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Zeitreise-Wahnsinn

4. November 2013

Man kann in der Wissenschaft und in der Forschung planen so viel man will. Man stellt hochkompliziert errechnete Prognosen auf, in der Hoffnung, damit bestimmte Vorhersagen treffen zu können. Doch leider kann einem da auch immer etwas dazwischen funken – ein Rechenfehler, die falsche Zusammenstellung bestimmter Komponenten oder einfach nur falschen Timing. Und doch ist so etwas nicht immer etwas Falsches, denn durch „dumme“ Zufälle können ebenfalls Ergebnisse erzielt werden. Die Geschichte der Forschung ist voller „dummer“ Zufälle, die zu herausragenden Entdeckungen führten. Da gibt es Alexander Fleming, der durch eine Unachtsamkeit das Penicillin entdeckte, der gute Herr Röntgen soll die nach ihm benannten Strahlen auch nur durch Zufall gemacht haben… und wenn man weiter forscht, wird man zahlreiche solcher Beispiele finden können. Das soll jetzt nicht heißen, Forschung beruht nur auf Zufällen, aber Zufall ist ein wichtiger Faktor.

Das müssen auch die beiden Ingenieure Aaron (Shane Carruth) und Abe (David Sullivan) in Shane Carruths „Primer“ feststellen. Die beiden bauen in ihrer Garage ein Gerät, das die Masse von Objekten reduzieren kann. Doch irgendwie scheint die Maschine einen winzigen Nebeneffekt zu haben: Ein Objekt, dass die beiden für nur ein paar Minuten in der Maschine gelassen haben, ist plötzlich voll von einem merkwürdigen Pilz. Der Bewuchs ist zu stark, als dass er nur in den paar Minuten hätte geschehen können. Nach einigen Nachforschungen müssen Aaron und Abe feststellen, dass ihre Maschine es dem Objekt ermöglicht hat, durch die Zeit zu reisen. Im Geheimen baut Abe eine weitere, größere Maschine und testet sie an sich selbst… als seine Zeitreise erfolgreich ist, weiht er Aaron ein. Und was machen die beiden? Das, was wohl jeder machen würde: Sie versuchen mit ihrem Wissen aus der Zukunft Geld zu machen. Doch, wie wir auch alle wissen, sind Zeitreisen verdammt kompliziert und schon bald kämpfen Aaron und Abe gegen den Zeitreise-Wahnsinn.

Zeitreisen sind kompliziert und stecken voller Irrungen, auf die man achten muss. Schon in „Zurück in die Zukunft“ haben wir auch amüsante Weise gelernt, dass man sich nicht in die Vergangenheit einmischen darf oder was passiert, wenn man sich selber trifft und so weiter. Zeitreisen sind kompliziert – wenn uns das ein Film auf absolut realistische Art und Weise zeigt, dann wohl Shane Carruths „Primer“. Dagegen ist alles andere wie Kindergarten.

Ich hatte noch nie so große Mühe, einem Film zu folgen. Das liegt zum einen daran, dass „Primer“ ein extrem technischer und wissenschaftlicher Film ist. Wenn sich ein Film Science-Fiction nennen darf, dann wohl „Primer“… denn vor allem das „Science“ wird hier sehr, sehr wörtlich genommen.Gerade zu Beginn, wenn Aaron und Abe das Geheimnis ihrer kleinen Erfindung zu lösen, besteht der Film eigentlich nur aus technischem Fachwissen. Aaron und Abe diskutieren Fachbegriffe, bei denen mal wohl mindestens einen Abschluss in höherer Mathematik oder Physik haben muss, um wirklich präzise folgen zu können. Gerade zu Beginn tut man sich schon schwer, einen Einstieg in den Film zu finden. Aber selbst, wenn wir den technischen Kram hinter uns gelassen haben und sich der Film mehr mit den verschiedenen Zeitreise-Paradoxen beschäftigt, wird das ganze Erlebnis des Films nicht einfacher oder gar verständlicher.

Als wenn das ganze mathematische und technische Gerede nicht schon Abschreckung genug wäre, ist „Primer“ auch an sich ein Film, an den man sich erst gewöhnen muss. Er dreht sich hauptsächlich nur um seine beiden Protagonisten, die entweder in einer Garage, einem Lagerraum oder einem Hotelzimmer sind. Dieser Minimalismus, der nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen ist, dass Carruth für seinen Film kein sonderlich großes Budget hatte, kann hin und wieder etwas erdrückend wirken. Das wohl größte Problem ist dann aber auch die Dramaturgie des Films… die ist nämlich wirklich miserabel. Carruth erzählt seine Geschichte teils recht abgehakt und manchmal ohne einen klar erkennbaren Zusammenhang (der sich dann vielleicht erst etwas später ergibt). Aber gut, auf der anderen Seite darf man von einem studierten Mathematiker jetzt auch nicht zu viel verlangen 😉

Doch bei all dem Gemecker muss man „Primer“ auch irgendwie mögen. Als Debüt-Film eines Mathematikers ist er natürlich voller wissenschaftlicher Fakten, aber dafür wirkt der Film unglaublich authentisch in allem, was er uns zeigt. Die Zeitreise-Thematik selbst wird nach der längeren Erklärphase dann auch noch zu einem recht spannenden Story-Element, dessen Ausmaße erst am Ende wirklich deutlich werden. „Primer“ ist sicherlich nicht perfekt und schon gar nicht massentauglich, aber jeder, der das Thema Zeitreise mal auf realistische Weise erleben will, ist hier genau richtig.

Wertung: 6 von 10 Punkten (ein realistisches Kammerspiel zum Thema Zeitreisen, dass seinen Zuschauer herausfordert und sehr oft auch überfordert)

11 Kommentare leave one →
  1. 4. November 2013 09:52

    Lustig, ich hatte ihn ähnlich beurteilt. Irgendwie fand ich die Thematik total interessant, aber schwer zu verfolgen und teilweise bescheiden umgesetzt 😆
    Auch punktemäßig liegen wir diesmal gleich auf.

    • donpozuelo permalink*
      4. November 2013 10:38

      Ja, die Umsetzung ist wirklich etwas bescheiden. Man merkt, dass die Idee an sich gut ausgearbeitet ist (von einem Mathematiker dann auch zu erwarten 😉 ), aber filmisch ist das Ganze schon echt anstrengend. Aber gut zu wissen, dass ich nicht der einzige bin, der so denkt.

  2. 4. November 2013 13:38

    Den wollte ich auch schon immer mal sehen. Zeitreisen finde ich immer faszinierend und „Primer“ scheint ja wirklich gut mit der Technik zu spielen. Bisher war er mir jedoch zu teuer in der Anschaffung. Hast du da eine Empfehlung (DVD-technisch)?

    • donpozuelo permalink*
      4. November 2013 14:34

      Ich hab mir den leider auch nur von nem Freund geliehen. Soweit ich weiß, gibt’s eine halbwegs ansehnliche Version auch bei youtube. Allerdings kenn ich die nicht (wg. Qualität und so).

    • 5. November 2013 22:46

      Ich hatte die SD-Version auf iTunes ausgeliehen, die war in Ordnung, man hat das hier und da fehlende Budget aber doch bemerkt. Das größte Problem dürfte allerdings sein, dass der Film nie offiziell in Deutschland erschienen ist. Der Umweg über das Ausland ist zumindest beim Neukauf Pflicht.

  3. 5. November 2013 22:44

    Ich würde wohl eine Punktekarte höher ziehen, aber im Grunde kann ich deine Kritik sehr gut nachvollziehen. Der Film ist einfach ultra-anstrengend. Da war es auch nicht gerade eine große Hilfe, dass ich den Film irgendwann nachts gesehen habe 😉

    • donpozuelo permalink*
      6. November 2013 09:08

      Oh Gott, dann wäre ich wohl irgendwann eingeschlafen 😀 Ich habe auch lange mit der Punktevergabe gezögert, eben weil der Film so schwierig einzuschätzen ist. Aber die ganze Machart entzieht der wirklich guten Idee extrem ihren Charme. Von daher…

  4. 6. November 2013 13:40

    Auch von mir gibt es Punktetechnisch Zustimmung, ebenso wie zu vielen Aspekten des Films, gerade den Einstieg. Bei der Eröffnungsszene am Tisch mit den Umschlägen hab ich keine Ahnung gehabt, um was es gerade geht. Ein derartiger Einstieg in die Dramaturgie des Films ist natürlich gewagt, „Primer“ hat seine Fans ja auch eher im Untergrund gefunden.

    Allerdings ist der Film für mich nicht allzu authentisch bzw. authentischer als andere Genre-Filme wie „Back to the Future“. Wie genau die Machine funktioniert, ist ja offen und ihre Funktionalität für mich – auch ohne Mathe- Physikstudium – ziemlich fraglich. Die Klimax des Films mit der Partyszene ging zudem ebenfalls – trotz mehrmaligen Sehens inkl. Untertiteln – an mir vorüber. Was genau jetzt auf der Party passiert sein soll, wieso das so wichtig war und warum es mehrmalige Versuchsanläufe zur Korrektur gebraucht hat – alles etwas wischiwaschi.

    Als Fingerübung ist das aber dennoch in Ordnung, in Anbetracht der Voraussetzungen. Und mit seinem Folge-Film hat Carruthers ja in der Tat viel besser gemacht.

    • donpozuelo permalink*
      6. November 2013 15:08

      Als Fingerübung genau richtig. Damit hat er erst einmal gut auf sich aufmerksam gemacht. Die Frage nach der Authentizität bei Zeitreisen ist ja eh immer etwas schwierig, hier wurde das zumindest mit dem ganzen technischen und mathematischen Gerede so stark verkompliziert, dass es sich – zumindest für mich – realistischer anhörte.

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