch gerne mal wieder sehen! Wird der irgendwo gestreamt?

    • donpozuelo permalink*
      10. April 2020 10:58

      Du kannst ihn dir bei Prime für 3,99 ausleihen, aber leider auch nur auf Deutsch. Ich hab den Film auf Bluray zuhause, deswegen… 😅😅😅

      • 10. April 2020 11:00

        Das macht es natürlich einfacher 😉

        • donpozuelo permalink*
          10. April 2020 13:49

          So absolute Lieblingsfilme hole ich mich gerne noch in „echt“ nach Hause. Aber allgemein habe ich mir schon seit Ewigkeiten keine richtige Bluray oder so mehr gekauft. Ist ja irgendwie in Zeiten von Streaming Diensten auch etwas obsolet geworden

  2. 10. April 2020 11:22

    Ich mochte den auch immer (wobei ich das Original auch nie gesehen habe). Von Crowe kam dann ja leider nichts erwähnenswertes mehr. Man könnte es als das Ende seiner „Gute Filme“-Trilogie betiteln. JERRY MAGUIRE, ALMOST FAMOUS, VANILLA SKY … und das wars dann. Er hatte ein paar gute Jahre.

    • donpozuelo permalink*
      10. April 2020 13:51

      Stimmt. Absolut. Die drei Filme waren super. Alles andere, alles neue von ihm, habe ich nicht mehr gesehen.

      Das Original habe ich mal vor Ewigkeiten gesehen, fand es damals aber eher langweilig. Aber Crowe hat da auch echt sein eigenes Ding draus gemacht.

  3. 10. April 2020 19:51

    Ich mag den auch sehr. Habe ich damals im Kino gesehen und wusste davor nichts davon. Das war perfekt. Das Original habe ich erst später geschaut und war davon nicht so begeistert, wie vom Remake, aber das liegt wohl auch an der Reihenfolge der Sichtungen.

    • donpozuelo permalink*
      11. April 2020 10:34

      Kann gut sein… das Original fand ich auch nicht so gut. Aber da war ich auch schon durch das Remake vorbelastet

  4. 26. April 2020 18:19

    Mensch der Beitragstitel ist schon etwas clickbait 😉
    Aber ja – Vanilla Sky fand ich damals auch faszinierend und habe jetzt nach deinem Artikel richtig Lust den mal wieder zu schauen. Danke dafür 🙂 Aber vielleicht auch mal das Original, das kenne ich noch gar nicht …

    • donpozuelo permalink*
      26. April 2020 18:21

      Clickbait war auch das Ziel 🤣🤣🤣

      Gerne, gerne. Es ist einfach ein toller Film. Ans Original kann ich mich nicht mehr so gut erinnern. Fand den damals aber nicht so toll.

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