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Insel-Lotterie

7. Mai 2014

Sechs Filme drehte Michael Bay, bevor er sich dazu entschied, mehr oder weniger nur noch in großen Robotern, Autos und Explosionen zu seinem Lebensmittelpunkt zu machen. Klar war er davor auch schon für seine „tollen“ Explosionen bekannt, doch mit der „Transformers“-Reihe erlag er endgültig seinem Rausch… und verlor vielleicht auch viele seiner Fans, die Klassiker wie „Bad Boys“ oder „The Rock“ als tolles 90er-Jahre-Action-Kino feierten. Was jetzt zählt, ist scheinbar nur noch CGI und viel Krawumm.

Sein letzter Film vor „Transformers“ war einer, der mit einer für Bay recht spannenden und intelligenten Story daher kam… eine, bei der man nicht unbedingt daran gedacht hätte, dass Bay auch hier mehr Action reinpackt als nötig. Aber Bumm-Bumm-Bay würde wahrscheinlich selbst noch bei Geschichte für Kinder alles in die Luft gehen lassen. Willkommen auf der Insel!!!

In „Die Insel“ leben Ewan McGregor und Scarlett Johansson als Lincoln Six Echo und Jordan Two Delta in einem abgeschotteten Komplex, der sie vor der Strahlenhölle bewahrt, die sich einst unsere Erde nannte. Einziger Lichtblick in diesem tristen Leben ist die Lotterie, bei der man eine Reise auf eine wunderbare Insel gewinnen kann. Doch Lincoln muss bald entdecken, dass die Insel gar nicht existiert… und dass er mit all seinen Freunden nur geklont wurde – als Ersatzteillager für ihre Originale.

Black Widow in der Grundausbildung

Klone, die ihr eigenes Schicksal erkennen und dagegen ankämpfen – das ist ja auch nichts Neues und wurde auch schon oft genug gemacht. Man kann es auf die dramatisch-ernsthafte Tour versuchen und herauskommt vielleicht so ein Schnarchfest wie „Alles, was wir geben mussten“. Oder man macht es halt auf die Bay’sche Art und Weise.

Dabei muss man Bay zugute halten, dass er es eine knappe Viertelstunde lang schafft, mit „Die Insel“ wirklich zu überraschen… und nichts explodieren zu lassen. Stattdessen lässt er sich hier wirklich Zeit für den Aufbau dieser befremdlich wirkenden Welt, in der Lincoln und Jordan leben. Statt brav seiner Arbeit nachzugehen, hinterfragt Lincoln mehr und mehr diese heile Welt aus immer gleichen Anzügen, immer gleichem Essen und immer gleichen Routinen. Diese kleine Welt ist ein schick-erschreckendes Stil-Monster, in dem zwar alles irgendwie cool aussieht, sich aber trotzdem nicht echt anfühlt.

Mit Ewan McGregor hat Bay hier zudem auch einen echten Sympathie-Träger in der Hauptrolle, mit dem man wirklich mitfiebert, wenn er das erste Mal eine Motte fängt oder sich das erste Mal klar machen muss, dass seine heile Welt vor seinen Augen zusammenfällt. McGregors Lincoln erwacht aus seinem „schönen“ Traum und nimmt uns dabei mit.

Bis hierhin ist „Die Insel“ unglaublich gut… und so gar nicht wie ein Michael-Bay-Film. Dafür wirken das Setting und die Ausgangslage fast schon zu perfekt. Aber so wie Lincolns Traumwelt kaputt geht, so zerstört auch Bay diese wunderbare Idee… indem er jede Menge Verfolgungsjagden und Explosionen hinzufügt. Denn nachdem Lincoln mit Jordan flüchtet, werden die beiden verfolgt. Und stellen sich dabei für zwei Klone, die noch nie die Außenwelt gesehen haben, sehr viel besser an als erwartet. Ich meine, da sind professionelle Söldner am Werk und müssen halb L.A. in Schutt und Asche legen, um überhaupt an die ranzukommen.

Wie gesagt, irgendwann gehen in „Die Insel“ die Pferde mit Bay durch und er verschenkt seine eigentlich ziemlich coole Story für „billige“ Effekthascherei, die überhaupt nicht zur Geschichte passt. Klar, die Action ist top inszeniert und auch spannend, aber es passt einfach nicht. Punkt. Aus. Feierabend.

„Die Insel“ fühlt sich an, als hätte Bay zwei verschiedene Filme gedreht und dann anschließend einfach irgendwie zusammengeklatscht. So gibt’s zu Beginn eine cool-unheimliche Sci-Fi-Story, die dann abgelöst wird mit Test-Dreharbeiten für „Bad Boys 3“, nur dass hier nicht Will Smith durch die Zukunft rast, sondern Ewan McGregor.

Da war sich Bay wohl nicht so ganz sicher, ob er es wirklich riskieren kann, mal einen Film ohne Explosion und Gedöhns zu machen, was „Die Insel“ recht merkwürdig aussehen lässt. Aber wie er auch später mit „Pain & Gain“ unter Beweis stellt: Wenn er wollte, könnte Bay durchaus mehr als nur Knall und Bumm.

Wertung: 7 von 10 Punkten (zwei verschiedene Filme ergeben einen Film, der zwar durchaus sehenswert ist, aber sehr, sehr viel besser hätte sein können)

11 Kommentare leave one →
  1. 7. Mai 2014 10:21

    Fand den auch durchaus unterhaltsam und für einen Bay hat er tatsächlich viel Story zu bieten. Aber ich denke auch, dass ein anderer Regisseur hier etwas spannenderes zustande gebracht hätte, anstatt ein weiteres Actionfeuerwerk.

    • donpozuelo permalink*
      7. Mai 2014 18:56

      Ein anderer Regisseur hätte auch sofort gemerkt, dass man hier nicht unbedingt mit viel Action kommen muss, um trotzdem einen spannenden Film zu drehen. Aber Bay kann Action wohl einfach nicht so leicht abschütteln und deswegen gibt’s halt von allem ein bisschen zu viel.

  2. 7. Mai 2014 14:12

    Da kann ich dir nur in allen Punkten zustimmen, die Geschichte hätte mehr Charakter- und Storyentwicklung gebraucht, anstatt des Riesenhaufen Actions. Habe dem Film auch nicht so ganz abgekauft, dass die Klone so gut in der Außenwelt klargkommen. „Alles was wir geben mussten“ war vielleicht sehr langsam, gefühlsbetont und gediegen und du scheinst den Film nicht so zu mögen, aber ich empfand das als realistischer.

    • donpozuelo permalink*
      7. Mai 2014 18:57

      Ich kann dir nicht einmal mehr sagen, was mir an „Alles, was wir geben mussten“ nicht so gefallen hat… da müsste ich selbst noch einmal nachlesen 😉 Aber ich bin mir sicher, dass selbst dort das Thema mit den Klonen besser und glaubwürdiger behandelt wird als bei Bay. Aber wer sich nur auf Action konzentriert, verliert die tolle Story und muss mit dem klarkommen, was noch übrig bleibt.

  3. 7. Mai 2014 20:12

    Von mir gab es damals auch 7 Punkte und auch mich hat die Zweitelung des Films irritiert. Insgesamt wohl aber einer der besseren neueren Bays. Gegen „The Rock“ kommt aber so schnell nichts an… 🙂

  4. 8. Mai 2014 15:06

    Ich habe das damals gar nicht als so störend empfunden und finde ihn auch heute noch ganz gut, obwohl ich (bis auf wenige Ausnahmen) nicht so der Action-Freund bin. Auf jeden Fall einer der besten Bay-Filme.

    • donpozuelo permalink*
      8. Mai 2014 17:10

      Damals hat es mich komischerweise auch nicht so gestört, aber nachdem ich ihn jetzt noch mal gesehen habe, fand ich es schon ein bisschen nervig… da hat man so eine coole Story und lässt die komplett in der Action untergehen… und das sage ich als Action-Freund 😀

  5. 29. Mai 2014 13:39

    Jetzt erst gesehen? Ich fand den jedenfalls sehr toll. Ist seit Ewigkeiten in meiner Sammlung. Wertung wäre vermutlich irgendwas zwischen 8 und 9 von 10.

    • donpozuelo permalink*
      30. Mai 2014 08:31

      Jetzt wieder mal gesehen. Vorher fand ich ihn auch richtig gut, aber dieses Mal war mir das ganze Action-Zeug dann doch zu viel.

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