Ans Bett gefesselt
Stephen King hat ja im Moment echt einen guten Lauf. Die Verfilmung von „Es“, die ich zu meiner Schande immer noch nicht gesehen habe, sprengt ja alle Rekorde für einen Kino-Horror-Film und übertrifft die Erwartungen bei weitem. Doch da ist ja noch lange Schluss: gefühlt sind mindestens 30-40 weitere Verfilmungen in Planung – ob nun in Serien-Form oder als Film. King kann sich echt nicht beschweren. Als Zuschauer dagegen weiß man schon gar nicht mehr, wo man überhaupt anfangen soll. Ich muss sagen, am gespanntesten warte ich tatsächlich auf die von J.J. Abrams produzierte Serie „Castle Rock“ – der erste Trailer sah wirklich sehr viel versprechend aus. Doch widmen wir uns jetzt erst mal einem aktuellen King-Film – einem, von dem ich dachte, er würde ins Kino kommen, bis er mir auf einmal bei Netflix vorgeschlagen wurde: „Das Spiel“ oder auch „Gerald’s Game“.
Der Anwalt Gerald (Bruce Greenwood) und seine Frau Jessie (Carla Gugino) wollen einem romantischen Kurztrip machen, um die Liebe wieder ein bisschen aufleben zu lassen – was für Gerald bedeutet, dass er die Handschellen einpackt. Mitten im romantischen Nirgendwo angekommen, wird Jessie von ihrem Mann auch mit diesen Handschellen ans Bett gefesselt, doch bevor irgendwas richtig losgehen kann, bekommt Gerald plötzlich einen Herzinfarkt und stirbt. Jessie ist ohne Aussicht auf Hilfe ans Bett gefesselt – und muss sich bald mit einem hungrigen Hund auseinander setzen und den Hirngespinsten, die sich ihr Gehirn vorgaukelt.

Die sexy Variante von 127 Hours
Ich kannte den Roman von King nicht einmal, und dabei dachte ich, ich hätte zumindest Kings alte Werke so ziemlich alle durchgelesen. Aber gut, wahrscheinlich war mir das vom Buchrücken-Text damals einfach nicht Horror genug, um es anzufassen. Dann also wenigstens jetzt als Film… der so seine Höhen und Tiefen hat.
Zu den Höhen gehört eindeutig eine umwerfend aufspielende Carla Gugino. Wir reden hier immerhin von einer Art Kammerspiel-Drama, in dem sie die ganze Handlung trägt. Das erinnert von der Grundsituation ein bisschen an „127 Hours“ und so ähnlich zieht es Regisseur Mike Flanagan auch auf: Gefesselt ans Bett hat Jessie halt nur sich selbst, um sich zu beschäftigen. Und so tauchen bald ihr toter Mann und sie selbst an ihrem Bett auf und reden mit ihr. Das alles funktioniert super – da wird dann post mortem Paar-Therapie betrieben und da wird ein bisschen in sehr alten Wunden gebohrt, die Jessie jetzt verarbeiten muss, weil sie sich dem Tod entgegen sieht. Gugino steht hier voll und ganz im Mittelpunkt und meistert diese Aufgabe wirklich verdammt gut. Überhaupt ist der Anfang von „Das Spiel“ wirklich durchaus sehenswert.
Doch der Film hat ein schwerwiegendes Problem: Er baut ein gutes Drama auf – und versaut es sich dann durch eine einzige Szene. Problem dabei ist, dass jeder, der diesen Film gesehen hat, nur noch an diese eine Szene denken wird. Selbst wenn der Film schon lange in Vergessenheit geraten ist, wird diese eine Szene in Erinnerung bleiben. Und dabei hätte der Film diese Szene in der Krassheit, in der Widerlichkeit gar nicht gebraucht. Aber sie ist halt da und sie ist widerlich genug, dass ich sie mir nur unter vorgehaltenen Händen anschauen konnte und dabei laut gequiekt habe, weil sie wirklich hart an der Grenze war. Da konnte man ja selbst den hungrigen Hund und seine Fressattacken an Geralds toten Körper noch besser ertragen. Aber diese eine Szene bleibt halt wirklich hängen – und macht das ganze Drama mit einem Mal extrem schnell vergessen.
Als wenn das nicht reichen würde, folgt dann aber noch ein letzter Akt mit einer etwas merkwürdig angefügt wirkenden Story. Ich habe mir von Wikipedias Artikel zu Kings Buch sagen lassen, dass die Story da auch so ist, aber sie passt dann einfach nicht mehr zum Rest des Films. So richtig hat Mike Flanagan nicht das Feeling für diese Geschichte gefunden – oder King hat sie damals nicht gefunden, wer weiß das schon so genau. Für die Verfilmung hätte ich mir aber an Flanagans Stelle das letzte Drittel des Films komplett gespart.
Alles in allem ist „Das Spiel“ okay… kann man sich mal anschauen, wenn man wirklich nichts besseres vor hat, aber selbst dann findet man auf Netflix bestimmt noch was besseres. Carla Gugino ist toll, der Anfang ist es auch… alles andere hätte nicht sein müssen. Da wäre eine lose Adaption vielleicht doch besser gewesen.
Wertung: 6 von 10 Punkten (also ab jetzt dann doch lieber Plastik-Handschellen fürs Bett)
Jetzt überlege ich zwanghaft, was für eine Art von widerlicher Szene das sein könnte. Und ob ich mir den Film trotzdem anschauen soll. Hm.
Ich kann es dir auch einfach sagen, wenn du willst 😉 Anschauen kann man sich den Film trotzdem.
Oh Nein! Erinnrst du dich noch an meine Blog-Parade „Hochgradig überfällige Buchverfilmungen“ von vor zwei Jahren. Dort hatte ich mir genau den Film gewünscht! Und jetzt kommt der auf Netflix… Also für mich nicht erreichbar 😛
Die bisherigen Filme von Flanagan fand ich eigentlich ganz gut.
Was hat Flanagan denn noch so gemacht?
Tja… wenn du den Film so sehr wolltest, solltest du ihn auf jeden Fall schauen. Bin gespannt, ob er dir zusagt.
Oculus, Before i wake, Absentia
Nicht gesehen: Still und Ouija 2
Okay. Danke. nicht einen davon gesehen. Werde ich mir mal merken. Irgendein Film dabei, den du besonders empfehlen kannst?
Bei Oculus bin ich zumindest nicht der einzige, der ihn gut findet. Der hat insgesamt recht gute Kritiken bekommen glaube ich.
Cool. Danke! Kommt auf die To-Do-Liste 😉
Auf Netzkino.de gibt es aus Absentia zu sehen. Der dürfte aber nicht jedermanns Sache sein