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Floyd, das Fahrrad

26. September 2014

Wir hatten ja vor nicht allzu langer Zeit diese wunderbare Blogparade zum Thema „Einmal und nie wieder“ – über Filme, die zwar verdammt gut sind, dass man sie sich nur einmal anschauen kann. Und gleich danach hatten wir eine Parade über die Filme, die wir uns immer und immer wieder anschauen könnten. Tja, und wer hätte gedacht, dass es auch Filme gibt, die genau dazwischen passen? Die verdammt gut sind auf der einen Seite, aber gleichzeitig auch so sehr an die Nieren gehen, dass man sie eigentlich nicht noch einmal schauen möchte. Nur dann am Ende sitzt man da, ein Tränchen rollt einem vielleicht über die Wange, die durch das breite Grinsen im Gesicht schon fast ein bisschen weh tut. Diese Art von Film rutscht dann doch sehr viel schneller wieder in die zweite Kategorie… und wenn es dann noch  um eine junge Frau geht, die ihrem Fahrrad einen Namen gibt (und solche Menschen sind mir immer sehr sympathisch… denn mein Auto und mein Fahrrad kenne ich auch beim Namen 😉 ), dann ist das Ganze definitiv eine zweite Sichtung wert!

Der Film, um den es geht, wurde uns in den Kinos vorenthalten – etwas, dass ich beim besten Willen nicht verstehen kann. „Short Term 12“ ist nämlich ein Film, den muss man einfach gesehen haben… halt mit einem Lachen im Gesicht, während einem die Tränen fließen:

Grace (Brie Larson) arbeitet als Betreuerin in einem Heim namens „Short Term 12“. Hier kommen Kinder mit sozialen oder psychischen Problemen unter. Als die junge Jayden (Kaitlyn Dever) dort auftaucht, gelingt es Grace eine Verbindung zu dem Mädchen aufzubauen… und wird dabei auch mit ihrer eigenen Vergangenheit konfrontiert.

Floyd, das Fahrrad, meine Damen und Herren. Bester Nebendarsteller!!!

Regisseur Destin Daniel Cretton hat – genau wie Grace – selbst in so einer Einrichtung für Kinder gearbeitet und da erkennt man auch sofort, wie gut diese Erfahrung dem Film tut: Cretton schildert das Leben in der Einrichtung ganz unverblümt. Er nimmt kein Blatt vor den Mund, er beschönigt nichts: Auf fast schon dokumentarische Art und Weise lässt er uns am Leben in so einer Einrichtung teilhaben – mit allen Höhen und Tiefen. Dabei gelingt es ihm auf wunderbar subtile Weise und ohne Klischees auf die unterschiedlichen Probleme der Kinder einzugehen. Dafür lässt er sich Zeit, Cretton hat keine Eile… und lässt seine Charaktere für sich sprechen. Hier muss man vor allem den jungen Darstellern ein Lob aussprechen: Auch wenn wir nicht alle in vollem Ausmaße kennenlernen, hat man doch zumindest das Gefühl, ein besseres Verständnis von ihnen zu bekommen. Irgendwie schwer, das richtig in Worte zu fassen, aber „Short Term 12“ ist da wirklich wie eine Dokumentation… (all diese Qualitäten zeigen sich aber auch schon in Crettons Kurzfilm „Short Term 12“, auf dem dieser abendfüllende Film basiert)

Aber natürlich ist „Short Term 12“ auch ein unheimlich berührendes Drama… und das ist vor allem der wirklich grandios spielenden Brie Larson zu verdanken, die hier einmal mehr beweist, dass sie so viel mehr ist als nur eine kleine Randfigur (wie zum Beispiel in „21 Jump Street“). Larson spielt so eindringlich, zart und zerbrechlich, dass es manchmal richtig weh tut (wenn sie dann noch dieses nervöse Kratzen an ihrem Daumen anfängt, tut es wirklich manchmal weh). Larson steht der enorme Druck – nicht nur ihrer Arbeit, sondern auch ihrer Vergangenheit – geradezu ins Gesicht geschrieben. Doch auch hier gelingt Cretton das unglaubliche Kunststück, sie nicht zu einer Hollywood typischen „drama queen“ verkommen zu lassen. Ihm geht es auch mit Grace um den Menschen, nicht um Gefühlsduselei. Und das wiederum gelingt auch Larson, weswegen man einfach nur mit ihr leidet, mit ihr lacht…

Alle Darsteller in diesem Film sind einfach nur unglaublich – so auch John Gallagher Jr., der Graces Freund spielt. Er ist der Fels in der Brandung, der absolute Ruhepol, den sowohl die Kids in „Short Term 12“ als auch Grace selbst braucht. Und ganz ehrlich, wir als Zuschauer brauchen ihn auch. Denn mit seiner Art holt er uns immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurück.

„Short Term 12“ ist ein wirklich beeindruckender Film. Cretton durchläuft hier gekonnt alle Höhen und Tiefen, nimmt uns mit in die Abgründe der Menschlichkeit und schafft es am Ende dennoch, uns mit einem Lachen und dem Glauben an die Menschheit auf unseren Weg zu schicken. „Short Term 12“ hat Momente, da möchte man am liebsten ausschalten, weil es zu krass wird… und dann doch wieder nicht. Ein verrückter Film, ein toller Film, ein unglaublich intensiver Film… ein Film, den man wirklich einfach gesehen haben muss.

Wertung: 10 von 10 Punkten (Larson ist eine Offenbarung und Cretton ein wunderbar behutsamer und einfühlsamer Geschichtenerzähler)

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