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Die Serie über Nichts

3. Juli 2019

Ich bin ein „Friends“-Kind. Ich bin mit den sechs Freunden aus New York aufgewachsen und ich habe die Liebe zu dieser Serie bis heute nicht verloren. Die Sitcom wird von mir immer noch regelmäßig geguckt, einfach weil sie Teil meiner „Kindheit“ bzw. meiner Teenager-Jahre gewesen ist. Ich habe die Serie mittlerweile so häufig geguckt, dass ich wirklich mitsprechen kann. Man könnte schon sagen, dass ich ein Hardcore-Fan der Serie bin. Von daher ist es natürlich immer schwer, wenn jemand daherkommt und dir sagt, dass „Friends“ ja nicht wirklich DIE Sitcom schlechthin ist, sondern nur eine Kopie einer anderen Serie. Diese andere Serie habe ich jetzt endlich mal geschaut… denn ja, chronologisch gesehen war „Seinfeld“ einfach vor „Friends“ da. Aber ist es wirklich die bessere Sitcom?

„Seinfeld“ erzählt uns in neun Staffeln die Geschichte von Jerry Seinfeld (Jerry Seinfeld), der als Comedian arbeitet und in New York lebt. Sein bester Freund ist der leicht cholerische und neurotische George (Jason Alexander). Jerrys Nachbar ist der quirrlige, durchgedrehte Kramer (Michael Richards), der sich bei Jerry einnistet, ihm das Essen aus dem Kühlschrank futtert und mit den irrsinnigsten Ideen daherkommt. Schließlich hätten wir noch die Dame in diesem New Yorker Vierer: Elaine (Julia Louis-Dreyfus), eine selbstbewusste, aber auch manchmal etwas eigenartige Frau, die mal mit Jerry ausgegangen ist.

Mir wurde „Seinfeld“ immer als die Serie über Nichts verkauft. Eine Aussage, die ich nicht ganz nachvollziehen kann – jetzt nachdem ich die Sitcom geguckt habe. Es geht doch um was… es ist nur halt etwas unkonventioneller als in anderen Serien. Letztendlich zeigt uns „Seinfeld“ vier egozentrische Menschen, die sich eigentlich kaum um ihre Mitmenschen kümmern und nur auf sich selbst achtgeben. Dass die Vier sich überhaupt ertragen können, grenzt dabei fast schon an ein Wunder. Aber gerade dieses übersteigerte Selbstbewusstsein sorgt für einen derartig trockenen und schwarzen Humor, dass man einfach nicht anders kann, als sich über diese Vier halb tot zu lachen.

Es geht auch in „Seinfeld“ viel ums Leben, um den passenden Job, um Geld, um Familie und um Liebe (also sicherlich nicht um Nichts), aber die Serie hat dank seiner Autoren Seinfeld und Larry David manchmal so eine Unverschämtheit drauf, dass man es selbst kaum glauben kann. Ich meine, Georges Verlobte stirbt und das wird einfach mal eben so abgefrühstückt, als wenn nichts wäre. Was passend ist, das George eh nur auf sich bezogen ist. „Seinfeld“ ist keine bunte, fröhliche Sitcom-Welt, wie wir sie sonst kennen. Diese Welt ist zynisch, makaber, absurd und eigenwillig.

„Seinfeld“ lebt von seinen vier Hauptcharakteren… und selbst wenn man doch irgendwie sagen muss, dass Jerry Seinfeld kein begnadeter Schauspieler ist, funktioniert es super. Michael Richards sorgt mit Kramer für Chaos und Slapstick, Jason Alexander ist einfach Neurose in Person und Julia Louis-Dreyfus grenzt manchmal noch an Normalität und setzt dann doch noch einen drauf.

Diese Serie hat so viele coole Einzelepisoden, die einfach echt im Gedächtnis bleiben. Die erste, die gezeigt hat, dass „Seinfeld“ anders sein kann, ist in Staffel 2, wenn die Freunde in einem chinesischen Restaurant darauf warten, einen Platz zu bekommen. Die nach wie vor beste Folge ist für mich in Staffel 4 „The Contest“, in der die vier darum wetten, wer am längsten aushält, nicht zu masturbieren. Oder natürlich der Soup Nazi in Staffel 7, der ja schon so zum Kult geworden ist. So könnte ich jetzt ewig weitermachen, denn trotz seiner stolzen Länge von 9 Staffeln geht „Seinfeld“ nie wirklich die Luft aus. Die Serie bleibt sich zu jeder Zeit absolut treu und findet immer wieder kleine zusammenhängende Elemente (zum Beispiel wenn George und Jerry NBC eine Serie über Nichts vorschlagen). Selbst das Finale von „Seinfeld“ ist großartig: Die Vier werden festgenommen und vor Gericht gestellt und die wichtigsten Menschen aus neun Jahren „Seinfeld“ treten als Zeugen gegen die Vier auf. Passender hätte man das alles nicht beenden können.

Ich werde zwar weiterhin ein „Friends“-Fan bleiben, aber „Seinfeld“ hat sich jetzt direkt daneben gehockt und wird ab jetzt auch öfter geschaut.

Wertung: 10 von 10 Punkten (zwar keine Serie über Nichts, aber trotzdem einfach nur großartig)

11 Kommentare leave one →
  1. 3. Juli 2019 08:07

    Schön, dass du diese großartige Serie nachgeholt hast. Für mich sind „Friends“ und „Seinfeld“ komplett unterschiedlich, auch wenn es beides Sitcoms der 90er sind. Erstere ist eher eine soap-opera-artige Wohlfühlserie, letztere eine extrem innovative Comedy mit perfekt herausgearbeiteten Witzen. Qualitativ sehe ich beide übrigens auf einem Niveau und mag beide auch gleich gern.

    Was „Seinfeld“ für Comedy geleistet hat, ist aber zweifellos beeindruckend. Alleine wie „The Contest“ aufgezogen wurde. Genial! Heute wird selbst in jeder Network-Comedy offen über Sex geredet. Damals war das noch nicht möglich. Wie innovativ damit umgegangen wurde ist nach wie vor großartig. Hach, ich liebe die Serie einfach.

    Hast du im Stream oder auf DVD geschaut? Wenn Letzteres, schau doch mal in die Extras und hör in die Audiokommentare rein. Da kann man noch viel Erhellendes erfahren.

    • donpozuelo permalink*
      3. Juli 2019 09:59

      Da gebe ich dir absolut Recht. Friends ist sehr viel lockerer, Seinfeld dafür umso bissiger. Ich finde auch beide Serie toll, allein schon wegen der Tonalität.

      Und ja, The Contest ist ein wirklich gutes Beispiel für die Art und Weise, wie clever Seinfeld ist. Ich habe mittlerweile auf Netflix auch ein paar von Jerry Seinfelds Stand Up Sachen gesehen und auch da finde ich ihn super.

      Hab die Serie bei Amazon gestreamt… Aber hab mir die ganzen Dokus und Behind the Scenes auf YouTube angeschaut. Wirklich sehr spannend.

  2. 3. Juli 2019 23:25

    Ich stecke in Staffel 4 😀

    • donpozuelo permalink*
      4. Juli 2019 12:37

      Und wie findest du es bisher?

      • 4. Juli 2019 12:58

        Eine Serie über nichts trifft es sehr gut. Ich bin mit den Charakteren nicht so warm geworden, weswegen ich sie zwar okay finde und auch weiter schaue, aber deinen Enthusiasmus nicht teilen kann

        • donpozuelo permalink*
          4. Juli 2019 23:09

          Wie gesagt, so ganz kann ich das mit der „Serie über nichts“ so ganz verstehen. Es geht ja doch um so einiges… nur sind die Charaktere sehr viel „dreckiger“ als man es sonst so gewohnt ist bei Sitcoms. Ich glaube, das unterscheidet die Serie von vielen anderen.

          Ich kann dich aber durchaus verstehen. Ich habe zwei Anläufe gebraucht, bis ich mich so richtig reinversetzen konnte.

  3. 14. Juli 2019 13:58

    Ja, auch ich bin Fan beider Serien. Müsste ich mich aber entscheiden, würde die dunkle Seite der Macht (also „Seinfeld“) gewinnen. „Friends“ ist halt eher so ein ständiges Wohlfühlding, dass zwar auch spleenige Figuren hat, aber eben nie so makaber, dunklen Humor wie „Seinfeld“ bietet…

    • donpozuelo permalink*
      14. Juli 2019 14:21

      Das stimmt. Der Humor bei Seinfeld ist herrlich. Und nicht ansatzweise mit dem von Friends zu vergleichen.

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