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Feuer frei!

10. April 2017

Ich weiß noch, wie ich das erste Mal „The Raid“ gesehen habe und mir dachte: „Wow! Was für ein genialer Film“. Das war ein handgemachter Action-Film, der sich schon beim Gucken wie ein alter Klassiker anfühlte. Ich finde es schwer, das in Worte zu fassen, aber dieser Film hatte irgendwas einzigartiges, auch wenn man es so oder so ähnlich schon tausendmal in anderen Martial-Arts- und Action-Filmen gesehen hatte. „The Raid“ war eine kleine Offenbarung, die Offenbarung, dass gute Action auch noch funktionieren kann, ohne das alles voller Explosionen und CGI ist. Und jetzt kommt ausgerechnet der Brite Ben Wheatley, der uns zuletzt in den „High-Rise“ schickte, und macht einen Film, der sich auch schon beim Gucken anfühlt wie ein alter Klassiker. Und „Free Fire“ ist definitiv ein Film, der einen Kultstatus wirklich verdient hätte.

Wir befinden uns in Boston, irgendwann Ende der 70er Jahre. Die IRA schickt Chris (Cillian Murphy) und Frank (Michael Smiley) los, um Waffen zu kaufen. Justine (Brie Larson) vermittelt die beiden an Ord (Armie Hammer), der wiederum den Kontakt zu dem Waffenhändler Vern (Sharlto Copley) herstellt. In einer alten Lagerhalle soll der Waffendeal dann stattfinden. Das Blöde ist nur, einen Abend zuvor haben sich einer von Franks Männern und einer von Verns ordentlich in die Haare bekommen… was sich auf den Deal insofern auswirkt, dass die beiden wild aufeinander losgehen und sich innerhalb kürzester Zeit eine wilde Schießerei in der Lagerhalle abspielt – zu der dann auf einmal auch noch zwei Scharfschützen auftauchen. In diesem Chaos versucht nun jeder irgendwie am Leben zu bleiben.

Shooting and chill

Was allein schon kultig genug ist, ist die Tatsache, dass Wheatley das Filmset in Minecraft nachgebaut haben soll, um so die einzelnen Sequenzen besser durchplanen zu können. Denn „Free Fire“ spielt wirklich nur in dieser einen Lagerhalle und ja, dieser Film besteht eigentlich nur aus einer einzigen groß angelegten Action-Szene. Stellt euch jedes Mexican Standoff in jedem Western oder Tarantino-Film vor – nur frühstückt Wheatley das nicht in fünf Minuten ab, sondern gönnt sich (und uns) mal eben 90 Minuten Bleigewitter pur.

Und das ist wirklich ein Fest. In Sekundenschnelle verwandelt Wheatley diese kleine Lagerhalle in einen wahren Kriegsschau-Platz, der zu einem unübersichtlichen Chaos wird. Überall robben und kriechen Leute in vermeintliche Sicherheit, ständig schießt jemand einfach wahllos in den großen Raum, in der Hoffnung, irgendjemanden zu treffen. Es ist laut, es ist hektisch, es ist zermürbend. Jede kleine Bewegung wird mit einem Schuss aus den zahlreichen Pistolen oder Gewehren bestraft, die Kamera hetzt von einer Deckung in die nächste, als wäre Kamera-Frau Laurie Rose selbst in Gefahr. Diese Schießerei hätte auch nach fünf Minuten langweilig werden können, wird es aber nie. Allein schon die Art und Weise der Inszenierung, dass wir wirklich mitten im Geschehen stecken, ist wie ein kleiner Adrenalin-Rausch.

Dazu lernen wir endlich mal, dass Leute in diesen Situationen a) nie richtig zielen können und b) dass selbst schlimm aussehende Wunden nicht unbedingt zum Tod führen müssen. Stattdessen kriechen unsere zerlöcherten „Helden“ mühsam durch dieses Schlachtfeld… und kriechen ist hier ernst zu nehmen. Die Dreharbeiten zu „Free Fire“ müssen echt anstrengend gewesen sein, denn hier darf eigentlich kaum jemand was anderes machen außer kriechen. So schleppen sie sich dann alle irgendwie mühsam durch diese Halle, versuchen ihre Fronten weiter nach vorne zu verlagern. Die einen wollen nur ans Geld, die anderen einfach nur überleben.

Doch all diese realistisch dargestellten und toll inszenierten Schusswechsel funktionieren nur deswegen so gut, weil Wheatley einen wunderbaren Cast und ein tolles Drehbuch hat, dass diese ganze Schießerei mit herrlich absurden Charakteren und viel schwarzem Humor fühlt. Sei es nun ein Sharlto Copley, der sich eigentlich mehr um seinen Anzug kümmert oder ein wunderbarer Armie Hammer, der selbst in diesem Bleigewitter seine Coolness nie verliert, jeder Charakter hat etwas einzigartiges, das ihn interessant macht. Wenn dann mal die Waffen schweigen, brüllen sich diese Leute gegenseitig an. Das sind hauptsächlich coole Oneliner mit dabei, wüste Beschimpfungen, vermeintliche Friedensangebote oder einfach nur ein Grunzen. Und dennoch passt das alles perfekt zusammen und formt aus dieser Film gewordenen Action-Sequenz auch noch eine großartige schwarz-humorige Komödie, die mich immer und immer wieder zum Lachen gebracht hat.

„Free Fire“ fühlt sich an, wie ein Film, den ein junger Quentin Tarantino gemacht hätte: knallharte, kompromisslose Action; coole, merkwürdige Charaktere, die auch ohne lange Einführung interessant genug sind; ein passender Soundtrack und bissiger Humor. Ich wünsche Wheatley und „Free Fire“ den Kultstatus, den sie beide verdient haben.

Wertung: 9 von 10 Punkten (90 Minuten Spaß und Action pur)

7 Kommentare leave one →
  1. 10. April 2017 10:57

    Ja, kann ich so unterschreiben. Ich war zuerst skeptisch, ob das Szenario so funktionieren würde, aber es hat! 😀

    • donpozuelo permalink*
      11. April 2017 08:46

      Die Skepsis hatte ich auch… aber dieser Film macht sehr schnell so viel Spaß, dass die Skepsis verfliegt

  2. 17. April 2017 18:40

    Oh, also sollte man sich den doch antun. Der Trailer sah zwar interessant aus, aber ein solches Szenario auf Filmlänge zu dehnen, ist dann schon schwer umzusetzen.

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