Zauber-Doktor Merkwürdig
Ich könnte jetzt wieder mit einer schönen Einleitung lange um den heißen Brei herumreden. Ich könnte wieder davon reden, dass Marvel mit seinen Filmen ja eine Tür zum Comic-Film-Zeitalter aufgestoßen hat. Kein Jahr vergeht, indem wir nicht mit Superhelden konfrontiert (belästigt?) werden. Phasen wurden eingeführt, die auf etwas Großes hinarbeiten. Ich könnte auch wieder davon reden, dass mich bislang noch kein Marvel-Film wirklich enttäuscht hat und ich spätestens seit „Ant-Man“ auch bereit bin, die weniger bekannten und etwas skurrileren Marvel-Superhelden zu akzeptieren. Mach ich jetzt aber einfach alles nicht, sondern sage gleich frei heraus, dass Marvels 14. Film einmal mehr ein großes Marvel-Fest geworden ist.
Mit „Doctor Strange“ wird mal wieder ein neuer Charakter eingeführt, der aber enorm wichtig für das Marvel-Universum ist. Denn dieser Doktor ist kein gewöhnlicher Doktor, sondern wird zum mächtigsten Zauberer der Welt (und dürfte damit enorm wichtig sein, wenn dann am Ende von Phase 3 in „Avengers: Infinity War“ und „Avengers 4“ gegen Thanos gekämpft wird). Und damit wir alle diesen Zauberer gut kennenlernen, ist „Doctor Strange“ eine klassische Origin-Story:
Dr. Stephen Strange (Benedict Cumberbatch) ist ein erfolgreicher und hochbegabter Chirurg, aber auch ein riesiges, arrogantes Arschloch. Bei einem Autounfall werden die Nerven-Enden an seinen Händen so schwer in Mitleidenschaft gezogen, dass Strange als Chirurg nicht mehr arbeiten kann. Um eine Heilung zu finden, reist er sogar Kathmandu, wo er auf einen alten Lehrmeister namens The Ancient One (Tilda Swinton) trifft. Von ihr verspricht er sich ein Mittel zur Heilung und wird so in die geheimnisvolle Welt der Magie eingeführt. Doch während Strange fleißig trainiert, droht ein ehemaliger Schüler der Ancient One (Mads Mikkelsen) damit, die Welt zu zerstören (das Übliche halt). Strange, der viel versprechende Schüler, muss helfen.

Das LSD scheint zu wirken…
Wenn man jetzt über „Doctor Strange“ meckern wollen würde (was ich eigentlich nicht will), dann könnte man schon darauf hinweisen, dass wir hier halt wieder eine simple 08-15-Origin-Story vorgesetzt bekommen, die klassisch nach Schema F abläuft und uns keinerlei große Überraschungen bietet. So etwas haben wir in der Form schon zig tausendmal mittlerweile gesehen. Letztendlich hätte „Doctor Strange“ nur noch eine Trainingsmontage a lá „Rocky“ und Co. gefehlt. Und ja, wenn man meckern wollen würde, könnte man nur zustimmen. Wer noch ein bisschen weiter meckern wollen würde, der könnte auch anführen, dass ein Hannibal Lecter a.k.a Mads Mikkelsen als Bösewicht ziemlich verschenkt ist. Was natürlich nicht daran liegt, dass Mikkelsen schlecht ist, sondern einfach, dass er dem Marvel-Fluch nicht gewappnet ist und einmal mehr nur einen Schurken abliefert, den man fünf Minuten nach dem Film schon wieder vergessen hat. Darüber könnte man natürlich meckern und es wird genügend Leute geben, die darüber noch viel ausführlicher meckern werden – muss man aber nicht. Man könnte nämlich einfach auf die vielen, vielen Dinge aufmerksam machen, die „Doctor Strange“ zu einem der sehenswertesten Marvel-Film macht, seit Marvel angefangen hat, Filme zu drehen.
Wer die Trailer gesehen hat, kennt ja schon die an „Inception“ erinnernden Szenen, in denen ganze Städte umgeklappt und die Realität verändert wird. Zum Glück für alle von uns hat sich Marvel da für die Trailer noch zurückgehalten, denn im fertigen Film gibt es noch sehr viel mehr solcher verrückten Szenen, die einfach nur der absolute Wahnsinn sind. Ich glaube, wenn man diesen Film unter Einfluss von Drogen gucken würde, hätte man den Trip seines Lebens. Allein wenn Strange das erste Mal gelehrt bekommt, wie viele verschiedene Universen und Ebenen der Realität es gibt, ist das ein wilder Strom an Bildern, bei dem selbst ein Stanley Kubrick aus „2001“ vor Neid erblassen würde. Aber auch später, wenn in Kämpfen die Realität verändert wird, um für sich einen Vorteil herauszuholen, ist man einfach nur platt.
Regisseur Scott Derickson, der mir vor allem durch „Sinister“ ein Begriff ist, dreht in „Doctor Strange“ voll auf. Er umarmt dieses neue Konzept der Magie vollkommen und tobt sich so richtig aus. Es gibt wahnsinnig faszinierende Kampfsequenzen in diesem Film, bei denen selbst ein M.C. Escher Kopfschmerzen bekommen hätte. Das ist wirklich, ohne Übertreibung, Marvels visuell beeindruckendster Film, der mit so vielen interessanten Details aufwartet, dass man sich wirklich nicht satt sehen kann.

Inception kann sich hinten anstellen.
Dazu kommt, dass Marvel-Master-Mind Kevin Feige mit Benedict Cumberbatch wieder einmal sein Händchen für die perfekte Besetzung beweist. Natürlich ist ein Cumberbatch auch ein bisschen eine Versicherung, dass ein paar mehr Leute in diesen Film gehen. Aber ob man nun eine Cumberbitch ist, Sherlock-Fan oder auch nicht, Cumberbatch ist perfekt als Doktor Strange. Er ist ein umwerfend arrogantes, selbstbewusstes Arschloch und er spielt das auch mit einer absoluten Leichtigkeit, dass man sich jetzt schon nur darauf freuen kann, wenn dieser Typ später mal auf Robert Downey Jr. und seinen Tony Stark trifft. Das wird ein Fest! Aber auch der restliche Cast ist umwerfend. Tilda Swinton überzeugt als alte Lehrmeisterin, Chiwetel Ejiofor ist ein guter Side-Kick-Lehrmeister (von dem man wohl noch ein bisschen mehr in kommenden Teilen erwarten kann) und Mads Mikkelsen – naja, den hatten wir ja schon unter der Meckern-Sparte. Er ist toll (er ist ja auch Mads Mikkelsen), aber auch er darf keinen wirklich bleibenden Eindruck hinterlassen.
„Doctor Strange“ macht dennoch wirklich Spaß, führt den Charakter und die Magie auf spektakuläre Art und Weise ins Marvel-Universum ein und zeigt halt einmal mehr, dass Marvel gut geplant hat. Mal schauen, wie lange das alles noch so gut weitergeht.
Wertung: 9 von 10 Punkten (der Zauber-Doktor verzaubert)
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Ich glaube, der Tag an dem Stanley Kubrick vor Neid gegenüber einem Marvel-Film erblassen würde, ist noch weit, weit, weit hin 😉
Naja… wer weiß. Vielleicht hätte auch ein Kubrick Gefallen an Marvel gefunden. 😉
Ja, gut, Gefallen ist das eine, Neid wiederum was anderes 😉
Hahaha… okay. Touché.
Kann das meiste glatt unterschreiben. Vor allem die Kurzweil hat mir (auch nach der zweiten Runde!) sehr imponiert. Die visuellen Spielereien waren im Kern gut (gerade zu Beginn), aber an anderer Stelle dann doch wieder sehr schluderig ausgeführt. Da hat man die Greenscreentechnik doch sehr auffällig gemerkt. Ansonsten ein toller Film, das stimmt.
Schluderig, echt? Ist mir nicht so aufgefallen. An welcher Stelle meinst du, nur so als Beispiel?
Speziell am Ende bei Dormammu in der Zeitschleife. Da waren die Ränder sehr unsauber.
Ja… okay. Die Dormammu-Zeitschleife war eh ein wenig… naja…
Was mir bei der Sache mehr Sorgen macht, ist der Zeitloop an sich. Theoretisch kann jetzt im MCU niemand mehr sterben. Der gute Doktor könnte alle dank Loop retten. Was schnell auch doof werden könnte.
Stimmt, verfiel etwas arg in Blödelei.
Na da kannst du drauf wetten, dass in so einem Falle gehörig was schiefgehen würde zwecks Konsequenzen. Mordo warnt davor ja ausdrücklich. Das weiß auch Marvel, da bin ich mir ziemlich sicher.
Ja. Okay. Stimmt. Die Warnungen werden ja immer wiederholt. 😉
Ich widerspreche ein wenig. Visuell sicher ein Meilenstein. Die Story dagegen ist Baukasten-Prinzip, die erste halbe Stunde enorm belanglos, und man muss es dem Film schon beinahe anrechnen, dass er durch die langweilige Origin-Story hastet, um endlich zum Thema zu kommen. Letztlich ein (wie üblich) guter Film, aber solange Marvel bei Schema F bleibt, sind die 9/10 und aufwärts unverdient. 😉
Okay… ja, es ist Schema F, aber ich muss dennoch sagen, dass es mich einfach durchweg gut unterhalten hat. Deswegen konnte ich über das Schema F gut hinwegsehen.
Auch sehr schöne Kritik. 🙂 Optisch der beste Film, den ich bisher sehen durfte. Und das Cumberbitch ist tatsächlich die perfekte Besetzung. 😀
Danke, danke. 😉
Cumberbitch ist wirklich eine gute Wahl gewesen. Der passt da gut rein. Ich bin gespannt, was er da noch reinbringt.
9/10 ist ein Wort. Würde ich so nicht unterschreiben, aber FIlme sind ja Geschmacksache.
Und so sehr mir das Schema F mittlerweile auf den Zeiger geht, könnte ich andererseits jeden Tag meine Lieblingspizza futtern (Vier Käsezeiten). Von dem her ist es legitim, aber ich finde, da hätte es schon einen guten Gegenspieler benötigt für eine 9/10.
Haha… das mit der Lieblingspizza ist ein guter Vergleich 😉 Aber ja, das Problem mit dem Schurken ist ja bei Marvel nichts Neues.