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This is (not) a true story!

6. März 2015

Die Filmbranche in den USA wird ja gerne mal als einfallslos und unkreativ beschimpft. Haufenweise Fortsetzungen und Comic-Verfilmungen sorgen da ja auch nicht gerade dafür, dass man Meckerer vom Gegenteil überzeugen kann. Vieles wirkt auf den ersten Blick wirklich recht unkreativ. Und wenn man in so einer Denke noch hört, dass jetzt angefangen wird, aus erfolgreichen Filmen Serien zu machen, dann verliert man doch wirklich ein bisschen den Glauben… an die Kreativität. So etwas zu hören, klingt im ersten Moment wirklich nach reiner Geldmacherei, bei der das Kreative so gering wie möglich gehalten wird – Masse statt Klasse.

Ich gebe zu, als ich gehört habe, dass man auf der anderen Seite des großen Teichs beginnt, Filme in Serien zu verwandeln, war ich mehr als nur skeptisch. Aber eine Kollegin schwärmte immer und immer wieder von der Serie „Fargo“, die natürlich auf dem Coen-Klassiker „Fargo“ basiert, in dem Frances McDormand als schwangere Polizistin so einiges durchmacht. Und auch da war ich skeptisch, denn wie soll daraus schon groß eine spannende Serie gemacht werden? Der Film war doch ausreichend genug…

Aber es wurde eine Serie draus… mit ganzen zehn Folgen. Und natürlich war ich irgendwann doch zu neugierig, und zehn Folgen klang jetzt nach nicht so viel – außerdem bestand ja immer die Möglichkeit, nach der ersten Folge einfach aufzuhören. Doch wenn ich das getan hätte, würde ich nicht diesen Bericht schreiben und ihr würdet ihn gar nicht erst lesen… also, um das Fazit schon mal vorweg zu nehmen: „Fargo“ funktioniert als Serie bestens!!!

Trifft ein Hobbit auf einen Killer…

Dabei muss man der Serie wohl am meisten dazu gratulieren, dass sie es perfekt schafft, diesen bitter-bösen, schwarzen Coen-Humor einzufangen und gekonnt von einer Absurdität in die nächste rutscht. Hier ist alles, wie bei einem großen Schneeball-System: Versicherungsmakler Lester Nygaard (Martin Freeman) unterhält sich nur durch einen blöden Zufall im Krankenhaus mit dem Auftragskiller Lorne Malvo (Billy Bob Thornton)… und doch löst das eine Reihe von Morden aus, durch die sowohl Nygaard als auch Malvo ins Visier der Polizei geraten – einmal in Gestalt der toughen Molly Solverson (Allison Tolman), die ihre eigenen Theorien verfolgt und gegen die Inkompetenz und Vetterwirtschaft antritt (vor allem in Form von Bob „Saul“ Odenkirk). Und dann haben wir da noch Polizist Gus (Colin Hanks), der eigentlich nicht gemacht ist für diesen Job und lieber Postbote wäre… und natürlich gibt’s noch zahlreiche andere Darsteller, doch diese vier sind unsere wichtigsten Schachfiguren, die durch das Schicksal mal hier hin und mal da hin geschoben werden.

„Fargo“ funktioniert aus zwei Gründen hervorragend: Zu allererst wäre da halt der schon angesprochene Coen-Ton, der wirklich gut gehalten wird. Das wird besonders an dem Charakter von Lester besonders deutlich… der verwickelt sich immer weiter und tiefer in sein Lügenkonstrukt und durchlebt eine erstaunliche Wandlung. Erst lernen wir ihn noch als schüchternen Typen kennen, der dann auf einmal Geschmack an der etwas dunkleren Seite findet. Stellt euch die schlechte „Cooler Peter Parker“-Szene aus dem dritten Spider-Man vor… nur halt in gut.

Die Drehbuchschreiber von „Fargo“ haben es wirklich hinbekommen, in verschiedenen Strängen gleich gute Stories miteinander zu verweben. Wenn man am Ende der Serie darüber nachdenkt, dass alles mit nur einer kurzen Begegnung angefangen hat, ist das schon ein irre komisches Konzept, das aber konsequent, brutal und bitter-böse durchgezogen wird. Jede Folge überrascht aufs Neue damit, welche Abgründe die menschliche Seele doch beinhalten kann… erschreckend, erschreckend gut.

… kommt die Polizei vorbei!!!

Dazu kommt Grund Nummer 2: Die Darsteller sind einfach spitze. Martin Freeman ist außerhalb von Mittelerde wirklich sehenswert und bringt es fertig, dass man am Ende nicht mehr weiß, ob man ihn nun mögen oder hassen soll (und ich weiß es bis heute nicht so richtig). Billy Bob Thornton liefert als Lorne Melvo eine sehr ruhige, unterschwellige Performance ab und verleiht diesem Mann eine absolut unheimliche Präsenz. Der Typ muss nicht rumbrüllen und man merkt trotzdem, dass man einem Monster gegenübersteht. Besonders gefallen hat mir aber der Quasi-Frances-McDormand-Ersatz Allison Tolman, die als Molly das gute Gewissen dieser Serie ist. Sie ist unsere Führerin durch dieses Chaos der menschlichen Unmenschlichkeit. Sie ist unser Anker in diesem Meer aus krankem Verhalten… und Tolman ist wirklich einfach nur großartig. Mehr kann man dazu nicht sagen… die perfekte Besetzung.

„Fargo“ überzeugt in einer kurzen ersten Staffel mit zahlreichen Wendungen. Hier herrscht hohes, extrem hohes Suchtpotenzial… und das Warten auf Staffel 2 beginnt!!!

Wertung: 10 von 10 Punkten (die Coens können mehr als nur zufrieden sein)

16 Kommentare leave one →
  1. 6. März 2015 07:21

    Mal nicht zum Thema: Wenn die Tage mein Text zu „House of Cards“ erscheint könnte man denken mein erster Absatz wäre von deinem dritten Absatz inspiriert. Dem ist nicht so 🙂

    Zur Serie: Klingt super, ist auf jeden Fall vorgemerkt!

    • donpozuelo permalink*
      6. März 2015 09:09

      😀 Wir Filmblogger haben also doch alle ein Bewusstsein!!! 😀

      Zur Serie: Ja, ich war auch erst skeptisch, aber die ist wirklich sehr unterhaltsam. Unbedingt mal anschauen!!!

  2. zirkusmanege permalink
    6. März 2015 14:56

    Ich mochte die Serie auch sehr sehr gern – ein Highlight von 2014! Allerdings hab ich auch schon von Leuten gehört, dass sie mit Fargo nichts anfangen konnten. Der schwarze Humor ist jeder Manns Geschmack. Bin schon auf Staffel zwei gespannt, die wohl im Jahr 1979 spielen wird.

    • donpozuelo permalink*
      8. März 2015 22:02

      Ja, das mit Staffel 2 habe ich auch schon gelesen. Fänd ich auch cool, weil dieses Massaker ja immer wieder mal Thema ist, ohne vertieft zu werden. Ich bin auf jeden Fall gespannt…

  3. 6. März 2015 15:49

    Sag ich doch 😀

  4. 6. März 2015 18:10

    Nette Serie, die sich gerne auch früher etwas von der Filmformel hätte lösen können. Die vielen Verweise auf Coen-Werke sind zwar auch ganz süß, aber letztlich im Grunde wenig kreativ. Gucken kann man das aber durchaus – eine weitere Staffel hätte es für mich da gar nicht gebraucht (dito True Detective).

    • donpozuelo permalink*
      8. März 2015 22:04

      Bei „True Detective“ stimme ich dir zu. Da zögere ich auch noch, mich auf die zweiten Staffel zu freuen. Bei „Fargo“ freue ich mich da schon eher, da sie ja vielleicht dieses oft erwähnte Massaker zum Thema nehmen wollen. Aber natürlich ist auch fraglich, ob das dann noch funktionieren wird…

  5. 7. März 2015 00:49

    Molly ist so toll. Ich mochte die Serie auch unglaublich gern, obwohl ich nicht immer etwas mit den Coen-Brüdern anfangen kann. Besetzung super, Musik super, Atmosphäre super.

    • donpozuelo permalink*
      8. März 2015 22:05

      Kann man nicht mehr zu sagen 😉 Wirklich eine tolle Serie… und sollte es mit der zweiten Staffel nicht hinhauen, bleibt diese tolle Staffel, die ja zum Glück perfekt für sich allein stehen kann (und ja auch noch ein so schönes, versöhnliches Ende hat 😉 )

      • 10. März 2015 22:12

        Ach, ich bin da guter Hoffnung. Die machen daraus schon was feines.

        • donpozuelo permalink*
          10. März 2015 22:55

          Das denke ich auch. Staffel 1 hat ja gezeigt, was sie können…

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